Jesuiten 2024-1 (Schweiz-Ausgabe)

Es gibt verschiedene Typen von MuttergottesIkonen. Das Wichtigste ist, dass Maria, die Mutter Jesu, immer auf ihren Sohn hinweist. Sie ist die Theotokos, wörtlich die Gottesgebärerin. Ihre Lebensbestimmung war es, den Sohn Gottes in die Welt zu bringen. So wurde sie zum Tor, durch welches Gott in die Welt eintreten konnte. Dies verdeutlicht der Name Immanuel: Gott (ist) mit uns. In jeder Liturgie wird die allerheiligste Jungfrau erwähnt. Die Gläubigen wenden sich an sie als Fürsprecherin bei ihrem Sohn Jesus Christus. Sie ist, durch Jesus Christus, Mittlerin zwischen Mensch und Gott. Alle Gebete, die an Maria gerichtet werden, stehen in Verbindung zu ihrer Gottesmutterschaft und ihrer einzigartigen Beziehung zu Jesus, dem Sohn Gottes, der durch sie Mensch geworden ist. Der Name der Ikone Die hier abgebildete Ikone ist auch im Westen bekannt unter dem Begriff „Gottesmutter der immerwährenden Hilfe“. Die Abschriften der Originalikone haben mit der Zeit immer westlichere Züge angenommen und wurden zum Teil mit Kronen oder Schmuckstücken ergänzt. Diese Ikone weist eine Besonderheit auf. Im Unterschied zu vielen andern ist sie angeschrieben. Griechisch heisst sie „Phoberá prostasía“. Diese Bezeichnung ist nicht einfach zu übersetzen. Klar ist, dass sie „Schutz“ verspricht. „Phoberá“ kann vieles bedeuten: furchtbar, schrecklich, schlimm; extrem, mega, super; unglaublich, wunderbar, hervorragend. Man könnte also frei übersetzen: Die Muttergottes dieser Ikone ist, durch die Kraft ihres Sohnes, der das Wort Gottes ist, der beste Schutz in den schlimmsten Lebenssituationen. Zur Geschichte dieser Ikone Man kann sich fragen, woher der Name „Phoberá prostasía“ kommt. Dieser geht auf einen geschichtlichen Hintergrund zurück. Das Original dieser Ikone soll als einziger Gegenstand den Brand eines Klosters auf Kreta unversehrt überstanden haben. Danach fand sie den Weg nach westlicher Tradition nach Rom, nach östlicher Tradition in das Mutterkloster Koutloumousiou auf dem Berg Athos. Dort hat sie bis heute ihren Platz in einer Kapelle neben der Klosterkirche. Jahre später sollen die Athos-Mönche während eines Piratenangriffs bei der Gottesmutter „Phoberá prostasía“ mit inständigem Gebet Schutz gesucht haben. Diese soll den Angriff vereitelt haben, indem sie das Kloster in eine Nebelwolke einhüllte, es so unauffindbar machte und vor dem Untergang rettete. Besonderheit dieser Ikone Es ist außergewöhnlich, dass das Jesuskind nicht den Betrachter oder die Verehrerin anschaut, sondern seinen Blick nach hinten gewendet hat. Mit Unverständnis und Verwunderung in den Augen schaut es auf den Engel hinter sich. Angstvoll umklammert es die Hand seiner Mutter. Vor Schreck ist ihm die Sandale vom Fuss geglitten. Das Kind hat eine Vision von der Zukunft. Es sieht die Marterwerkzeuge, denen es eines Tages ausgesetzt sein wird: das Kreuz mit der Dornenkrone, die Lanze und das Schilfrohr mit dem Schwamm. Auf der anderen Seite zeigt ihm der zweite Engel die Nägel. Seine Mutter schaut die Betrachterin oder den Verehrer mit einem wissend-fragenden Blick an, wobei sie mit ihrer rechten Hand auf ihr Kind hinweist, den Erlöser, durch dessen Tod das Heil der Welt kommen wird. Gebete Diese wundertätige Ikone wird in jeder Not, in Krankheit, auch bei psychischer Schwäche angefleht. Die Menschen erfahren Kraft, Heilung und Hilfe; sie fühlen sich erhellt, sicher geführt und von großem Schutz umgeben. Maria Brun ist seit vielen Jahren theologische Mitarbeiterin am Orthodoxen Zentrum in Chambésy/Genf. Maria ist für sie die Muttergottes, der sie mit Ehrfurcht begegnet. Bild: Ikone „Gottesmutter der immerwährenden Hilfe“ 13 SCHWERPUNKT

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