Jesuiten loben 2025-2
Mal im großen Stil wie in Form einer Laudatio – aber oft auch ganz klein oder eher vermeintlich nebenbei: Wenn ein Lob im Raum steht, dann verwandelt das eine Situation. Wo vorher Achtlosigkeit war, ist nun eine Beziehung entstanden. Wo vorher ein Nebeneinander herrschte, gibt es nun ein Miteinander. Einen ähnlichen Zugang verfolgt die Künstlerin Panka Chirer-Geyer in ihren Werken. Die Farbflächen ihrer Gemälde brauchen oft nur wenige Akzente – und schon entstehen Räume und klare Proportionen. Farben und Flächen führen kein Nebeneinander, sondern treten in Beziehung. Sie werden zu Angeboten, an denen man sich festhalten und festmachen kann. Wie ein gutes Lob. Stefan Weigand, Bildredaktion Bild auf der Titelseite: Trilogie - Ich schaue zu, wie der Tag sich neigt (Ausschnitt) – Panka Chirer-Geyer Jesuiten 2025-2 1 Editorial Schwerpunkt 2 Loben als Ausdruck und Weg zu innerer Gesundheit 4 Des Lobes würdig 5 Geschaffen, um zu loben 6 Zwischen Apokalypse und Paradies 8 Lob als Haltung 10 Magnificat – Gott loben im liturgischen Gesang 12 Das Lob der leidenden Schöpfung 14 All ihr Völker, lobet den Herrn! 16 Für ein starkes Miteinander 18 Ein Lob auf das Lob 19 Lob, das wirklich ankommt 20 Die Kunst des Lobens Geistlicher Impuls 22 Lob der Gegenwart Was macht eigentlich …? 24 P. Patrick Zoll SJ Nachrichten aus der Provinz 26 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 30 Jubilare und Verstorbene Medien/Buch 31 Stille spüren, Tiefe leben Vorgestellt 32 Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS Schweiz 34 Jesuiten weltweit – das internationale Hilfswerk der Jesuiten 36 Die besondere Bitte
„Ein Jesuiten-Magazin mit dem Titelthema ‚loben‘ könnte das Thema aus verschiedenen Perspektiven aufgreifen, sowohl spirituell als auch gesellschaftlich. Die Jesuiten, geprägt von Ignatius von Loyola und seiner Spiritualität, könnten ‚loben‘ tiefgehend und kreativ behandeln.“ So meint es zumindest der Algorithmus hinter ChatGPT auf meine Anfrage. Inwiefern dies gelungen ist, können Sie im Folgenden beurteilen. Tatsächlich ist es Anspruch und Idee der vorliegenden Ausgabe, aus verschiedenen Richtungen auf das Loben zu blicken. Die in diesem Heft versammelten Autor*innen nehmen Sie mit in Überlegungen zum Lob aus spiritueller Sicht, im biblisch-theologischen Rahmen, im Kontext sozialer Medien, in Hinsicht auf unser Verhältnis zur Kirche, deren Kirchenmusik und die Harmonie von Lob in einer leidenden Schöpfung. Dabei lesen Sie auch persönliche Erfahrungen, wie in Jugendarbeit und Schule Lob ein Beitrag zum gemeinsamen Wachsen sein kann. Es finden sich auch Hinweise darauf, wie Lob gewaltfrei und aufbauend gestaltet werden kann. So hilft es, die Wirklichkeit wertschätzend anzuerkennen. Das ganze Heft ist also eine Einladung, das Loben als Möglichkeit der Kommunikation und als Lebensweise neu für sich zu entdecken und sich die Mühe zu machen, gelungenes Lob wohlklingen zu lassen, wo wir doch von allzu viel disharmonischer Unmutsbekundung umgeben sind und das Gute manchmal im Hagel der Kritik untergeht. Abweichend von dem erwartbaren Skript für ein klassisches Editorial möchte ich Sie aber an dieser Stelle zu einem Experiment anstiften, das etwas subversiv anmuten könnte: Loben Sie andere hinter deren Rücken! Gehässiges Geschwätz, gegenstandslose Gerüchte, giftiges Gerede, das kennen wir nur zu gut. Und wir wissen, welche nachteiligen und gefährlichen Auswirkungen es hat, eine Umgebung, sei es der Arbeitsort, die Familie, der Freundeskreis oder die Kirchengemeinde, damit zu verseuchen. Das genaue Gegenteil ist aber genauso möglich. Sie werden merken, wie die künftigen Begegnungen großzügiger, gelassener und gerechter werden, wie eine vertrauensvolle Atmosphäre und ein Geist der Zusammenarbeit dort einziehen, wo sich vorher niemand richtig wohl, sondern sich alle eher kritisch beäugt gefühlt haben. Sie werden entdecken, welche Qualitäten die anderen hervorbringen und wozu wir Menschen in der Lage sind, wenn wir uns gegenseitig wohlwollend mitteilen und wertschätzend etwas Gutes anerkennen. Einander zu loben bringt eine Wettbewerbsgesellschaft ins Wanken. Liebe Leserin, lieber Leser, P. Fabian Retschke SJ Porträtfoto: © SJ-Bild EDITORIAL 1
Loben als Ausdruck und Weg zu innerer Gesundheit Je tiefer jemand in seiner Verbitterung versinkt, desto schwerer fällt es, noch irgendwo ein Licht zu sehen. Doch das Loben kann ein Ausweg sein, welcher der Seele guttut, meint Jesuitenpater Anton Witwer. Loben und empfundene Freude sind eng miteinander verbunden. Loben bedeutet: Freude empfinden über etwas, das als schön und beglückend erfahren und als Geschenk erlebt wird. Das ausgesprochene Lob vermag aber auch in den gelobten Personen eine positive Stimmung zu verbreiten und in ihnen ein Gefühl der Freude und Dankbarkeit zu wecken. Innere Gesundheit – Freude am Leben Wer gesund ist, empfindet dies leicht als normal und erachtet seine Gesundheit als Selbstverständlichkeit. Doch wenn sie dem Menschen „genommen“ wird und er krank ist, wird ihm klar, dass sie im Grunde nicht in seiner Verfügung liegt und ein Geschenk ist. Was Gesundheit ist und was sie bedeutet, erkennt der Mensch so meist erst dann, wenn sie ihm fehlt. Dies gilt auch für das Verständnis der inneren Gesundheit. Die pure Freude am Leben, wie wir sie bei kleinen Kindern erleben, ist ein Ausdruck ihrer inneren Gesundheit. Ihr natürliches Vertrauen in das Leben bewirkt diese innere Freude, die sie an allem haben. Sie nehmen alles, wenn auch unbewusst, dankbar als Geschenk an. In dem Maße, indem ein Mensch dieses Vertrauen verliert und das Leben auf eigene Faust zu gestalten versucht, wird es für ihn zur Last und Plage. Trotz allem, was er hat und ihm ermöglicht wird, ist er unzufrieden und leidet an dem, was ihm fehlt. Unzufriedenheit und Undankbarkeit stehen am Beginn der inneren Erkrankung, die unbehandelt leicht chronisch werden kann: Aus der momentanen Unzufriedenheit wird eine Verbitterung, und das Leben wird nur negativ erlebt. Seelische Krankheit ist 2
