Philipp Jeningen: Der neue selige Jesuit

Die Zeit des Wirkens von Pater Philipp Jeningen SJ war kriegerisch und unruhig. Vom Osten drangen die Türken immer weiter vor und belagerten 1683 sogar Wien, die Hauptstadt des Reiches. Im Westen nutzte Ludwig XIV. von Frankreich den Umstand, dass die Kräfte des Kaisers durch die Türken voll in Anspruch genommen waren, um seinerseits in das Reich einzufallen.

Philipp Jeningen wurde am 5. Januar 1642 als viertes Kind und ältester Sohn des Goldschmieds und Bürgermeisters Nikolaus Jeningen in Eichstätt geboren. Einer seiner Brüder, Franz (1671-1714), trat bei den Dominikanern ein und erhielt den Ordensnamen Jordanus; er wurde ein berühmter Prediger. Nach seiner Schulzeit am Jesuitenkolleg in Eichstätt erwarb Philipp Jeningen den akademischen Grad eines Magister Artium an der Universität Ingolstadt. 1663 trat er in Landsberg am Lech in das Noviziat der Gesellschaft Jesu ein. Er absolvierte das Theologiestudium in Ingolstadt und erhielt die Priesterweihe am 11. Juni 1672. Nach seinem Tertiat in Altötting war er in den Kollegien in Mindelheim und Dillingen als Lehrer für Latein, Griechisch und Religion tätig.

Der christliche Enthusiasmus, den Spuren Franz Xavers, des Pioniers des Fernen Ostens in der Mission zu folgen, hatte auch Philipp Jeningen ergriffen. Dazu kam auch, dass er einmal in einer schweren Krankheit Franz Xaver sah, der ihn aufzufordern schien, seinen Spuren nachzufolgen. Franz Xaver war 1622 heiliggesprochen worden und war damals in ganz Europa sehr bekannt. Die Briefe, die er auf seinen Missionsreisen aus Indien und Japan geschrieben hatte, begründeten ein wahres Missionsfieber im Jesuitenorden. So beschwor auch Pater Philipp mehrmals seinen Ordensgeneral, in die Mission entsandt zu werden. Sein größter Wunsch wurde aber nicht erhört, sondern ihm wurde weiterhin Deutschland als „sein Indien“ zugewiesen.

So wurde Philipp Jeningen nach Ellwangen gesandt, wo er bis zu seinem Tod am 8. Februar 1704 zubrachte. Sein ursprünglicher Auftrag war die Betreuung der Wallfahrt auf dem Schönenberg, wo die Jesuiten 1638 ein kleines Marienheiligtum, ein zweites „Loretto“ geschaffen hatten. Er betrieb den Neubau der Wallfahrtskirche (1682-1685) und erbettelte das erforderliche Geld dafür. Das Ellwanger Land wurde Jeningen immer mehr „sein Indien“. Gegen Ende seines Lebens sagte er selbst: Mehr vermag ich nicht zu tun, als mein Leben für meine lieben Ellwanger hinzugeben.

Aber das Wirken Pater Philipps beschränkte sich nicht nur auf Ellwangen, sondern er ging auch hinaus auf die Dörfer. So besuchte er im Lauf der Jahre etwa 1.000 Orte in den Diözesen Augsburg, Konstanz, Würzburg und Eichstätt. Jeningen überzeugte, obwohl er kein geschliffener Prediger war. Er zog die Menschen durch seine Ausstrahlung und seinen vorbildlichen Lebenswandel in den Bann; vor allem bei den Kindern hinterließ er einen großen Eindruck. Pater Philipp wollte gar kein „glänzender Redner“ sein, er schrieb einmal: Es gibt Prediger, die glauben auf der Bühne zu stehen gleich Schauspielern. Sie reden, machen große Gesten und stellen sich selbst zur Schau. – Nachher finden sie nichts in sich. Philipp Jeningen wirkte so stark auf seine Hörer, weil sie spürten, dass er glaubte, was er sagte, und – das war vielleicht noch wichtiger – dass er nichts von ihnen forderte, was er nicht selber tat und im Übermaß tat.

Pater Philipp war nicht nur fromm und asketisch, sondern auch originell, wie sein folgender Einfall zeigt: In Narrenkleidung und mit Strick und Geißel wollte der Volksmissionar, einen Karren schiebend, durch Ellwangen ziehen und dabei ausrufen: Hierher ihr sündigen Narren! Hinauf zum Himmel geht die Fahrt, wenn Büß und Geißel Ihr nicht spart, drum steigt auf meinen Karren! Doch aus diesem durchaus öffentlichkeitswirksamen Auftritt wurde nichts, da er von seinem Provinzial untersagt wurde.

Philipp Jeningen war ein ausgesprochen visuell veranlagter Mensch. Er hat viele Erscheinungen gesehen: Jesus, Maria, den Heiligen Franz Xaver, den Heiligen Joseph und viele andere Heilige, oft auch Verstorbene. Von ihnen hat er viele Botschaften vernommen. Es konnte vorkommen, dass er selber nicht ganz sicher war, ob es sich um ein übernatürliches Ereignis gehandelt habe oder um Auswirkungen seiner eigenen Phantasie; in den zentralen Erlebnissen allerdings, in denen, die sein ganzes Leben bestimmten, kannte er keinen Zweifel.

Trotz seiner äußeren Erfolge blieb Philipp Jeningen der schlichte, bescheidene Pater, der er immer gewesen war. Er half, wo immer er konnte, den Armen, besuchte Kranke und begleitete zum Tode Verurteilte auf dem Gang zur Richtstätte. Das Volk liebte den „guten Pater Philipp“ und nannte ihn schon zu Lebzeiten „den Heiligen“.

Hans Grünewald SJ

Autor:

Hans Grünewald SJ

Pater Hans Grünewald SJ ist 1948 in den Orden eingetreten und wurde 1957 zum Priester geweiht. Er war zunächst in München in der Jugendarbeit und in der Kollegsseelsorge in St. Blasien tätig. Von 1963 bis 1968 war er Sekretär des Provinzials und arbeitete seit 1965 im Provinzarchiv. Von 1969 bis 1996 war er Archivar der Oberdeutschen Provinz und von 1971 bis 2008 Vizepostulator im Seligsprechungsverfahren von Philipp Jeningen und Jakob Rem. Seit 1999 lebt er in der Seniorenkommmunität in Unterhaching.

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