der Moral Gewissheiten, sondern zugleich auch eine eigentümliche Form existenzieller Ruhe. Diese rührt daher, dass man im Blick auf das, was in Sachen Klimakrise, Geschlechtergerechtigkeit und Migration gefordert ist, schlicht und ergreifend tut, was man kann: Wer sollte uns verurteilen, was sollten wir uns vorwerfen, wenn wir uns daran halten? Es wäre spannend, diese Denkfigur in ihren Ambivalenzen zu rekonstruieren. An dieser Stelle interessiert uns nur eine ihrer Grenzen: Es gibt auch eine spezifische Verzweiflung, die aus moralischer Praxis stammt – weil man gerade in ihr erst wahrnimmt, wie weit man hinter den Forderungen der Gerechtigkeit bleibt. Eine dritte Möglichkeit, Heilsgewissheit einzuholen, ist folglich spiritueller Natur: Wenn uns weder Wahrheit noch Moralität jene tiefe innere Sicherheit in Sachen Heil zu vermitteln vermögen, die in Wittgensteins „Es kann dir nix g’schehn!“ zum Ausdruck kommt – liegt es dann nicht nahe, sie in Gebet, Stille, Meditation zu verorten? So richtig es mir scheint, dass all das durch nichts ersetzt werden kann, so wahr ist auch, dass spirituelle Übungen nicht magisch zu mehr Ruhe, Trost und Frieden führen – sich in die Gegenwart Gottes zu versetzen, ist immer auch von Zerstreuung und Bedrängnis begleitet. Was bleibt nach diesem Durchgang? Lässt sich nirgends jene Form existenzieller Heilsgewissheit finden, mit der Wittgenstein die Möglichkeit von Religion schlechthin verband? Zum einen darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: Die Einübung von Wahrheit, Gerechtigkeit und Gebet eröffnet zweifellos immer wieder Momente lebenstragender Heilszuversicht für sich und andere. Zum anderen sollten wir aber auch nicht in falscher Form darauf fixiert sein. Denn mit Paulus lässt sich auch ein zweites notieren: Wenn uns nichts von der Liebe Christi trennen kann, dann auch nicht die Fragilität eigener Heilsgewissheit. Martin Dürnberger ist Leiter der Salzburger Hochschulwochen und empfindet es als heilsam, wenn er Beiträge gerade noch fristgerecht abliefert. Autorenfoto: © Luigi Caputo 5
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