Zwischen Apokalypse und Paradies Wer nach Lob sucht, wird in Kommentarspalten sozialer Medien selten fündig. Dennoch macht Meike Kohlhoff überraschend schöne Erfahrungen beim Moderieren und kann auch mal lachen. „Wer hat denn angefangen und mich Bienchen genannt?“ Ich bin mal wieder im Kindergarten, denke ich. Aber immerhin ohne Magen-DarmGrippe, Kopfläuse oder was sonst so grassiert. Denn in Wahrheit bearbeite ich gerade nur die Kommentare unserer Userinnen und User auf Facebook. Seit mehr als sechs Jahren tue ich das jetzt schon bei katholisch.de, und täglich grüßt das Murmeltier: Irgendjemand beschwert sich, weil ein anderer User ihn geduzt hat („Diese Nähe zu Ihnen ist mir peinlich.“) und jemand anderem gefällt der Haarschnitt vom Autor eines Artikels nicht („Nicht mehr selbst Haare schneiden?“). Darauf hole ich mir erstmal einen Espresso, während ich mir überlege, ob ich nicht selbst mal wieder zum Frisör müsste. Wie jeden Tag muss ich auch an diesem noch viel Schlimmeres lesen: Sexismus, Beleidigungen, Diskriminierung. Ich versuche also zu deeskalieren, Menschen mit ihren Beschwerden ernst zu nehmen (auch wenn mir das bei Kommentaren wie „Zensur!? Warum darf ich hier den Antichristen nicht piesacken, laaaangweilig!“ manchmal schwerfällt) und eine Umgebung zu schaffen, in der man wenigstens einigermaßen konstruktiv diskutieren kann. Aber nicht mein ganzer Tag ist ernst und grau, ich habe auch etwas zu lachen – nämlich, als ich eine Anfrage vom Jesuiten-Magazin bekomme. Ich soll über Lob auf Social Media schreiben. Na, das wird ein kurzer Text. Ich schiebe die Mail erst einmal beiseite. Unbewusst scheint sie meine Arbeit aber doch zu beeinflussen, denn mir fällt plötzlich etwas auf. Da ist zum Beispiel dieser Satz: „Ich sage sowas selten, weil es dank der Moderation in dem Ausmaß selten vorkommt, aber Ihre Kombination aus Ahnungslosig- und Redseligkeit macht Sie zu einem Dummschwätzer.“ Versteckt sich da etwa ein Lob an uns Moderatoren unter der Beleidigung? Und was sehe ich da: „Ganz dumm ist er nicht.“ Vielleicht wird mein Text doch nicht so kurz. Auf Instagram wird es dann noch deutlicher. „Eure Seite hat mir gezeigt, dass Glaube nicht ‚verstaubt‘ ist.“ Nicht nur wir werden gelobt, die Menschen sind allgemein freundlicher zueinander, spenden zum Beispiel Trost, wenn jemand über ein schlimmes Erlebnis berichtet. Und dann ist da noch unser YouTube-Kanal „Gebetsraum“. Gegen Facebook klingt die Kommentarsektion hier wie ein Hort der Liebe und des Respekts. Und das meine ich jetzt nicht einmal übertrieben. Ich erinnere mich, dass sich hier sogar alte Schulfreunde wiedergefunden haben. Menschen kommentieren eher, wenn sie etwas stört, als wenn sie etwas gut finden. Viele Menschen sind verunsichert und finden nur Social Media kann Menschen eine Stimme geben und bestärken, die sonst nicht gehört würden. 6 SCHWERPUNKT
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