alles, was das Leben innerlich schwer macht und den Menschen bedrückt. Sie steht im Gegensatz zur Verheißung des Evangeliums vom Leben in Fülle, zu dem wir berufen sind. Die Freude am Geschenk des Lebens bedeutet nicht nur ein Lob und die Verherrlichung Gottes, sondern sie ist auch Ausdruck der inneren Gesundheit! Der Weg zur Freude am Leben Doch wie gelangen wir zu solch tiefer Freude und Dankbarkeit für das Leben? Gefühle der Freude lassen sich weder auf Knopfdruck herstellen, noch kann die Unzufriedenheit durch eine Entscheidung sofort überwunden werden. Gefühle der Freude und Dankbarkeit sind Früchte unseres Lobens und Dankens, die Gott in uns wachsen lässt. Doch selbst loben und danken ist nicht immer einfach und setzt die bewusste Entscheidung dafür voraus. Unzufriedenen und verbitterten Menschen fällt das Loben schwer, da ihr Blick vor allem auf das Negative und Fehlende gerichtet ist, und sie dadurch bei sich selbst stehen bleiben. Daran ändert auch Eigenlob kaum etwas, da es nicht nach außen und für Beziehungen zu öffnen vermag. Beziehung entsteht nur in dem Maße, wie das Gegenüber als Geschenk, als Wert und Bereicherung wahrgenommen wird. Das Loben hilft, uns tiefer als Beschenkte zu erfahren, wie es ein Hochgebet treffend formuliert: „Du bedarfst nicht unseres Lobes, es ist ein Geschenk deiner Gnade, dass wir dir danken. Unser Lobpreis kann deine Größe nicht mehren, doch uns bringt er Segen und Heil durch unseren Herrn Jesus Christus.“ Loben und danken hängen zutiefst zusammen: Wir blicken dabei auf das Gute, das uns geschenkt wird, und bringen es lobend wie Maria im Magnificat zur Sprache. Loben verwandelt Das Loben macht uns selbst zu Beschenkten – und Gott möchte uns mit seiner Liebe beschenken. Unsere Berufung besteht darin, seine Liebe anzunehmen, um innerlich gesund und zu Zeugen seiner Liebe zu werden. Dies ist mit dem Satz der Exerzitien des Ignatius von Loyola angesprochen: „Der Mensch ist geschaffen, um Gott, unseren Herrn, zu loben, ihm Ehrfurcht zu erweisen und zu dienen.“ Gott zu loben, bedeutet, unsere Achtsamkeit auf seine Gegenwart und sein Wirken zu lenken, das heißt, wir sollen Gott in allen Dingen suchen, in jedem Menschen und in jeder Wirklichkeit. Mit anderen Worten: Wir sind dazu berufen, durch unser Loben die Liebe Gottes für andere sichtbar und erfahrbar zu machen. Wie dies konkret geschehen kann, führt uns Ignatius mit den Regeln zum Fühlen mit der Kirche vor Augen. Inmitten allen menschlichen Versagens – und ohne dieses zu leugnen oder zu verschleiern – sollen wir nicht nur selbst stets auf das Gute schauen, das Gott wirkt, sondern durch unser Loben auch den Blick anderer auf das Wirken Gottes in der Kirche hinlenken. Das Loben verlebendigt nicht nur unsere Beziehung zu Gott, sondern es verändert auch unsere Beziehung zu den Menschen und zur Kirche. Das Loben verändert vor allem uns, ja es versöhnt uns mit uns selbst und unseren Grenzen und Schwächen, sodass wir voller Lebensfreude und tiefer Dankbarkeit mit Paulus sagen können: „Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin!“ (vgl. 1 Kor 15,10). P. Anton Witwer SJ kurz „Toni“ genannt, studierte Theologie in Innsbruck und Spiritualität in Rom, wo er 20 Jahre an der Gregoriana und im Generalat tätig war. Seit 2018 ist er Superior in Graz. Bild: © Panka Chirer-Geyer: Movements I (Ausschnitt) Das Loben hilft, uns tiefer als Beschenkte zu erfahren. 3 SCHWERPUNKT
Des Lobes würdig Das Alte Testament ist ein Wegweiser inmitten menschlicher Schwächen für die kollektive Suche nach dem, was Gott lobt. Der kolumbianische Jesuit Uriel Salas betrachtet Gott als den, der selbst lobt. Gott preist sich im Alten Testament als „Ich bin, der ich bin“ (Ex 3,14). Doch mehr als eine Botschaft offenbart sich eine einzigartige Beziehung zwischen Gott und seinem Volk (Israel). Tatsächlich findet es Gott lobenswert, sich seinem Volk anzunähern, weil er von dessen Bedrängnis und Unterdrückung dazu herausgefordert wird. Er lobt das Wiederherstellen, indem er Zweideutigkeiten, Rückschritte und Fehltritte überwindet, um sein Volk zu Freiheit, Hoffnung und Schalom zu führen (Jer 33,6; Sach 8,12). Dieser Weg bezieht die Hörenden des Wortes Gottes mit ein, während sie im Vertrauen ihre Krisen durchleben. Entscheidend ist dabei die Sprache, denn Gott handelt gemäß seinem Wort (Dtn 1,1) und lobt die auf ihn hörenden Herzen (1 Sam 7,3; 16,7) mehr als Äußerlichkeiten. So beginnt eine konfliktreiche, aber fruchtbare Beziehung in Israel mit seinen Individuen und Institutionen. Doch was ist für Gott in dieser Beziehung des Lobes würdig? Zuerst ist es das Erschaffen, das Chaos in eine Ordnung verwandelt und Leben, Segen und Wohlergehen ermöglicht (Jes 45,18–19). Dann die Verheißung: Der Ödnis der Wüste folgt das fruchtbare Land. Gott mag es, Leben zu erneuern und Hoffnung zu wecken, bis Israel „Halleluja“ ruft (Psalm 113,7–9). Drittens lobt Gott die Befreiung seiner Schöpfung – er erträgt es nicht, dass sie versklavt, ausgebeutet oder beherrscht wird (Ri 10,15–16). Seine Barmherzigkeit führt ihn eher zum Umdenken als zur Strafe. Wer Menschenwürde achtet, lässt sich von diesem Geist leiten (Jes 61,2–2). Gleichzeitig beansprucht Gott selbst das Sagen – vor allem in der Ordnung der Gesellschaft nach Maßstäben von Heiligkeit, Recht und Gerechtigkeit. Machtmissbrauch und Selbstzufriedenheit vereitelt er zugunsten von Fürsorge und Schutz der Schwachen. Dieser Gott erfreut sich an Freiheit (Psalm 119,43–48). Zuletzt ist für Gott des Lobes würdig, mit seinem Volk unterwegs zu sein, „es zu versorgen und zu prüfen, damit sein Ebenbild in ihnen wächst“ (Gen 1,26). Sein Volk lebt im Übergang (Dtn 9,1): An der Schwelle zur Vernichtung gelangt es doch zur Rettung. Gott wählt ein Migrantendasein für sich und sein Volk (Jes 35,1–7). Klage, Angst und Flucht halten ihn nicht davon ab, weiter inmitten seines Volkes zu wandeln, Frieden zu bringen und unser (Psalm 8,5) zu gedenken. Uriel Salomón SALAS SJ ist Ingenieur und Theologe. Er lehrt Altes Testament an der Päpstlichen Universität Javeriana in Bogotá, Kolumbien. Seine Forschungsarbeit betreute einst P. Georg Fischer SJ. 4 SCHWERPUNKT
