teilen. Ein Leben mit Menschen, die ich mir nicht ausgesucht habe, kann anstrengend und gleichzeitig bereichernd sein. Angesichts der weltweiten Herausforderungen ist das Noviziat ein Lernort, wie Zusammenleben mit Respekt und Wertschätzung gelingen kann. Es gibt eine Reihe von Praktika – wir nennen sie „Experimente“ –, wo neue Erfahrungen in einem unbekannten Feld gemacht werden können. Dazu zählt zum Beispiel der Einsatz in der Kranken- und Altenpflege. Auch durch das Zusammenleben im Kolleg mit Mitbrüdern aus anderen Erdteilen weitet sich der Blick und eigene Gewohnheiten werden hinterfragt. Unser kirchliches Sprechen von Schwestern und Brüdern kommt auf den Prüfstand und zeigt, wie ehrlich es ist. Plötzlich entdecke ich, wie eng wir miteinander weltweit verbunden sind und dass unsere Hoffnungen und Sorgen sehr ähnlich sind. Ängste können abgebaut werden und eine Verbundenheit über die Grenzen der Noviziatsgemeinschaft hinaus entsteht. Ich bin sehr dankbar für die Mitbrüder aus Indien oder Afrika, die durch ihre Gastfreundschaft und ihr Interesse manches enge Um-sich-selber-Kreisen aufbrechen und weiten. Beziehung zu Gott Der Wechsel von Zeiten der Stille und des Gebets in der Noviziatsgemeinschaft und den Experimenten außerhalb dieser helfen, auch die Frage zu vertiefen „Wer bist Du, Gott, für mich?“ Es ist die Frage, die uns hier zusammengeführt hat. Die Spur, die sich in der Stille zeigt, wird dann an der Wirklichkeit überprüft. Bin ich bereit, Gott in allen Dingen zu suchen und zu finden, und darf er mich auch in meinem Leben überraschen und herausfordern? Gemeinsam suchen, sich darüber austauschen, ist ein großes Geschenk unseres Weges im Noviziat. Ich kann mich durch die Erfahrungen des anderen beschenken lassen. Das eigene Erleben der Gottesbeziehung hat Platz mit all seinen Fragen und darf wachsen. Dass das Kolleg nochmals durch die vielen internationalen Studenten einen reichen Erfahrungsschatz dazu bietet, ist AUS DER REGION ein großer Gewinn. Glaube und der Ausdruck davon haben viele Formen. Diese zu erleben, kann meine Suche bereichern und meinen eigenen Glaubensweg vertiefen. Mit suchenden Menschen auf dem Weg zu sein ist herausfordernd, gerade wenn es darum geht, Spannungen auszuhalten und geduldig Wachstumsprozesse zu begleiten. Aber es lohnt sich, denn damit bleibt auch in mir vieles in Bewegung und Gott darf mich Tag für Tag auf’s Neue überraschen. P. Claus Pfuff SJ geb. 1965, wurde 1990 für die Diözese Augsburg zum Priester geweiht. 2009 trat er in den Jesuitenorden ein. Er war Schulseelsorger in Berlin und leitete von 2018 bis 2024 den Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Deutschland. Seit Sommer ist er für das Noviziat der Zentraleuropäischen Jesuitenprovinz in Innsbruck verantwortlich. Seit 2022 ist das Novizat der Zentraleuropäischen Jesuitenprovinz in der internationalen Gemeinschaft des Jesuitenkollegs Innsbruck angesiedelt. 35
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