in der Medizin desto stärker, je kleinteiliger und spezialisierter die Heil-Kunde sich organisiert. An der Rolle, die eine naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtete und hochwirksame Medizin in der Gesellschaft spielt, lässt sich zweierlei ablesen: Vieles, sehr vieles kann wirklich „wieder gut werden“. Den hohen (Heils-)Erwartungen stehen aber auch Erfahrungen des Scheiterns der ärztlichen Kunst gegenüber. Das Scheitern erinnert daran, dass das Heil letztlich unseren menschlichen Möglichkeiten entzogen ist. Es ist nicht herstellbar, nicht machbar – menschliches Leben bleibt Fragment. heilen Das Zeitwort heilen hat zwei Bedeutungen, die ursprünglich durch zwei verschiedene Begriffe ausgedrückt wurden: gesund, ganz machen (transitive Bedeutung der Heilung) und heil, gesund werden (intransitive Bedeutung). So sagen wir bis heute: „Die Ärztin heilt die Wunde“ oder „Die Wunde heilt (von selbst)“. Trotz möglicher Heils-Erwartungen kranker Menschen und eigener Größenfantasien geht die Medizin bescheiden mit dem transitiven Gebrauch des Zeitwortes heilen um. Von dem Chirurgen Ambroise Paré stammt der Satz: „Je le pansay, Dieu le guarît.“ („Ich hab’s verbunden, Gott hat’s geheilt.“). Dass die Heilung nicht von Menschen, sondern von Gott kommt, entlastet von Allmachtsideen und vom Machbarkeitswahn. Nicht alle, die in der Medizin arbeiten, werden sich so ausdrücken wie Ambroise Paré. Aber alle müssen mit den unvermeidlichen Grenzen der Heilkunst umgehen. heilig Das Eigenschaftswort heilig bedeutet: unantastbar, von Gottes Geist erfüllt, gottgeweiht. Obwohl damit das bezeichnet wird, was über alles Irdische erhaben ist, schwingt eine durchaus irdische Ausgangsbedeutung mit, nämlich: Heil bringend, heilvoll, heilsam. Es gibt heilige Momente im Leben, nicht nur in ausgesprochen sakralen Zusammenhängen, sondern überall dort, wo wir über die Spuren Gottes staunen. Auch das Heilige können wir nicht herstellen, aber wir können solche heiligen Momente unseres Lebens dankbar anerkennen. Ignatius: Ein Heiliger und Heilung Suchender Ignatius von Loyola machte nach seiner Verwundung in Pamplona und auch durch mehrere Steinleiden vielfache Bekanntschaft mit Ärzten. Nennen wir ihn auch deshalb heilig, weil er durch seinen Glaubensweg Heil und Unheil aus Gottes Hand anzunehmen lernte? In der Nummer 23 der spirituellen Exerzitien lässt er uns eine Haltung der Gelassenheit gegenüber Krankheit und Gesundheit einüben, die er „sich-indifferent-machen“ nennt: „Wir sollen also nicht unsererseits mehr wollen: Gesundheit als Krankheit, Reichtum als Armut, Ehre als Ehrlosigkeit, langes Leben als kurzes; und genauso folglich in allem sonst, indem wir allein wünschen und wählen, was uns mehr zu dem Ziel hinführt, zu dem wir geschaffen sind.“ So erstrebenswert es sein mag, von einer Krankheit zu genesen: Heilung ist immer nur ein vorläufiges Ziel. Das Heil setzt Ignatius mit dem letzten Ziel gleich, zu dem wir geschaffen sind, das wir uns nicht selbst gesetzt haben. Aber wir können dieses Ziel „wünschen und wählen“, uns über Gesundheit freuen, Krankheiten entweder bekämpfen oder annehmen, wenn wir die Vaterunser-Bitte tiefer verstehen: „Dein Wille geschehe!“. P. Eckhard Frick SJ lehrt als Psychiater und Psychoanalytiker Spiritual Care und psychosomatische Gesundheit an der TU München: Gegenüber Heil ist Heilung höchstens ein vorletztes Ziel. Mehr erfahren: Eckhard Frick, Sich heilen lassen. Ignatianische Impulse Band 12, echter-Verlag, ISBN 978-3-429-02698-1 Bild: © Jaroslav Drazil: Gebet (2021, Ausschnitt) 3 SCHWERPUNKT
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