Geschaffen, um zu loben Wie wird das Lob Gottes zum Lebensprinzip? Schwester Melba FI zeigt, wie ignatianische Exerzitien dabei helfen können. Wie führe ich ein Leben, dass Gott zum Lob gereicht? Viele nähern sich den Exerzitien in ihren verschiedenen Formen, weil sie den Wunsch in sich spüren, dass in ihrem geistlichen Leben die Gnade, die sie in den Geistlichen Übungen empfangen, konstant und nachhaltig sei. Der ignatianische Entwurf richtet sich von Beginn an auf das Lob, sozusagen als Bestimmung des Wofürs der Existenz: „Geschaffen, um zu loben“ (EB 23). Das zu erkennen und zu verkosten, sich bewusst zu machen, ist Ziel und Horizont dieser geistlichen Erfahrung. Der dänische Philosoph Søren Kierkegaard (†1855) stellt die Verzweiflung als das Gegenteil des Glaubens und ihm also entgegengesetzt vor. Dabei versteht er Glauben als Man-Selbst-Sein angesichts Gottes, in Abhängigkeit von ihm (vgl. Kierkegaard, Søren: Die Krankheit zum Tode). Die verzweifelte Haltung sperrt sich gegen das Staunen und die Dankbarkeit. Als Anzeichen der Verzweiflung können wir Unruhe, Betrübtheit und Misstrauen verstehen. Was lässt nun verzweifeln? Auf sich selbst bezogen und abhängig von den eigenen Kräften oder äußeren Umständen zu sein. Die selbstzerstörerischen Tendenzen vermehren sich gerade dort, wo ein größerer Druck auf das eigene, individuelle Selbst herrscht, auf meine Möglichkeiten, meine Verantwortung gegenüber meiner Selbstverwirklichung, dem Glücklich-Sein, dem Mir-Gewachsen-Sein, weil ich meine, auf der Höhe mit mir selbst sein zu müssen, wodurch sich ein bodenloser Abgrund auftut. Das Lob rettet und befreit dank einem Du von der Hölle, die das Ich sein kann. Es ergibt sich eine doppelte Bewegung, die mich rettet, indem sie nämlich vorbeugt und Abhilfe schafft. Sie dient als Obhut, als Schutz, und gleichzeitig verwirklicht sie Barmherzigkeit. Das Lob kann eine Art und Weise sein, die Welt zu bewohnen und sie daher zu kreieren, aber nie in Einsamkeit. Vielmehr handelt es sich um eine Mitwirkung an der Schöpfung. Mit Ignatius können wir darum darauf bestehen: „Also ich allein, was kann ich schon sein?“ (EB 58). Wie kann ich also eine Welt mit dem Lob erschaffen? Die Eigenart des Lobes ist das Staunen, die dankbare, fast kindliche Bewunderung, die liebende Anerkennung. Es ist eine ursprüngliche Erschlossenheit, wie der deutsche Philosoph Martin Heidegger sagen würde, eine grundsätzliche Offenheit gegenüber dem In-der-Welt-Sein sowie eine Zielgerichtetheit meines Geschöpf-Seins. Schlussendlich ist das Leben des Lobes ein Standpunkt, eine lebendige Verortung im Angesicht des Schöpfers und in bewundernder Beziehung zu allem anderen, denn von dieser Sichtweise aus wird alles als Geschenk wahrgenommen. Von der Warte her kann ich Kommunion erfahren: So viele Fürsprecher für mich! Übersetzung: Redaktion Sr. Melba del Pilar Neris Guzmán FI ist Mitglied der Töchter Jesu (Filiae Iesu), geistliche Begleiterin und Psychotherapeutin. Sie promoviert in Philosophie an der Päpstlichen Universität Javeriana in Bogotá. 5 SCHWERPUNKT
Zwischen Apokalypse und Paradies Wer nach Lob sucht, wird in Kommentarspalten sozialer Medien selten fündig. Dennoch macht Meike Kohlhoff überraschend schöne Erfahrungen beim Moderieren und kann auch mal lachen. „Wer hat denn angefangen und mich Bienchen genannt?“ Ich bin mal wieder im Kindergarten, denke ich. Aber immerhin ohne Magen-DarmGrippe, Kopfläuse oder was sonst so grassiert. Denn in Wahrheit bearbeite ich gerade nur die Kommentare unserer Userinnen und User auf Facebook. Seit mehr als sechs Jahren tue ich das jetzt schon bei katholisch.de, und täglich grüßt das Murmeltier: Irgendjemand beschwert sich, weil ein anderer User ihn geduzt hat („Diese Nähe zu Ihnen ist mir peinlich.“) und jemand anderem gefällt der Haarschnitt vom Autor eines Artikels nicht („Nicht mehr selbst Haare schneiden?“). Darauf hole ich mir erstmal einen Espresso, während ich mir überlege, ob ich nicht selbst mal wieder zum Frisör müsste. Wie jeden Tag muss ich auch an diesem noch viel Schlimmeres lesen: Sexismus, Beleidigungen, Diskriminierung. Ich versuche also zu deeskalieren, Menschen mit ihren Beschwerden ernst zu nehmen (auch wenn mir das bei Kommentaren wie „Zensur!? Warum darf ich hier den Antichristen nicht piesacken, laaaangweilig!“ manchmal schwerfällt) und eine Umgebung zu schaffen, in der man wenigstens einigermaßen konstruktiv diskutieren kann. Aber nicht mein ganzer Tag ist ernst und grau, ich habe auch etwas zu lachen – nämlich, als ich eine Anfrage vom Jesuiten-Magazin bekomme. Ich soll über Lob auf Social Media schreiben. Na, das wird ein kurzer Text. Ich schiebe die Mail erst einmal beiseite. Unbewusst scheint sie meine Arbeit aber doch zu beeinflussen, denn mir fällt plötzlich etwas auf. Da ist zum Beispiel dieser Satz: „Ich sage sowas selten, weil es dank der Moderation in dem Ausmaß selten vorkommt, aber Ihre Kombination aus Ahnungslosig- und Redseligkeit macht Sie zu einem Dummschwätzer.“ Versteckt sich da etwa ein Lob an uns Moderatoren unter der Beleidigung? Und was sehe ich da: „Ganz dumm ist er nicht.“ Vielleicht wird mein Text doch nicht so kurz. Auf Instagram wird es dann noch deutlicher. „Eure Seite hat mir gezeigt, dass Glaube nicht ‚verstaubt‘ ist.“ Nicht nur wir werden gelobt, die Menschen sind allgemein freundlicher zueinander, spenden zum Beispiel Trost, wenn jemand über ein schlimmes Erlebnis berichtet. Und dann ist da noch unser YouTube-Kanal „Gebetsraum“. Gegen Facebook klingt die Kommentarsektion hier wie ein Hort der Liebe und des Respekts. Und das meine ich jetzt nicht einmal übertrieben. Ich erinnere mich, dass sich hier sogar alte Schulfreunde wiedergefunden haben. Menschen kommentieren eher, wenn sie etwas stört, als wenn sie etwas gut finden. Viele Menschen sind verunsichert und finden nur Social Media kann Menschen eine Stimme geben und bestärken, die sonst nicht gehört würden. 6 SCHWERPUNKT
Meike Kohlhoff hat einen Master in Medienwissenschaft und arbeitet seit 2018 bei katholisch.de. Heute ist sie Koordinatorin des Social-Media-Teams. dann Bestätigung, wenn sie sich von etwas anderem abgrenzen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie viel Macht Lob auf Social Media, wenn es denn vorkommt, eigentlich haben kann. Social Media kann Menschen eine Stimme geben und sie bestärken, die sonst nicht gehört würden, es kann Menschen verbinden und eingerosteten Systemen den Spiegel vorhalten. Darum liebe ich meine Arbeit, sie hat einen tieferen Sinn. Ich hole mir noch einen Espresso – diesmal mit einem Lächeln. Bild: © Panka Chirer-Geyer: Transitions II (Ausschnitt) 7
Lob als Haltung In seinen Geistlichen Übungen spricht Ignatius von Loyola von „Regeln zum richtigen Gespür in der Kirche“. Diese helfen den Übenden, sich mit der Kirche zu identifizieren und zu verbinden, indem sie deren Ansichten und Traditionen regelrecht „loben“. Wie das zu verstehen und ins Heute zu übersetzen ist, erläutert Pater Jörg Nies SJ im Interview. Die Regeln von Ignatius erscheinen recht traditionell, sie loben Sakramente, Reliquien, Kirchenschmuck, Enthaltsamkeit und „überhaupt alle Gebote der Kirche“. Würde Ignatius die Jesuiten heute „konservativer“ machen wollen? Die Regeln stehen am Ende des Exerzitienbuches und können als eine Art Übergang in den Alltag verstanden werden. Nach einer Zeit, die von einer tiefen und unmittelbaren Erfahrung Gottes geprägt ist, erinnert Ignatius an ganz praktische, konkrete Dinge. Beide Dimensionen gehören zusammen und sollten sich nicht ausschließen, sondern können sich ergänzen. Das gelingt zwar nicht immer, und es mag Bereiche geben, die schwer zugänglich bleiben. Dennoch sollen gerade die verschiedenen Weisen von Frömmigkeit, die es in der Kirche gibt, gelobt werden. Das kann die eigene Spiritualität bereichern, den Blick weiten und auf die Gemeinschaft der Kirche lenken. Auch wenn wir Jesuiten unsere bevorzugte Form gefunden haben, Gott zu suchen und zu finden, sollten wir die vielen anderen Möglichkeiten und Wege wertschätzen. 8
