Jesuiten 2016-1

4 Nicht mit leeren Händen Ein Blick auf die Räuber: „Ein Mensch ging von Jerusalem nach Jericho hinunter und fiel unter die Räuberbande.“ (Lk 10,30) Lukas erzählt, dass ein Mensch unter Räuber fiel. „Und die zogen ihn aus und versetzten ihm Schläge, gingen fort, ließen ihn halbtot liegen“ (Lk 10,30). Besitz und Person des anderen Menschen werden nicht respektiert, Grenzen überschritten. Warum? Ich frage: Wie können Menschen auf dem Weg zwischen Jericho und Jerusalem, oder in Köln, Hamburg, Stuttgart so etwas tun? Wie sind die, die so etwas tun? Was kenne ich selber davon in mir? Was hat jemand erlebt, für den es notwendig ist, zu stehlen, gewalttätig zu werden, in die Privatsphäre eines anderen einzudringen, ihn oder sie klein und wehrlos zu machen, auszurauben, um den Lohn der Arbeit zu betrügen? Jugendliche, zum Beispiel aus Marokko, werden von ihren Familien nach Deutschland geschickt, um Geld für die Familien zu verdienen. Bis sie eventuell ausgewiesen werden, sollen sie möglichst viel zusammenbekommen. Der Druck ist groß, dass sie nicht mit leeren Händen zurückkehren. Nur so scheint es möglich zu sein, dass alle überleben können. Räuber sind und bleiben Menschen. Oft solche, die nicht genügend haben und mit Gleichgesinnten zusammen etwas unter- nehmen, um überleben zu können. Das Ich ist wichtiger als das Du. Und für das Ich muss man sorgen, und sei es mit unerlaubten Mitteln, mit einem Handeln, das einem Du schadet. Manchmal sind es Menschen, die sich in ihrer Not nicht anders zu helfen wissen. Oder solche, denen vorgemacht wird, dass es einfacher geht, mit Gewalt und Betrug zum Ziel zu kommen, ein besseres Leben führen zu können. Vielleicht welche, die aus irgendwelchen Gründen keine Ausbildung hatten und warum auch immer nicht arbeiten können oder wollen; solche, die die notwendige Unterstützung nicht erhalten. Oder jemand, dem immer wieder gezeigt wurde, dass es (nur) möglich ist, sich mit Gewalt und List das Lebensnotwendige zu holen, das, was für ein „gutes“ Leben notwendig ist. Und wenn ich dafür Drogen brauche, muss ich sie mir eben besorgen, egal wie. Menschen, die süchtig geworden sind, die ihren Konsum dadurch finanzieren, dass sie einbrechen, etwas stehlen. Wenn etwas benötigt wird, wird es besorgt, und sei es illegal. Nach Krankheit und Krise, nach einer Trennung wird gesucht, wie der Lebensstandard gehalten werden kann. Richard Willburger SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2016 n DER BARMHERZIGE SAMARITER

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