sich – und gegenüber der Sozialen Arbeit. Sie können aufgehoben werden durch eine Unterscheidung, die der Benediktiner Christian Schütz bei der Bestimmung christlicher Spiritualität trifft. Religion meint hier Lehre und Inhalte, die zu glauben sind und die im Katechismus gesammelt werden. Frömmigkeit steht für Weisen, wie diese Inhalte gelebt werden, für Riten, Lieder, Liturgien usw., wie sie im Gotteslob zu finden sind. Spiritualität hat dabei „3 + 1“ Bausteine. Jede Form von Spiritualität ist (1) alltagstauglich: Sie gibt über die religiösen oder frommen Momente hinaus auch den alltäglichen Momenten Gestalt. Sie ist (2) dialogisch im doppelten Sinne: Spirituelle Menschen sind auskunftsfähig, wenn sie nach den Gründen ihres Handelns gefragt werden. Und sie sind mit ihrer Spiritualität zum Dialog bereit, wo die soziale, gesellschaftliche und politische Umwelt sie angeht. Spiritualität ist (3) auf ein Wachstum im Menschsein ausgerichtet, das im ignatianischen Sinne Magis heißt. Schließlich (+1) hat sie einen Bezugspunkt: Sofern sie sich auf den dreieinen Gott, auf Vater, Sohn und Geist bezieht, ist sie christlichbiblische Spiritualität, die sich aber nicht ausschließend versteht. Wer christlich lebt, muss in diesem Dreieck Stellung beziehen, sich positionieren. „Wir sind Priester und keine ...“ Im Film zeichnet sich der Priester Greg Pilkington durch seine starke Zugehörigkeit zu Religion und Frömmigkeit aus, die auch seine Spiritualität speisen. Madeleine Delbrêl lebte diese Positionierung in einem Balanceakt. Sie war in großen Teilen der Religion zu Hause. Sie lebte eine kirchlich geprägte Frömmigkeit, die Gott einen Ort auch außerhalb der Kirche sichern möchte. Ihre Spiritualität nahm ihren Ausgangpunkt immer wieder im Alltäglichen. Diese Spiritualität wurde dialogisch geformt, nämlich durch Begegnungen mit den Menschen in ihrem Stadtteil. In allem ging es ihr um menschliche Lebensbedingungen in ihrem Viertel. Die Umwelt ging sie etwas an. Dabei suchte sie auch die Zusammenarbeit mit den Kommunist*innen in Ivry bis zu dem Punkt, an dem ihr Bezugspunkt, ihr Maßnehmen an Christus, dies nicht mehr zuließ. Sie war zur Sozialarbeiterin ausgebildet: Gemeinwesenarbeit, Lebensweltorientierung, Inklusion usw. sind von Delbrêl bereits gelebte Praktiken, die erst Jahre später als Theorien der Sozialen Arbeit beschrieben wurden. Bei ihr sind sie absolut spirituell grundgelegt, etwa im Ball des Gehorsams (siehe Seite 6). Die Lebenswelt ist Ort des Tanzes mit Gott, in dessen Armen der Gnade sie sich weiß und der zur Musik einer allumfassenden Liebe getanzt wird. „Wir sind Drecks-Sozialarbeiter!“ Madeleine Delbrêl positioniert sich genau umgekehrt: Soziale Arbeit kann durchdrungen sein von christlicher Spiritualität – und ist auch ein Ausdruck von ihr. Wer zu sehr in Religion und Frömmigkeit gehalten ist, wird diese Positionierung kaum auch nur denken können. Harald Klein verbindet Theologie, ignatianische Spiritualität und Sozialarbeit, im Leben und im Netz. Sein Schwerpunkt ist interreligiöse und interkulturelle Arbeit. Er lebt in Köln. Madeleine Delbrêl will Gott einen Ort auch außerhalb der Kirche sichern. Foto links: © Scott+Jock/photocase.com (Collage) 17 SCHWERPUNKT
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