Im Grunde bestimmt Ignatius in diesem Zusammenhang einen Begriff von Loyalität. Ist dieser nur strategisch klug formuliert oder gar unkritisch? Das Wort „Loyalität“ kann formal klingen, wie eine Pflicht, die es zu erfüllen gilt. Für Ignatius ist die Kirche allerdings viel mehr als eine Institution, sondern er spricht von der „Mutter Kirche“ und der „Braut Christi“. Auch wenn diese Wortwahl heute befremdlich klingen mag, macht sie darauf aufmerksam, dass der Glaube in Beziehungen gelebt wird. Dies gilt für die Gemeinschaft der Kirche, aber eben auch für die Kirche selbst, in welcher der Glaube gelebt wird. Es geht um etwas Grundlegenderes, um eine Zugehörigkeit und eine Identität. Zu dieser gehören eine positive Einstellung, aber ebenso ein Ringen und ein Streiten. In einer existentiellen Beziehung verfolge ich keine Strategie, kalkuliere nicht zum eigenen Vorteil, sondern ich bringe mich ein, weil es um etwas Wichtigeres und Größeres geht. Wenn dieses allerdings bei den Verantwortlichen in den Hintergrund zu geraten oder sogar verloren zu gehen scheint, dann hat die Kritik ihren Platz und kann sogar Ausdruck von Loyalität sein. Ignatius versucht eine seinerzeit viel diskutierte Balance zwischen dem Wirken göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit zu bestimmen. Inwiefern ist das für Gläubige heute relevant? Die Welt von Ignatius ist nicht mehr die unsere, weshalb wir ihn und die Exerzitien heute in einem anderen gesellschaftlichen Kontext verstehen. Das gilt aber auch für jede Einzelne und jeden Einzelnen. Wie frei und wirkmächtig jemand sich selbst erlebt, kann dabei sehr verschieden sein und zudem in Lebensphasen variieren. Deshalb ist eine Balance zwischen dem Wissen um die eigenen Möglichkeiten und einem Vertrauen auf Gottes Wirken immer wieder neu zu finden. In den Exerzitien kann ich jedoch lernen, dass ein Grundvertrauen auf Gottes Gnade mir eine Freiheit schenkt, die keinen Druck aufbaut, sondern die Einladung enthält, meine Fähigkeiten und Talente in der Nachfolge Jesu zu entfalten. Sollte man den Menschen wieder mehr Furcht vor Gott machen, wie Ignatius es vorschlägt? Furcht sicher nicht, aber im Deutschen können wir ja auch das etwas altertümliche Wort Ehrfurcht verwenden. Wenn wir dieses als Respekt und Anerkennung verstehen, wird die Thematik sehr aktuell. Wir sind herausgefordert, uns für die Menschenrechte, für eine gerechtere Welt und einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung einzusetzen. Aus einer gläubigen Perspektive hat dies wesentlich mit Gott und mit unserem Selbstverständnis als Menschen zu tun. Als Menschen können wir Gott gegenüber Ehrfurcht empfinden, die aber – wenn sie keine Furcht sein soll – auf der Erfahrung von Gottes Barmherzigkeit beruhen muss. Diese deutlich und erfahrbar zu machen, ist eine entscheidende Aufgabe für die Kirche. Wofür könnten wir die Kirche mehr loben? Für alles Gute, was in der Kirche geschieht. Für die unzähligen Menschen, die sich für andere einsetzen, für Begegnungen, die in und durch die Kirche möglich werden. Dazu zählt die Gemeinschaft, in der Menschen eine Zugehörigkeit erleben, zu Gott beten und in ihrem Leben präsent erfahren können. Deshalb sind alle Versuche, diese Dimensionen der Kirche deutlicher zu machen, zu unterstützen und zu loben. Interview: P. Fabian Retschke SJ P. Jörg Nies SJ studierte unter anderem in Rom und wirkte als Seelsorger in Leipzig und Stockholm. Aktuell absolviert er in Australien das Terziat, die letzte Ausbildungseinheit der Jesuiten. Glaube wird in Beziehungen gelebt. Bild: © Panka Chirer-Geyer: Verwandlung weiß (Ausschnitt) 9 SCHWERPUNKT
Magnificat – Gott loben im liturgischen Gesang Viel Schöneres kann ein Mensch mit seiner Stimme wohl kaum anstellen, als Gott singend zu loben, der Seele also Klang und Widerhall zu verleihen, wie Maria. Der Musiker und Theologe Christoph Hönerlage erklärt, warum der gemeinsame Lobgesang so sehr berührt. Ein toller Effekt: In Jan Dismas Zelenkas Magnificat D-Dur beginnt das Orchester mit einer Achtelbewegung im Unisono. Diese Orchestereinleitung dauert nur wenige Takte. Doch das wissen die Zuhörer nicht. Plötzlich setzt der Chor ein, die Achtelbewegung endet abrupt: „Magnificat anima mea Dominum.“ Ein gravitätischer Satz, von Dissonanz zur Auflösung dahinschreitend, immer wieder, unbeirrbar, strahlend. Das Orchester zieht mit – mit Pauken und Trompeten. Nur ein „toller Effekt“? Im Laufe der Jahre durfte ich einige Magnificat-Kompositionen aufführen: Vivaldi, Zelenka, C. P. E. Bach, Heinichen. Ich war erstaunt, wie unterschiedlich die Komponisten einen der berühmtesten Lobgesänge der Bibel in Musik gesetzt haben. Gerade sein programmatischer Beginn lässt immer wieder neu aufhorchen: Magnificat anima mea Dominum (Lk 1,46) – Hochpreiset meine Seele den Herrn. Die deutsche Einheitsübersetzung dagegen verlagert die Größe des Lobpreisens auf „die Größe des Herrn“: „Meine Seele preist die Größe des Herrn”. Gewiss: Deus semper maior – Gott ist immer größer. Seine Größe aber ist die Größe seiner Liebe. Und diese „hört niemals auf“ (Paulus: 1 Kor 13,8a). Sie bildet den Grund für jeglichen Lobpreis Gottes. Liebe verlangt nach Gegenliebe. Und diese führt unweigerlich ins Singen: „Cantare amantis est“ – „Singen ist (Sache) des Liebenden”, sagt Augustinus. Im Lukasevangelium geht es aber um die Größe des Lobpreisens, gleich mit dem ersten Wort geht es „in die Vollen“: Magnifi10
