Jesuiten 2024-3 (Österreich-Ausgabe)

Achim Schwarz arbeitet als studentischer Mitarbeiter für Biblische Theologie an der HU Berlin. Das Erkennen des Geschöpflichen im Gegenüber empfindet er als heilsame Einübung. salem wurde zerstört. So kam insbesondere die Frage auf, wie ein Unglück solchen Ausmaßes geschehen konnte. Ins Zentrum rückte die persönliche sowie theologische Reflexion dieser Frage, die zu einer faszinierenden Erneuerung führte. Eindrücke des Bestraftseins und der Gottverlassenheit wurden (und werden) durch die Zuversicht des erneuerten Bundes mit Gott und dessen Unzerbrechlichkeit ausgetauscht. Elementar für das Verständnis von Jesaja und somit auch des Alten Testaments ist, dass das hebräische Denken schwerlich in nicht-semitischen Sprachen zur vollen Blüte gelangt. So ist bei Übersetzungen eine Bedeutungsverschiebung unvermeidlich. Das hebräische Wort, welches im Deutschen mit Bund übersetzt wird, lautet ברית (berit). ברית kommt aus dem profanen Bereich und kann als Synonym im Sinne von Gesetz benutzt werden; bei den Hebräer*innen war die Vorstellung von Gesetz im Sinne von Vertrag vorherrschend. Diese begriffliche Verbindung gibt Einblick, wie der Bund zwischen JHWH und seinem Volk verstanden werden kann: ein Bund zweier nicht ganz gleichberechtigter Partner*innen. Hierbei schwingt eine gewisse Verpflichtung für die Bündnispartner*innen mit, den Bund einzugehen. Der Mensch als kreatürliches Geschöpf darf auf den auferlegten Bund vertrauen, und so handelt es sich meiner Ansicht nach um einen der wenigen Kontexte, in dem eine Verpflichtung – zum Bund mit Gott – ein großes Geschenk darstellt. „Das Land öffne [seine Ackerfurchen], und sie sollen fruchtbar sein mit Heil, und es lasse Gerechtigkeit hervorwachsen zugleich! Ich, JHWH, habe es geschaffen.“ (Jes 45,8) Hier wird dem Versprechen – des durch das Exil als gebrochen empfundenen Bundes – neue Gültigkeit eingehaucht. Gott befreit Israel durch den persischen König Kyros II. aus dem Exil. Somit erscheint die Frage nach der Schuld Israels hintergründig. Vielmehr tritt das Versprechen des Heils hervor. Auch hier lohnt sich eine Betrachtung der vielseitigen Bedeutung, die in der hebräischen Wurzel ישע (jascha) steckt, die im Deutschen oft mit Heil übersetzt wird. Sie beschreibt ein von Gott gewährtes, absolutes Gut und findet überwiegend Verwendung in Kontexten, in denen JHWH in schwierigen Situationen helfend eingreift. So auch im Kontext des erschütternden Babylonischen Exils. Keinesfalls wurde der Bund Gottes mit seinem Volk aufgelöst, im Gegenteil: Vor dem Abgrund darf Israel das göttliche Heil schauen, welches religionsphilosophisch als Vervollständigung gedeutet werden kann. Eine Vervollständigung, die das anfangs erwähnte Streben nach Sinn füllen kann. Die Wandlung hin zu einer heilszugewandten Theologie Deuterojesajas vollzog sich durch die Notwendigkeit, dem Bund neu zu vertrauen. Dies gelingt wahrlich nicht allein, sondern ist der vielseitigen Gotteserfahrung während des Exils zu verdanken. Mich persönlich begeistert dieser alttestamentliche Abschnitt, da er die Sinnkrisen des israelitischen Volkes fassbar hält und die Vertrauensfrage hinsichtlich Gottes Bundes stellt, die zu jedem Glaubensleben zwangsläufig dazugehört. So strahlt diese einzigartige Geschichte noch in die Gegenwart hinein und kann Kraftquelle für Gottes Wirken sein. Deuterojesaja inspiriert, jene Sicherheit in die Welt tragen zu dürfen, dass Gott den Bund mit dem Menschen nicht kündigt, obgleich in manchen Lebenslagen das Wirken Gottes schwerlich zu erkennen sein mag. Die Exilierung zog eine Identitätskrise der Israelit*innen nach sich. Bild: © Jaroslav Drazil: Joesf und Jesus (2021, Ausschnitt) 7 SCHWERPUNKT

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