Sprache, die verbindet Die Alltags-Mystikerin Madeleine Delbrêl hat Menschen geholfen, eine eigene Gebetssprache zu finden. Auch Dr. Annette Jantzen sucht eine Sprache, die Erfahrungen mit Gott ermöglicht – aus weiblicher Perspektive. Dem Begriff der Mystik eignet eine unvermeidliche Unschärfe, weil er sich auf die Begegnung mit einer nicht zu ergreifenden Wirklichkeit bezieht. Diese Begegnung geschieht in absichtsloser Betrachtung, im Sich-Überlassen. Sie geht mit der Erfahrung einher, selbst nicht notwendig zu sein, aber sich gegenüber einer Wirklichkeit zu finden, die umgekehrt unbedingt notwendig ist und keiner Begründung bedarf, weil sie Grund allen Daseins ist. In aller Vorläufigkeit verwende ich ihn als Chiffre für eine doppelte Gegenwärtigkeits-Erfahrung, die einerseits in Entgrenzung und andererseits in Verbundenheit diesem Göttlichen gegenüber besteht. Eine Sprache, die eine solche Erfahrung vorbereitet, anbahnt, ermöglicht, ausdeutet und mitteilbar macht, muss darum einerseits Verbundenheit bewirken, nicht nur behaupten können, und dafür das Gegenüber mindestens anfanghaft erfassen können. Und andererseits muss sie Gottesbilder immer wieder aufbrechen und relativieren, um sie zu überschreiten. Begegnung ist möglich, wo man sich mit dem Gegenüber identifizieren und sich zugleich als Andere*r erfahren kann. Konkretisiert auf die Gebetssprache heißt das, sie muss sowohl Identifikation als auch die Erfahrung einer fundamentalen Andersheit ermöglichen. Darum verwende ich in den Texten, die auf dem Blog „Gotteswort, weiblich“ erscheinen, ganz überwiegend weibliche Sprachbilder für Gott. Das Ziel dabei ist nicht, männliche Gottesbilder durch weibliche zu ersetzen, sondern Bilder und Vorstellungen als solche überhaupt erst sichtbar zu machen und dann zu überschreiten auf ein Je-Größeres hin. Während die Veränderung auf der sprachlogischen Ebene minimal ist und lediglich im Austausch des Artikels und der Adjektivendung besteht – also „die Ewige/du, Ewige“ statt „der Ewige/du, Ewiger“ –, ist die Wirkung groß: Das weibliche Sprachbild ermöglicht es Menschen, die sich als weiblich verstehen, ihre eigene Identität in der angesprochenen Instanz wiederzufinden. Oft wird erst dadurch deutlich, wie umfassend weibliche Wirklichkeit aus der traditionellen Gottesrede ausgeschlossen wird, und wie schmerzhaft die damit verbundenen Enteignungserfahrungen sind. Weibliche Gottes(an)rede ist ein Widerspruch gegen patriarchale Gesellschaftsordnungen und erst recht gegen deren Besatzung der unverfügbaren Räume der Spiritualität. Mit ihr soll nicht Gott ein weibliches Geschlecht zugewiesen, sondern die unsichtbare männliche Norm verlassen werden, die den Bildcharakter der Gottesrede negiert und damit die Möglichkeiten der Gottesbegegnung jenseits der Bilder mindestens erschwert, wenn nicht verstellt. Insofern eröffnet weibliche Gottes(an)rede einen heutigen Weg, in eine von außen unverfügbare Begegnung mit dem Göttlichen hineinzuführen. Annette Jantzen hat katholische Theologie studiert und mit einer Arbeit über Priester im Ersten Weltkrieg promoviert. Sie ist Betreiberin des Blogs www.gotteswort-weiblich.de. Ihre neueste Buchveröffentlichung: Das Kind in der Krippe, erschienen im Herder-Verlag 2024 15 SCHWERPUNKT
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