cat – Hochpreiset, um dann „die Größe des Herrn“ zu besingen, die sich in seinen Großtaten zeigt. Ich meine, diese unterschiedlichen Facetten auch in den unterschiedlichen Kompositionen herauszuhören: Die einen „jubeln/hochpreisen“ (zum Beispiel C. P. E. Bach), die anderen besingen „die Größe des Herrn“ (etwa B. Zelenka). Das ist eine subjektive Deutung. Doch beides durchdringt sich; unmöglich, das eine vom andern zu trennen. In jedem Fall nimmt die Musik mich mit – als Musiker und als Zuhörer. Das Zusammenspiel des Chores, der Solisten und des Orchesters setzt den komponierten Lobpreis Gottes in Klang um. Es ist ein Zusammenwirken aller. Jeder trägt etwas dazu bei. Alle spornen sich gegenseitig an. Aber auch als Zuhörer bleibe ich keineswegs nur passiv. Wenn ich mich von der Musik anrühren, begeistern, mitnehmen lasse, dann jubelt auch mein Geist „über Gott, meinen Retter“. Das Lob Gottes, seine Verehrung im liturgischen Gesang, hat eine lange Tradition im Gottesdienst. Mit dem II. Vatikanischen Konzil setzte sich eine differenziertere Sicht darauf durch: In einem ersten Schritt wendet sich zunächst Gott uns zu (sein „Dienst“ an uns). In einem zweiten Schritt nehmen wir Menschen diese Zuwendung wahr und werden uns ihrer bewusst: Dies ist der Ort des Gesangs in der Liturgie. Das Lied des Moses nach der ExodusLesung der Osternachtfeier mach dies beispielhaft nachvollziehbar. Dieses Canticum (Gesang) ist eine Ruminatio (Wiederkauen), eine Aneignung des Geschehenen aus der Lesung, Gottes Dienst an seinem Volk. Es verwandelt sich in einem dritten Schritt dann in Lobpreis, mit dem wir uns an Gott zurückwenden. In der Osternachtfeier geschieht dies im anschließenden Gebet des Priesters. Auch das Magnificat, so scheint mir, umfasst beides: In Maria leuchten die Großtaten Gottes auf und werden von ihr in einen Lobgesang überführt. Neben den großen Vertonungen für Chor, Solisten und Orchester singt die Kirche seit Jahrhunderten das Magnificat in den acht Kirchentönen – im Wechsel zwischen zwei Gruppen. Acht „Farben“, die diesen Lobgesang in ein je eigenes „Licht“ tauchen. Hinzu kommt der Tonus peregrinus, der IX. Ton. Er ist in der evangelischen Tradition der Magnificat-Ton schlechthin geworden. So auch in Hugo Distlers Weihnachtsgeschichte op. 10. Die Sängerin (Maria) intoniert: „Meine Seele erhebt den Herren und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilands“. Und während sie weitersingt, beginnt der Chor auf die Melodie des Liedes Es ist ein Ros entsprungen die Strophe: „Wir bitten dich von Herzen du edle Königin, durch deines Sohnes Schmerzen, wann wir fahren dahin aus diesem Jammertal. Du wollest uns geleiten bis in der Engel Saal.“ Für mich eine der berührendsten Magnificat-Vertonungen, in der sich Marias Hochgesang auf Gott mit „unserer“ Bitte an sie um ihr Geleit „aus diesem Jammertal – bis in der Engel Saal“ verbindet. Geht das: Gott zu loben und gleichzeitig an das eigene Lebensende zu denken? Bei Distler geht es am Ende zusammen – musikalisch und wohl auch theologisch: „Du wollest uns geleiten bis in der Engel Saal“ verbindet sich mit „Seine Barmherzigkeit währet für und für bei denen, die ihn fürchten“. So erwächst dem, der Gott lobt, aus diesem Lobpreis selbst Hoffnung und Trost, denn Gottes Barmherzigkeit währt „für und für“… Christoph Hönerlage ist Professor für Gregorianik und Deutschen Liturgiegesang an der Hochschule für Katholische Kirchenmusik & Musikpädagogik Regensburg. „Singen ist (Sache) des Liebenden.“ Augustinus Portraitfoto: © Uwe Moosburger; Bild: © Panka Chirer-Geyer: Weite (Ausschnitt) 11 SCHWERPUNKT
Das Lob der leidenden Schöpfung Die Schöpfung leidet, und wir mit ihr. Klimawandel, Artensterben, Umweltzerstörung – all das kann lähmen. P. Fabian Moos SJ zeigt, wie Loben inmitten der Krise zu einer Kraftquelle für unser Handeln werden kann. „Was liebst du daran, Teil von Gottes Schöpfung zu sein?“ Diese Frage stelle ich gerne im Rahmen einer Dankbarkeitsübung in meinen Workshops. Und bei vielen Menschen fängt es spontan an zu sprudeln: die Freude am Spaziergang im Waldstück nebenan. Der Gesang der Amseln im Garten. Der Dank für das leckere Dinkelvollkornbrot und so viele Nahrungsmittel, die uns die Schöpfung bereitwillig zur Verfügung stellt. Der eigene Leib mit den Sinnen, die uns mit anderen verbinden und so viel Schönes wahrnehmen lassen. Die Freude an der mühsamen Gartenarbeit mit den eigenen Händen, auch wenn die Tomaten nicht immer so wollen, wie sie sollen. Der aufmerksame Blick des eigenen Hundes. Die majestätische Lieblingsbuche neben dem Haus, die schon so viel miterlebt hat … Sicher könnten Sie die Liste für sich selbst fortsetzen und ins Erzählen kommen. Etwas lieben ist das eine, diese Liebe auch auszudrücken, in Worten, Bildern, Bewegung oder wie auch immer, geht noch einen Schritt weiter und erdet uns oft, bringt uns zum Wesentlichen zurück, lässt spontan Vertrauen entstehen. Das Loben ist eine feine Sache. Wenn es stimmt, was Ignatius sagt, nämlich dass das Loben unabdingbar zum menschlichen Lebenssinn gehört („Der Mensch ist geschaffen dazu hin, Gott Unseren Herrn zu loben …“), dann sollten wir uns dafür auch Zeit nehmen. Für mich war es eine theologische Entdeckung, dass die ganze Schöpfung eine Art umfassender „Lobzusammenhang“ ist, und dass wir als Menschen berufen sind, uns darin einzuklinken. Die Schöpfung lobt Gott schon längst, bevor es die Menschen tun. „Alles, was atmet, lobe den Herrn“, singt Psalm 150, das fulminante Finale des hebräischen Gebetbuchs, aus dem auch heute noch Judentum und Christentum ihr Gotteslob gestalten. Auch für den Kirchenvater Gregor von Nazianz war klar, dass alle Geschöpfe auf Gott ausgerichtet sind und ihn allein durch ihr Dasein feiern. „Das Lob der Schöpfung“ heißt dann, dass das Lob Gottes von der Schöpfung ausgeht, dass sie das Subjekt des Lobens ist. Doch auch in der anderen Bedeutung des Ausdrucks stimmt es: Wir Menschen dürfen die Schöpfung loben, weil sie eine Gabe des Schöpfers ist und auf ihn verweist. Und weil man ihn selbst in ihr finden kann. In dieser Perspektive gibt es nicht erst das Lob Gottes und dann – eventuell, wenn noch Zeit und Lust übrig ist – eines für die Schöpfung. Nein, denn dass es mich gibt und dass ich Atemzug um Atemzug Leben in mir habe, verdanke ich dem Schöpfer und dem lebendigen Schöpfungszusammenhang zugleich. Wenn ich dem Lob der Schöpfung Raum gebe, werde ich mir dieser Verbundenheit bewusst, die mich schon immer getragen hat. Das hat etwas Befreiendes. Ich habe viel mit Menschen zu tun, die sich für einen sozial-ökologischen Wandel einsetzen. Vielen davon geht es so, dass sie immer wieder von der emotionalen Wucht der Klimakatastrophe und des sechsten MassenausBild: © Panka Chirer-Geyer: Flow (Auscschnitt) 12 SCHWERPUNKT
