Magnificat – Gott loben im liturgischen Gesang Viel Schöneres kann ein Mensch mit seiner Stimme wohl kaum anstellen, als Gott singend zu loben, der Seele also Klang und Widerhall zu verleihen, wie Maria. Der Musiker und Theologe Christoph Hönerlage erklärt, warum der gemeinsame Lobgesang so berührt. Ein toller Effekt: In Jan Dismas Zelenkas Magnificat D-Dur beginnt das Orchester mit einer Achtelbewegung im Unisono. Diese Orchestereinleitung dauert nur wenige Takte. Doch das wissen die Zuhörer nicht. Plötzlich setzt der Chor ein, die Achtelbewegung endet abrupt: „Magnificat anima mea Dominum.“ Ein gravitätischer Satz, von Dissonanz zur Auflösung dahinschreitend, immer wieder, unbeirrbar, strahlend. Das Orchester zieht mit – mit Pauken und Trompeten. Nur ein „toller Effekt“? Im Laufe der Jahre durfte ich einige Magnificat-Kompositionen aufführen: Vivaldi, Zelenka, C. P. E. Bach, Heinichen. Ich war erstaunt, wie unterschiedlich die Komponisten einen der berühmtesten Lobgesänge der Bibel in Musik gesetzt haben. Gerade sein programmatischer Beginn lässt immer wieder neu aufhorchen: Magnificat anima mea Dominum (Lk 1,46) – Hochpreiset meine Seele den Herrn. Die deutsche Einheitsübersetzung dagegen verlagert die Größe des Lobpreisens auf „die Größe des Herrn“: „Meine Seele preist die Größe des Herrn”. Gewiss: Deus semper maior – Gott ist immer größer. Seine Größe aber ist die Größe seiner Liebe. Und diese „hört niemals auf“ (Paulus: 1 Kor 13,8a). Sie bildet den Grund für jeglichen Lobpreis Gottes. Liebe verlangt nach Gegenliebe. Und diese führt unweigerlich ins Singen: „Cantare amantis est“ – „Singen ist (Sache) des Liebenden”, sagt Augustinus. Im Lukasevangelium geht es aber um die Größe des Lobpreisens, gleich mit dem ersten Wort geht es „in die Vollen“: Magnificat – Hochpreiset, um dann „die Größe des Herrn“ zu besingen, die sich in seinen Groß10
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