Katholischer Reformer des 16. Jahrhunderts
Peter Kanis, der sich später Canisius nannte, wurde am 8. Mai 1521 in Nimwegen geboren. Sein Vater Jakob hatte in Jura promoviert und am Hof des Herzogs von Lothringen als Erzieher gewirkt. Er kehrte nach Nimwegen zurück und wurde dort neunmal zum Bürgermeister gewählt. Jakob Kanis heiratete 1519 die Apothekerstochter Ägidia von Houweningen, die ihm sieben Kinder schenkte, von denen nur Peter sowie seine Schwestern Philippa und Wendel am Leben blieben. Nach dem Tod seiner Frau vermählte sich Jakob Kanis mit Wendel van den Bergh, die sich liebevoll der Kinder aus erster Ehe annahm.
Peter besuchte die Lateinschule in Nimwegen und wurde bei den Brüdern vom gemeinsamen Leben im Geist der Devotio moderna erzogen. Ende 1535 ging er nach Köln, wo er am 18. Januar 1536 an der Universität immatrikuliert wurde und an der Montaner Burse studierte. Nachdem er 1539 mit dem Lizentiat das Grundstudium abgeschlossen hatte, drängte ihn sein Vater, in Löwen Kirchenrecht zu studieren, um eine kirchliche Karriere zu machen. Rasch verwarf der junge Kanis diese Pläne und begann statt dessen in Köln mit dem Theologiestudium, um Priester zu werden.
Von den Jesuiten, die Papst Paul III. 1540 als Orden bestätigt hatte, hörte Kanis erstmals 1542. Anfang April 1543 reiste er nach Mainz, um Peter Faber, einen Mitbegründer der Gesellschaft Jesu, zu besuchen. Kanis war von Faber so beeindruckt, dass er bei ihm Exerzitien machte und am 8. Mai 1543 in den Orden eintrat. Danach kehrte er nach Köln zurück und warb Interessenten für den Jesuitenorden, so dass im Mai 1544 die erste deutsche Niederlassung der Gesellschaft Jesu gegründet werden konnte. Seinen ersten kirchenpolitischen Auftrag erhielt Kanis 1545. Als Vertreter der Kölner Geistlichkeit besuchte er Kaiser Karl V. auf dem Reichstag in Worms, um ihn zur Absetzung des Erzbischofs Hermann von Wied zu bewegen, der zum Protestantismus neigte. Beim Besuch des Kaisers in Köln verhandelte Kanis erneut mit Karl V. und legte ihm diese Angelegenheit gegen Ende des Jahres in Antwerpen nochmals vor.
Durch seine Besuche beim Fürstbischof von Lüttich und beim Kaiser erreichte Kanis schließlich, dass Hermann von Wied 1546 exkommuniziert, als Erzbischof abgesetzt und 1547 zum Rücktritt gezwungen wurde. Neben seinen Bemühungen um den Erhalt des Kölner Katholizismus hielt Kanis Vorlesungen und predigte an Sonn- und Feiertagen. Im Juni 1546 wurde er zum Priester geweiht und veröffentlichte im selben Jahr Werke Cyrills von Alexandrien und Leos des Großen. Beim Besuch des Kaisers in Geislingen traf er Anfang 1547 den Bischof von Augsburg, Kardinal Otto Truchseß von Waldburg, der ihn als Theologen zum Konzil nach Trient entsandte. Um diese Zeit begann Kanis, die latinisierte Form seines Namens zu verwenden und sich Petrus Canisius zu nennen.
Messina und Ingolstadt
Auf dem Konzil sprach Canisius vor der Theologenversammlung über die Beichte und das Sakrament der Ehe. Anfang September 1547 holte ihn Ignatius von Loyola nach Rom, um ihn mit der Lebensweise und Spiritualität der Jesuiten vertraut zu machen. Unter der Leitung des Ordensgründers machte Canisius nochmals Exerzitien, verrichtete Hausarbeiten, pflegte Kranke und bettelte um Almosen. Mitte März 1548 reiste er mit einer Gruppe von Jesuiten nach Sizilien, um in Messina ein Kolleg zu gründen. Canisius arbeitete dort als Lehrer der Rhetorik, Studienpräfekt und Seelsorger. Nach Rom zurückgekehrt legte er am 4. September 1549 die Professgelübde ab. Zusammen mit Alfons Salmeron und Claudius Le Jay sandte ihn Ignatius nach Ingolstadt, wo sie der Bayernherzog Wilhelm IV. als Theologieprofessoren dringend benötigte. Ihre Antrittsvorlesungen hielten die Jesuiten im November 1549 vor einem großen Auditorium. Zu ihren Lehrveranstaltungen kamen jedoch kaum mehr als ein Dutzend Studenten, deren Allgemeinbildung zudem sehr gering war. Um dem abzuhelfen, drängten die Jesuiten Herzog Wilhelm IV., das versprochene Kolleg zu errichten.