sterbens von Tier- und Pflanzenarten eingeholt werden. Auch ich spüre das in manchen Momenten sehr stark. Und ich weiß: Dass mich das Leiden der Schöpfung durchzieht – als Angst, Trauer und Wut, körperlich, emotional und gedanklich – ist ein gutes Zeichen, denn es beweist einmal mehr, dass ich mit dem Rest der Schöpfung verbunden bin. Es ist trotzdem nicht immer leicht auszuhalten. Aber ist es nun angesichts dieser leidenden Schöpfung nicht eine billige Vertröstung, einfach lobend durch die Gegend zu gehen? Und schlimmer noch: Hält uns das nicht vom dringend notwendigen Handeln ab? Ich erlebe es anders. Zunächst, weil im Trost des Schöpfungslobs etwas Erlösendes liegt. Das wusste auch schon Ignatius. Er lädt in den Exerzitien dazu ein, Gottes Barmherzigkeit in allen Dingen zu finden und zu loben, etwa weil die anderen Geschöpfe uns trotz unserer Verstrickung in Sünde und Schuld weiterhin am Leben halten und uns „die Erde nicht verschlang“ (EB Nr. 60). Für mich ist das mit der Erfahrung verbunden, in den Frustrationen meines Engagements immer wieder zurückzufinden zu dem, wofür ich eigentlich kämpfe – indem ich das Leben feiere, das mir geschenkt wird. Außerdem bin ich wie Joe Übelmesser SJ überzeugt: Was man von Herzen lobt, kann man nicht so leicht zerstören. Vielmehr wachsen dadurch Verantwortungsgefühl und Kreativität. So sieht es auch Papst Franziskus in Laudato Si, der Schöpfungslob-Enzyklika. Aber schon für Ignatius hängen Loben, Ehrfurcht Erweisen und Dienen eng zusammen. Diese Dreiheit steht für den menschlichen Lebenssinn (s. EB 23). Dass die Schöpfung so sehr leidet, hängt gerade daran, dass ein Teil der Menschheit – die westliche Welt – den wertschätzenden und ehrfurchtsvollen Umgang mit ihr ausgehebelt hat. Lob und Ehrfurcht fließen hingegen in den rechten Gottes-Dienst, der immer auch Menschen-Dienst und Schöpfungs-Dienst als Antwort auf wahrgenommenes Leiden einschließt. Die Schöpfung ist ein umfassender Lobzusammenhang. Sich in ihn einzuklinken kann erden, befreien und beflügeln. Und, was haben Sie heute schon gelobt? P. Fabian Moos SJ lebt und arbeitet am Ukama-Zentrum für sozial-ökologische Transformation in Nürnberg. Außerdem ist er Laudato-Si-Beauftragter der zentraleuropäischen Jesuitenprovinz. 13
P. Adrian Kunert SJ ist seit 2010 als Krankenhausseelsorger in Berlin tätig. Er ist Lobpreisleiter, schreibt christliche Lieder und ist Herausgeber des Liederbuches XPRAISE. All ihr Völker, lobet den Herrn! Wer singt, betet doppelt, heißt es. Das gilt nicht minder für das Beten, das Gott lobt. Jesuitenpater Adrian Kunert erzählt, wie der gesungene Lobpreis ihm hilft, Blockaden zu überwinden. Ein altes Ehepaar sitzt nebeneinander auf einer Bank. Sie sagt plötzlich: „Wir sind über 40 Jahre verheiratet. Du hast mir in diesen Jahren überhaupt nicht mehr gesagt, dass du mich liebst.“ Er schaut sie an und antwortet: „Aber das habe ich dir doch damals gesagt. Ich melde mich schon, wenn sich da was ändert.“ Mussten Sie jetzt etwas lächeln? Wir Menschen funktionieren ja so nicht. Gutes, Schönes, Wahres muss immer wieder thematisiert werden, damit es seine Kraft und Strahlkraft nicht verliert; denn so fülle ich mein Herz damit. Richte ich meinen Blick nur auf Belangloses, Zweifelhaftes und Schlechtes, was die anderen wieder gemacht haben, wird sich auch mein Herz und Blick verfinstern. Ich nehme immer mehr nur noch Verfinsterung wahr, Gutes nicht mehr; und ich komme auch nicht mehr ins Danken über die vielen kleinen und großen Geschenke anderer Menschen und Gottes. Für Ignatius ist der Undank die Wurzel allen Übels. Er weiß, dass das Zentrum von allem die Liebe ist. Liebe aber ist gegenseitiges Geben und Empfangen. Das Wesen Gottes selbst ist ewiges Sich-Verschenken und Sich-Empfangen. Der Undankbare weigert sich anzuerkennen, dass er sich empfängt und verschenkt. Er blockiert sich gegenüber dem Verströmen des Liebens und Schenkens Gottes (nach P. Willi Lambert SJ). Die geistliche Übung gegen die Undankbarkeit ist das Danken – jeden Tag neu zu entdecken, was mir Gott alles direkt oder über meine Mitschöpfung schenkt. Tagsüber bin ich aber oft blockiert von vielen Dingen; ob es die tägliche Arbeit, die Sorge um diesen oder jenen Kranken ist, ob es die Anliegen sind, die mir die Menschen mitgeben, damit ich für sie bete, ob es eigene geistliche Taubheit oder ritualisiertes Gebet ist ... Es fließt oft nicht so zurück, wie es könnte, dem angemessen, wie mein liebender Gott mich beschenkt. Darum bin ich froh, dass ich schon während des Noviziats 1988 den Lobpreis in den Psalmen und ihre modernen Vertonungen entdecken durfte. Die Psalmen bestehen gefühlt zu 50 Prozent aus Lobpreis. Da wird Gott gedankt für das, was Er ist, was Er getan hat und tut, dafür, wie Er sich mir zuwendet und Gemeinschaft begründet, wo vorher Vereinzelung und Tod waren. Der Lobpreis, den ich entdecken durfte, öffnete mir durch seine Schlichtheit oftmals innerhalb kürzester Zeit den Weg zum Danken. Dabei waren die Lieder, die Worte der Heiligen Schrift wiederholten, oft die besten. Ich singe sie noch heute. Manchmal aber, gerade beim gesprochenen Stundengebet, zieht es sich etwas. Dann entdecke ich, dass sich eine Melodie einstellt. Den Hymnus oder den GeDANKen vor Gott bete ich dann nicht nur einmal, sondern wiederhole ihn wieder und wieder. Mein gesprochenes Gebet scheint mir oft schwach. Wenn es sich aber mit dem Lied verbinden darf, spüre ich, wie es mich erhebt und ich Dinge dann wie aus einer anderen Perspektive sehe, aus Seiner. Denn „Loben zieht nach oben. Und Danken schützt vorm Wanken“, wie es in einem alten Sprichwort heißt. Bild: © Panka Chirer-Geyer: BeSinnlich (Auscschnitt) 14 SCHWERPUNKT
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Für ein starkes Miteinander Ehrliches Feedback statt angestautem Unmut – am Berliner Canisius-Kolleg lernen Jugendliche, durch Rückmeldungen und Lob starke Gemeinschaften zu bilden. Rebecca von Amsberg teilt ihre Erfahrungen. Lob und Feedback sind zentrale Elemente einer wertschätzenden Zusammenarbeit. Sie helfen, Stärken zu erkennen, Entwicklung zu fördern und eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. In meiner Tätigkeit als Leiterrundenbegleiterin in der ISG Berlin (Ignatianische SchülerGemeinschaft), einer Organisation, die sich für die Förderung von Jugendgruppenarbeit und ehrenamtlichem Engagement einsetzt, sowie zuvor als Gruppenleiterin habe ich erlebt, wie wirkungsvoll gezieltes Feedback sein kann – für Einzelne und das gesamte Team. Besonders wichtig ist die bewusste Unterscheidung zwischen Lob und Kritik. Während Feedback oft mit Verbesserungsvorschlägen assoziiert wird, bleibt Lob häufig im Hintergrund. Doch gezielte Wertschätzung stärkt das Selbstbewusstsein und die Motivation. Statt