Jesuiten 2023-3 (Österreich-Ausgabe)

Wolfgang Beck ist Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt. Der Sprecher des „Wort zum Sonntag“ in der ARD ist Redaktionsmitglied des Feuilletons feinschwarz.net. Lieblingsessen: Milchreis mit Zimt Vom Schweinsbraten zum Pizza-Bringdienst? Im Pfarrhaus wird gegessen. Wolfgang Beck wirft einen Blick in den Kühlschrank und auf den Tisch: Essen im Pfarrhaus zwischen Verfalls- und Befreiungshermeneutik. Dass mittags das gekochte Essen auf dem Tisch steht und der Pfarrer nur noch das Segensgebet sprechen muss, erscheint heute fast als Karikatur kirchlichen und klerikalen Lebens im Pfarrhaus. Zwar gibt es die Idealvorstellung eines Pfarrhauses mit Haushälterin und einer bürgerlich-quasifamiliären Struktur noch an einzelnen Orten. Und bei manchen Personalverantwortlichen gilt das traditionelle Konzept noch als Schutz gegen mögliche Verwahrlosung der Priester (in manchen Ordinariaten lange Zeit eine große Sorge). Doch überwiegend ist diese Vorstellung von Schweinsbraten, Knödeln und Rotkraut aus der Küche der Haushälterin ein Klischee aus mittelmäßigen Fernsehserien. Sie haben eine bittere Komik, die sich unfreiwillig auch dort findet, wo Priester sie in Verbindung mit einem vormodernen Rollenverständnis verknüpfen. Vor allem aber bauen sie auf überholten Rollenklischees und meist auch auf der Ausbeutung schlecht bezahlter Frauen auf. Der Regelfall dürfte zunehmend sein, dass auch Kleriker – wie fast alle Menschen – ihren Haushalt selbst führen. Wie alle allein Lebenden müssen auch sie überlegen, wann sich das Kochen lohnt. Viele engagieren eine Reinigungskraft. Viele putzen, waschen und kochen aber auch selbst. Ist dies ein Kulturverlust, weil das Pfarrhaus (angeblich) weniger gastfreundlich ist oder hier das Vorzeigeobjekt bürgerlicher Lebenskultur mit ihrem in Priesterseminaren eingeübten Symbol der Stoffservierte abhandengekommen ist? Nein, hier ereignet sich kein schleichender Kulturverlust. Hier ereignet sich im besten Sinne eine Annäherung der klerikalen Lebensformen an gesellschaftlich übliche Lebensrealitäten. Und es ist ein Gewinn, ja eine Befreiung der Priester vom Ideal einer überzogen bürgerlichen Vorstellung und einer klerikalistischen Überhöhung. Wenn die Telefonnummer vom Pizza-Bringdienst im Smartphone des Pfarrers abgespeichert ist, muss das nicht das Ende der Lebenskultur sein. Es ist vor allem eine entspannte Normalisierung. Und es ermöglicht häufig weit mehr spontane Gastfreundlichkeit als in den übersteigert bürgerlichen Lebenswelten. Dass Gastfreundschaft einen zentralen Aspekt gemeindepastoraler Spiritualität darstellt und die Arbeitspraxis wie die persönliche Haltung prägen sollte, dürfte vielen Haupt- und Ehrenamtlichen selbstverständlich erscheinen. Doch Gastfreundschaft drückt sich durch viele kleine Details aus: Sie baut keine Hürden auf, um Distanz zu signalisieren, sondern signalisiert Großzügigkeit und Spontaneität, um sich auf die Bedürfnisse von Gästen einzulassen. 14 SCHWERPUNKT

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