Gott wird Mensch. Dieses Geheimnis feiern wir an Weihnachten. Gott wird Mensch in Jesus Christus, und die Weihnachtsgeschichte führt uns jedes Jahr aufs Neue in den unscheinbaren Stall in Bethlehem – abseits der politischen Macht, zwischen Hirten und Schafen. Madeleine Delbrêl hat dieses Geheimnis gelebt und in ihre Zeit übersetzt, abseits der Mächtigen, in einem unscheinbaren Pariser Vorort, zwischen Arbeiter*innen und Kommunist*innen. Der Glaube an Gott hat sie dorthin getragen, und so hat sie die Botschaft Jesu Christi in die Welt gebracht. Madeleine Delbrêl zählt zu den interessantesten katholischen Mystiker*innen des vergangenen Jahrhunderts, also zu den wenigen Menschen, deren tiefe Innerlichkeit in der Beziehung mit Gott für uns Spuren, nicht zuletzt Texte, hinterlassen hat. So können wir uns – neu inspiriert – an diese geheimnisvolle Begegnung mit dem Allgegenwärtigen herantasten. Anders als andere suchte und fand sie Gott aber nicht hinter Klostermauern, sondern inmitten ihres lauten Pariser Vorortalltags. Ihre Haltung: „Es ist ungewiss, ob der Duft der Felder dich sicherer zu Gott führt als der Lärm der Großstadt.“ Sie bewegte sich tänzerisch zwischen Milieus hin und her, die unerreichbar weit voneinander entfernt schienen. Sie arbeitete an der Seite der prekär Beschäftigten und Arbeitslosen. Sie entdeckte Jesus im Café und schämte sich nicht, Gott für Zigaretten und Bier zu danken. Sie haderte mit ihrer Kirche und blieb ihr doch zutiefst verbunden. Dabei ließ ihre überzeugt atheistische Jugend zunächst nichts davon erahnen. Mit dieser Ausgabe unseres Magazins möchten wir dieser unscheinbaren und doch immer mehr Aufmerksamkeit weckenden Frau zu einem deutlich höheren Bekanntheitsgrad verhelfen. Die Autor*innen, die wir hier versammeln, erzählen Ihnen von dieser besonderen und bewundernswerten Persönlichkeit und von ihrem eigenen Leben. Dafür danken wir herzlich! Delbrêls Biografie ist eine Anfrage. Wer redet nicht gern davon, Gott in allen Dingen suchen und finden zu wollen? Tatsächlich häufen sich die verpassten Gelegenheiten, dem Erlebten wirklich tiefer auf den Grund zu gehen, es bis auf Gott hin zu durchforschen und Geschehnisse ernsthaft zu durchdringen. Oft bleibt Glaube so oberflächlich wie die Bildschirme, auf denen die Finger durch den Zeitgeist wischen, doch, so schreibt Delbrêl, „durch unsere liebeleeren Herzen wolltest Du all diesen Leuten begegnen, die gekommen sind, die Zeit totzuschlagen“. Liebe Leserin, lieber Leser, P. Dag Heinrichowski SJ und P. Fabian Retschke SJ Porträt: links © SJ-Bild Eine anregende Lektüre und ein gesegnetes Weihnachtsfest in Ihrem Alltag wünschen EDITORIAL 1
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