Im Oktober 1550 wurde Canisius zum Rektor der Universität gewählt, obwohl die Statuten die Wahl eines Ordensmannes für dieses Amt ausdrücklich untersagten. Wegen seiner guten Amtsführung wurde Canisius Herzog Albrecht V. als Vizekanzler der Universität vorgeschlagen, der die Aufgaben des Kanzlers, des Bischofs von Eichstätt, wahrzunehmen hatte.
Ende Februar 1552 verließ Canisius mit den übrigen Jesuiten Ingolstadt, weil die bayerische Regierung kein Jesuitenkolleg gründen wollte. Er reiste nach Wien, wo er als Studienpräfekt der jungen Jesuiten, Hofprediger und Theologieprofessor an der Universität wirkte. Auf Wunsch König Ferdinands I. begann Canisius, einen Katechismus für Abschlußklassen von Gymnasien und Studenten zu schreiben, den er 1555 veröffentlichte. Diesem großen Katechismus folgte im nächsten Jahr ein kleiner, der für das einfache Volk und den Religionsunterricht von Kindern bestimmt war. An Lateinschulen sollte der mittlere Katechismus benutzt werden, der 1558 in Köln erschien. In allen dreien behandelt Canisius die katholische Glaubenslehre in Form knapper Fragen und kurzer Antworten. Damit hatte er ein Lehrbuch geschaffen, das jahrhundertelang im katholischen Religionsunterricht verwendet wurde.
Weil für den verstorbenen Wiener Bischof Christoph Wertwein kein Nachfolger gefunden werden konnte, sollte Canisius Anfang 1554 dieses Amt übernehmen. Ignatius von Loyola verhinderte jedoch seine Ernennung und erreichte, dass Papst Julius III. Canisius nur für ein einziges Jahr zum Apostolischen Administrator des Wiener Bistums bestellte.
Im Juni 1555 wurde Canisius von der Ordensleitung beauftragt, in Prag ein Jesuitenkolleg zu gründen. Weil er die Jesuiten als Theologieprofessoren in Ingolstadt dringend benötigte, war inzwischen auch Herzog Albrecht V. bereit, ein Kolleg zu errichten. Ende November begann deshalb Canisius mit den herzoglichen Räten darüber einen Vertrag auszuhandeln, der Anfang Dezember unterzeichnet wurde. Danach kehrte er nach Prag zurück, um die Ankunft der Jesuiten vorzubereiten, die am 8. Juli 1556 das neue Kolleg eröffneten.
Provinzial und kirchenpolitischer Berater
Wenige Tage später erhielt Canisius sein Ernennungsschreiben zum Provinzial der süddeutschen Jesuiten, das Ignatius am 7. Juni 1556 unterzeichnet hatte. Zur neu errichteten Ordensprovinz, die sich vom Elsass über Süddeutschland und Österreich bis nach Böhmen und Polen erstreckte, gehörten drei Niederlassungen, in denen keine hundert Jesuiten lebten. Als Vorgesetzter war Canisius für sie und ihre Tätigkeit verantwortlich, hatte für den Erhalt und den Ausbau der Kollegien in Wien, Prag und Ingolstadt zu sorgen und weitere Niederlassungen zu gründen. Neben schwierigen Verhandlungen mit den Stiftern über die Finanzierung dieser Einrichtungen musste Canisius die Ordensleitung in Rom ständig um Entsendung weiterer Jesuiten bitten, die er als Lehrer und Erzieher dringend benötigte.
Da Canisius den Protestantismus und die Verhältnisse in Deutschland kannte, war er als theologischer Berater König Ferdinands I. 1556 auf dem Reichstag in Regensburg und beteiligte sich im Herbst 1557 am Religionsgespräch in Worms. Nach seiner Rückkehr vom polnischen Landtag in Pjotrkow, bei dem er den päpstlichen Nuntius beraten hatte, setzte sich Canisius 1559 auf dem Reichstag in Augsburg besonders für das Festhalten am Geistlichen Vorbehalt ein, der seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 bestimmte, dass in reichsunmittelbaren geistlichen Territorien der Regent beim Übertritt zum Protestantismus die Regierung niederzulegen hatte und ein katholischer Nachfolger gewählt wurde. Weil seine Predigten, die er während des Reichstags hielt, großen Anklang fanden, wurde Canisius im Juni 1559 zum Domprediger von Augsburg berufen. Dort blieb er sechs Jahre.
Vom 14. Mai bis 20. Juni 1562 weilte Canisius wieder auf dem Konzil von Trient, wo er eine Milderung der strengen Bücherverbote erreichen konnte. Vor der Theologenversammlung sprach er über die Kelchkommunion, die katholischen Laien, die unter Andersgläubigen lebten, nicht verweigert werden solle, falls es kein andere Möglichkeit gäbe, sie in der Kirche zu halten. Anfang Februar 1563 wurde Canisius in die kaiserliche Reformkommission nach Innsbruck berufen, die bis Juli die Differenzen zwischen Ferdinand I. und dem Konzilslegaten Giovanni Morone beilegen und damit die Voraussetzung für den Abschluß des Konzils schaffen konnte, das am 4. Dezember 1563 zu Ende ging.