eines allgemeinen „gut gemacht“ wirkt eine präzise Rückmeldung über das, was besonders gelungen ist, viel nachhaltiger. Genauso entscheidend ist der konstruktive Umgang mit kritischem Feedback. Klare Prinzipien wie Ich-Botschaften, zeitnahe Rückmeldungen und eine wertschätzende Haltung erleichtern die Annahme und fördern ein unterstützendes Miteinander. Eine prägende Erfahrung hatte ich während einer Fortbildung als Gruppenleiterin. In unserer zwölfköpfigen Leiterrunde sollten wir uns in Zweiergesprächen gegenseitig Feedback geben – sowohl Lob als auch kritische Rückmeldungen. Als empathischer Mensch fiel es mir schwer, Kritik zu äußern, weil ich niemanden verletzen wollte. Die richtigen Worte zu finden, war für mich eine Herausforderung. Überraschenderweise war es beim Empfangen von Feedback genau umgekehrt: Mit Lob konnte ich nicht gut umgehen, während ich kritische Rückmeldungen leichter annehmen konnte, da sie mir halfen, mich weiterzuentwickeln. Diese Erkenntnis hat mich nachhaltig geprägt. Bis heute sehe ich kritisches Feedback als wertvolle Unterstützung und arbeite daran, auch Lob besser anzunehmen – und gezielt zu geben. Eine offene Feedbackkultur stärkt nicht nur Teams, sondern auch die persönliche Entwicklung. Sie braucht Übung, klare Prinzipien und vor allem eine Haltung der Wertschätzung. Wer Feedback als gemeinsames Lernen versteht, schafft eine Atmosphäre, in der sich alle mit ihren Perspektiven einbringen können – eine Grundlage für ein starkes Miteinander. Rebecca von Amsberg ist seit 2011 in der ISG, war von 2015 bis 2020 Gruppenleiterin und ist seit 2020 Begleiterin einer zwölfköpfigen Leiterrunde. Sie studiert Grundschullehramt für Musik, Mathematik und Deutsch in Berlin. Die ISG ist eine Stadtgruppe der Katholischen Studierenden Jugend (KSJ) am Canisius-Kolleg in Berlin und Angebot der außerschulischen Jugendarbeit, in der sich über 750 Kinder und Jugendliche in Gruppen organisieren, deren ehrenamtliche Leitung dem Prinzip “Jugend leitet Jugend” folgt. Um sie in ihrer persönlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklung zu fördern, organisieren sie wöchentliche Aktivitäten in festen Gruppen sowie größere Veranstaltungen, Glaubens- und Weiterbildungskurse bis hin zu zweiwöchigen Sommerfahrten. Basis dafür sind die Jugendexerzitien in der achten Stufe, wo die Jugendlichen auch in die Kunst des Feedbacks systematisch eingeführt werden. 16 SCHWERPUNKT
Ein Lob auf das Lob Wie viel, wie oft, oder besser überhaupt nicht? In Sachen Erziehung und Schule ist das Loben nicht im Trend. Schulseelsorgerin Melanie Dölle erklärt, warum sie es trotzdem nicht lassen kann, das Lob zu loben. War es vor einigen Jahren noch pädagogische Pflicht, Kinder und Jugendliche – wann immer möglich – zu loben, so hat sich dieser Trend schon seit einiger Zeit umgekehrt. In der Ratgeberliteratur über Kindererziehung und Pädagogik ist fast mantraartig zu lesen, dass Lob Abhängigkeiten herstelle, den Erfolge hemme, ja sogar manipulativ in das Leben von Menschen eingreife. Zu viel Loben sorge für Unsicherheiten. Zugegebenermaßen wird hier Lob verstanden als eine Art Bewertung, als eine funktionale Handlung, die erreichen soll, dass sich das gelobte Verhalten wiederhole. Ja, in diesem Sinne ist Lob sicherlich kritisch zu betrachten. In meinem schulischen Bewegungsradius begreife ich Lob aber als etwas grundlegend Anderes: als Anerkennung, Wertschätzung, Würdigung. Und in diesem Sinne kann es gar nicht genug Lob geben. Lob kann ein echter Brückenbauer sein. Wenn ich Lob spende, spüre ich, wie sich mein Gegenüber aufrichtet. Lob schafft Ermutigung und Bestärkung. Wer Lob empfängt, wird gesehen mit dem, was er an Gutem zu geben bereit ist. Auch auf die Gefahr hin, dass dies kitschig oder übertrieben klingen mag, gehe ich, was das Lob anbelangt, sogar noch einen ganzen Schritt weiter. In meinem Horizont kann Lob auch eine spirituelle Dimension aufweisen: Spreche ich jemandem ein aufrichtiges Lob zu, dann verweise ich in diesem Augenblick auf das Gute in diesem Menschen. Ich sehe ihn womöglich wie durch die Augen Gottes hindurch. Mein Lob bekennt dann: Ich sehe etwas in diesem Menschen, das Anlass zur Aufmerksamkeit gibt, und ich freue mich mit ihm – ganz ohne Neid und ohne Verzweckung. Kinder und Jugendliche benötigen Lob. Ja, sie lechzen förmlich danach. Vielleicht besonders auch deshalb, weil unser System Schule oft auf Defizite hin ausgerichtet ist. Schülerinnen und Schüler leben davon, dass sie mit dem gesehen werden, was sie an Ressourcen mitbringen. Ein Lob kann „aufdecken“, welche Stärken vorhanden sind. Bleibt das Lob (dauerhaft) aus, führt dies bald zu Unsicherheiten und hinterlässt ein mangelndes Selbstwertgefühl. Aber auch Eltern wollen gelobt werden! Ich würde sogar behaupten, dass sie es manchmal noch nötiger haben als ihre Kinder. Von wem sollten sie ein Lob zur tagtäglichen Begleitung ihrer Kinder erhalten? Wer honoriert, wer schätzt, wer sieht das, was Eltern ununterbrochen leisten, wenn sie ihr Kind „erziehen“? Lehrkräfte tun aus meiner Erfahrung heraus gut daran, wenn sie – hin und wieder – bei einem Elterngespräch in der Schule das Loben nicht vergessen. Es gibt sicherlich viele Formen des unzureichenden, nicht förderlichen oder inflationären Lobens. Meines Erachtens ist das Nicht-Loben aber dennoch die schlechtere Wahl. Lob kann Bindungen stärken und Wachstum befördern – diese Chance möchte ich nicht verstreichen lassen. Melanie Dölle ist seit vielen Jahren Lehrerin am Canisius-Kolleg in Berlin und unterrichtet Deutsch und Katholische Religionslehre. Außerdem ist sie Leiterin der Schulseelsorge und berät Lehrkräfte, Eltern und Schüler. Sie ist selbst Mutter. 17 SCHWERPUNKT
