Jesuiten 2025-2 (Schweiz-Ausgabe)

Das Lob der leidenden Schöpfung Die Schöpfung leidet, und wir mit ihr. Klimawandel, Artensterben, Umweltzerstörung – all das kann lähmen. P. Fabian Moos SJ zeigt, wie Loben inmitten der Krise zu einer Kraftquelle für unser Handeln werden kann. „Was liebst du daran, Teil von Gottes Schöpfung zu sein?“ Diese Frage stelle ich gerne im Rahmen einer Dankbarkeitsübung in meinen Workshops. Und bei vielen Menschen fängt es spontan an zu sprudeln: die Freude am Spaziergang im Waldstück nebenan. Der Gesang der Amseln im Garten. Der Dank für das leckere Dinkelvollkornbrot und so viele Nahrungsmittel, die uns die Schöpfung bereitwillig zur Verfügung stellt. Der eigene Leib mit den Sinnen, die uns mit anderen verbinden und so viel Schönes wahrnehmen lassen. Die Freude an der mühsamen Gartenarbeit mit den eigenen Händen, auch wenn die Tomaten nicht immer so wollen, wie sie sollen. Der aufmerksame Blick des eigenen Hundes. Die majestätische Lieblingsbuche neben dem Haus, die schon so viel miterlebt hat … Sicher könnten Sie die Liste für sich selbst fortsetzen und ins Erzählen kommen. Etwas lieben ist das eine, diese Liebe auch auszudrücken, in Worten, Bildern, Bewegung oder wie auch immer, geht noch einen Schritt weiter und erdet uns oft, bringt uns zum Wesentlichen zurück, lässt spontan Vertrauen entstehen. Das Loben ist eine feine Sache. Wenn es stimmt, was Ignatius sagt, nämlich dass das Loben unabdingbar zum menschlichen Lebenssinn gehört („Der Mensch ist geschaffen dazu hin, Gott Unseren Herrn zu loben …“), dann sollten wir uns dafür auch Zeit nehmen. Für mich war es eine theologische Entdeckung, dass die ganze Schöpfung eine Art umfassender „Lobzusammenhang“ ist, und dass wir als Menschen berufen sind, uns darin einzuklinken. Die Schöpfung lobt Gott schon längst, bevor es die Menschen tun. „Alles, was atmet, lobe den Herrn“, singt Psalm 150, das fulminante Finale des hebräischen Gebetbuchs, aus dem auch heute noch Judentum und Christentum ihr Gotteslob gestalten. Auch für den Kirchenvater Gregor von Nazianz war klar, dass alle Geschöpfe auf Gott ausgerichtet sind und ihn allein durch ihr Dasein feiern. „Das Lob der Schöpfung“ heißt dann, dass das Lob Gottes von der Schöpfung ausgeht, dass sie das Subjekt des Lobens ist. Doch auch in der anderen Bedeutung des Ausdrucks stimmt es: Wir Menschen dürfen die Schöpfung loben, weil sie eine Gabe des Schöpfers ist und auf ihn verweist. Und weil man ihn selbst in ihr finden kann. In dieser Perspektive gibt es nicht erst das Lob Gottes und dann – eventuell, wenn noch Zeit und Lust übrig ist – eines für die Schöpfung. Nein, denn dass es mich gibt und dass ich Atemzug um Atemzug Leben in mir habe, verdanke ich dem Schöpfer und dem lebendigen Schöpfungszusammenhang zugleich. Wenn ich dem Lob der Schöpfung Raum gebe, werde ich mir dieser Verbundenheit bewusst, die mich schon immer getragen hat. Das hat etwas Befreiendes. Ich habe viel mit Menschen zu tun, die sich für einen sozial-ökologischen Wandel einsetzen. Vielen davon geht es so, dass sie immer wieder von der emotionalen Wucht der Klimakatastrophe und des sechsten MassenausBild: © Panka Chirer-Geyer: Flow (Auscschnitt) 12 SCHWERPUNKT

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