Im November 1565 wurde Canisius beauftragt, den deutschen Bischöfen die Beschlüsse des Konzils zu überbringen. Deshalb ernannte ihn der Ordensgeneral Franz Borgia zum Visitator der deutschen Jesuitenprovinzen. Auf dem Reichstag in Augsburg, an dem Canisius als Berater des päpstlichen Legaten Commendone teilnahm, wurden im folgenden Jahr die Konzilsdekrete von den katholischen Ständen angenommen und der Religionsfriede von 1555 endgültig ratifiziert.
Kontroverstheologe und Zinsgegner
Unter der Leitung von Flacius Illyricus erschien seit 1559 eine von Magdeburger Lutheranern verfasste Kirchengeschichte, die nachzuweisen versuchte, dass die katholische Kirche mit der apostolischen Überlieferung gebrochen habe, während die Protestanten daran festhielten und deshalb der Botschaft Jesu treu geblieben seien. Weil das mehrbändige Werk von der Geburt Christi jedes Jahrhundert der Kirchengeschichte für sich behandelte, wurde es kurz "Magdeburger Zenturien" genannt. Ende Mai 1567 wurde Canisius von Papst Pius V. beauftragt, darauf eine Erwiderung zu schreiben. Obwohl Canisius neben der Bibel, den Kirchvätern und der katholischen Lehre auch die Werke protestantischer Theologen kannte, war er dieser Aufgabe nicht gewachsen, weil es ihm nicht lag, historische Quellen auf ihren Wert zu prüfen. Als Entgegnung auf die Magdeburger Zenturien verfaßte er deshalb keine Kirchengeschichte, sondern zwei Bücher über Johannes den Täufer und Maria, in denen er mit großer Belesenheit und einer Fülle von Belegen die Lehre der katholischen Kirche über Gnade und Rechtfertigung sowie über die Gottesmutter begründet. Weil Canisius mit pedantischer Genauigkeit auf möglichste Vollständigkeit achtete und seine Mitarbeiter durch ständige Korrekturen verärgerte, bemühte sich sein Provinzial Hoffaeus und die Ordensleitung in Rom, den Papst zur Rücknahme seines Auftrags zu bewegen. Anfang 1578 befreite schließlich Gregor XIII. Canisius von dieser mühsamen Arbeit.
Neben Differenzen wegen seiner schriftstellerischen Tätigkeit hatte Canisius Meinungsverschiedenheiten mit Provinzial Hoffaeus bei der moraltheologischen Frage, ob es erlaubt sei, für ein Darlehen Zinsen zu verlangen. Während Hoffaeus und jüngere Jesuitentheologen die Zinsnahme gestatteten, lehnte dies Canisius als Wucher entschieden ab. Weil dieser Streit dem Ansehen der Jesuiten schadete, beauftragte Hoffaeus als Provinzial Canisius im November 1580 mit der Gründung des Jesuitenkollegs in Freiburg in der Schweiz. Er versetzte ihn so an den entlegensten Punkt der Provinz, um dadurch die Situation zu beruhigen.
Am 21. November 1580 reiste Canisius über Konstanz nach Luzern, wo er den päpstlichen Nuntius Giovanni Bonhomini traf, der sich für die Gründung des Kollegs eingesetzt hatte und deshalb in Begleitung der Jesuiten nach Freiburg kommen wollte. Nachdem Canisius die Vorbereitungen zur Kollegsgründung getroffen hatte, übergab er die Leitung der Schule Peter Michel und widmete sich nun ganz der Seelsorge und seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Ein schwerer Schlaganfall zwang ihn 1591, seine Arbeiten einzuschränken. Dennoch hielt er am 5. August 1596 bei der Eröffnung des Kollegs die Festansprache.
Am 21. Dezember 1597 starb Petrus Canisius, der sich unermüdlich für die katholische Kirche eingesetzt hatte, um ihren Fortbestand zu sichern und ihre Lehre zu verbreiten. Obwohl ihn deshalb viele nur als kämpferischen Gegenreformator sehen, verzichtete Canisius, im Gegensatz zu vielen Theologen seiner Zeit, bewusst auf gehässige Polemik und bemühte sich, durch Katechese, Predigt und Erziehung die Kirche zu reformieren und die Glaubensspaltung zu überwinden. Obwohl seine Verehrung bald nach dem Tode einsetzte, wurde Canisius erst 1864 von Pius IX. seliggesprochen. Leo XIII. bezeichnete ihn 1897 in seiner Enzyklika zum 300. Todestag als "zweiten Apostel Deutschlands". Am 21. Mai 1925 wurde Canisius von Pius XI. heiliggesprochen und zum Kirchenlehrer erhoben. Sein Gedenktag wird am 27. April gefeiert.
Dr. Julius Oswald SJ