Lob, das wirklich ankommt Echtes Lob braucht mehr als gute Absicht: Es lebt von Achtsamkeit, Klarheit und echter Verbindung. Die Gewaltfreie Kommunikation zeigt, wie Anerkennung nicht bewertet, sondern berührt – weil sie das Gute sieht und benennt, was wirklich zählt. Loben erfordert Sensibilität, Authentizität, Verantwortung und eine klare, respektvolle Kommunikation. Loben sollte niemals missbraucht werden, sondern zu Gleichgewicht in der Beziehung, Empathie und Wertschätzung beitragen. In der herkömmlichen Kommunikation hat das Loben oft die Form einer Bewertung „Die Arbeit ist gut …“ und wird mitunter auch noch mit einer erzieherischen Komponente verbunden: „… und da geht doch bestimmt auch noch was!“ Es gibt Gründe, anders zu loben, denn so wird wenig erkennbar, auf was genau der Sprecher sich bezieht und was in ihm vorgeht. Verständnis und Verbindung zwischen den Gesprächspartnern werden dabei nicht unbedingt gefördert, gegebenenfalls sogar eher beeinträchtigt. Die Gewaltfreie Kommunikation (kurz GfK) nach Marshall B. Rosenfeld, auch „Einfühlsame Kommunikation“ genannt, macht es anders. Sie basiert auf der Überzeugung, dass einfühlsames Geben und Nehmen unserem natürlichen Wesen entsprechen. Der Begriff Gewaltfreiheit ist hier im Sinne von Gandhi zu verstehen und „meint unser einfühlendes Wesen, das sich wieder entfaltet, wenn die Gewalt in unseren Herzen nachlässt“. Daraus erwächst eine Lebensweise, die die Lebensqualität für uns und unsere Mitmenschen steigert, das Leben bereichert, verschönert und … feiert! Hierfür spielen nach Rosenberg die Sprache und der Gebrauch von Wörtern die entscheidende Rolle: Denken, sprechen und hören wir so zu, dass wir von Herzen geben und nehmen und selbst unter herausfordernden Umständen menschlich bleiben? Diagnostizierende, beurteilende, bewertende Aussagen betrachtet die GfK als gewaltvolle Kommunikation. Um stattdessen den Wunsch, einfühlsam und von Herzen zu geben, Wirklichkeit werden zu lassen, richtet sie das Bewusstsein, die konzentrierte Aufmerksamkeit auf das, was wir wahrnehmen, fühlen, brauchen und erbitten. Sie regt uns an, „uns ehrlich und klar auszudrücken und gleichzeitig anderen Menschen unsere respektvolle und einfühlsame Aufmerksamkeit zu schenken.“ Sie trainiert uns, „sorgfältig zu beobachten, die Verhaltensweisen und Umstände, die uns stören“ oder freuen, „genau zu bestimmen, zu erkennen, was wir konkret brauchen“, fühlen und worum wir bitten wollen „und das klar auszusprechen.“ Aus gewohnheitsmäßigen, automatischen Sätzen werden bewusste Formulierungen. Das alles gilt auch für das Loben. Es verfolgt in der GfK einzig die Absicht, hilfreiches Handeln oder eine Qualität bewusst zu machen, mit Rosenbergs Worten: „… die Art, wie unser Leben durch andere schöner wurde, zu feiern“. Im Zentrum steht die Fähigkeit, das Gute in der anderen Person oder der Situation zu erkennen und dieses auf eine Art und Weise auszudrücken, die nicht nur das Verhalten oder die Handlung beschreibt, sondern auch die betroffenen Bedürfnisse und Gefühle anerkennt. Mit der Struktur der GfK wird Lob als „Ich-Aussage“ formuliert und besteht aus drei Bestandteilen: • die Handlungen, die zu unserem Wohlbefinden beigetragen haben, • unsere jeweiligen Bedürfnisse, die sich erfüllt haben, und Bild: © Panka Chirer-Geyer: Go with the flow II (Ausschnitt) 18 SCHWERPUNKT
• die angenehmen Gefühle, die sich durch die Erfüllung dieser Bedürfnisse eingestellt haben. Die Benennung aller drei Bestandteile mag nicht immer passend oder erforderlich erscheinen; je konkreter wir sie allerdings benennen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Anerkennung richtig verstanden wird. Ein solcher Anspruch an das Lob kann allerdings auch als Zumutung und Zuviel des Guten verstanden werden: „Geht’s noch? Nun will man schon loben – und dann soll man auch noch über Gewaltfreiheit nachdenken?“ Solchem Unmut gewaltfrei zu begegnen, heißt, ihn ernst zu nehmen, und eröffnet die Chance, in einen produktiven Austausch über die Bedingungen bereichernden Lobens im Sinne der GfK zu kommen. Besonders bereichernd und förderlich kann Lob wirken, wenn zwischen den Kommunikationspartnern bereits ein Klima von Respekt, Achtsamkeit und Vertrauen herrscht. Hier ist einfühlsames Geben und Nehmen von Lob mit leichter Hand möglich. Es kann als reines Bewusstmachen einer positiven Interaktion, der gegenseitigen Wertschätzung und ohne Sorge vor darüber hinausgehenden Absichten des Lobenden angenommen werden. Eher nicht bereichernd und förderlich gestaltet sich die Situation, wenn über das reine Loben hinausgehende Absichten oder auch nur die Sorge vor solchen die positive Wirkung beeinträchtigen. Vor allem in asymmetrischen, hierarchischen oder organisationalen Kontexten sollte Lob daher stets bewusst, sensibel, transparent und zudem möglichst gleichmäßig ausgesprochen werden, um nicht die Befürchtung zu erwecken, eine überlegene Position systematisch, zum Vorteil einiger, zu Lasten anderer oder gar manipulativ zu benutzen. Es ist also auch klar von Feedback als Führungsinstrument zu unterscheiden, mit dem häufig auch Verbesserungspotenziale aufgezeigt, Verhaltensänderungen oder Leistungssteigerungen bewirkt werden sollen. Antje Spielbauer faszinieren und begleiten seit ihrer ersten Ausbildung in Mediation die der Gewaltfreien Kommunikation innewohnende Wahrhaftigkeit, Verantwortung und gleichzeitige Freiheit. QR-Code zur Langfassung des Textes 19
Die Kunst des Lobens Loben ist eine Kunst, die Achtsamkeit, Kommunikationsgeschick und Authentizität erfordert, meint Margit Braun. Für ein gelungenes Lob braucht es die richtige Mischung aus Timing, Ausdruck und Tiefe. Wer freut sich nicht über ein Lob? Wie hoch wäre Ihre Freude auf einer Skala von eins bis zehn, wenn Sie an ein kürzlichvon einem Mitmenschen erhaltenes Lob denken? Lob und Wertschätzung können beflügeln, besonders, wenn sie das linke Ohr erreichen, denn laut einer Studie der Sam Houston State University kann sich dies dort zu 70 Prozent ins Gedächtnis einprägen, beim anderen nur zu 58 Prozent. Der Grund dafür liegt in der engen Verbindung des linken Ohrs mit der rechten Gehirnhälfte, die für einen Großteil unserer Emotionen verantwortlich ist. In welches Ohr auch immer es gesprochen wird, ein Lob wirkt beim Gegenüber sicher wohltuend und entfaltet seine positive Kraft. Doch kann diese Annahme wirklich verallgemeinert werden? Lassen Sie folgende Formulierungsbeispiele des Lobes auf sich wirken: „Deine Arbeit war heute gut!“, oder, „Mir hat gut gefallen, wie du heute deine Erfahrungen in die Gesprächsrunde eingebracht hast. Ich konnte dabei erleben, dass sich die Perspektiven der anderen erweitert haben, und dadurch die Motivation aller, weiter am Projekt zu arbeiten, gestiegen ist.“ Wie würden Sie diese beiden Lobe im Arbeitskontext auf Ihrer oben erwähnten Skala einordnen? Überprüfen können Sie auch Ihre Reaktion auf folgende Beispiele aus dem Freundschaftskontext: „Was ich noch sagen möchte, das Gespräch mit dir gestern war gut“, oder: „Das Gespräch mit dir gestern hat mir sehr geholfen. Indem du mir neue Perspektiven aufgezeigt hast, konnte ich heute viel ruhiger in die Situation mit meinen Eltern gehen”. Vielleicht ist Ihnen bei dieser kleinen Übung aufgefallen, dass konkret formuliertes Lob besSCHWERPUNKT
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