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Aus vier wird eins

Zur künftigen Provinz-Vereinigung

Für den 27. April 2021 ist geplant, dass die bisherige Deutsche, Schweizer, Österreichische und Litauische Provinz zur Zentraleuropäischen Jesuitenprovinz (lateinisch Europa Centralis, abgekürzt ECE) zusammengelegt werden. Was ist eine Provinz und was geschieht durch die Vereinigung?

Seit den Bettelorden des 13. Jahrhunderts haben praktisch alle zentralen Orden eine Dreigliederung: Es gibt den weltweiten Gesamtorden. Er ist (oder sollte sein) die primäre Heimat und Identität des Mitglieds: Man tritt nicht in ein Kloster ein, sondern in eine weltweite Gemeinschaft. Darunter sind die Provinzen, und darunter die einzelnen Kommunitäten am Ort (manchmal auch mehrere an einem Ort, wie zurzeit noch in Frankfurt, Berlin, Köln, Nürnberg, München, Wien). Die Provinzen sind also ein Zwischenglied zwischen dem Haus und der Welt. Sie gehören schon etwas mehr zur dauernden Identität des Jesuiten: Man tritt rechtlich in eine Provinz ein und gehört ihr normalerweise bis zum Tod an, auch wenn man lebenslang außerhalb der Provinz (zum Beispiel in Rom) lebt und arbeitet. Es gibt aber auch Fälle, wo man auf Dauer einer anderen Provinz zugeschrieben wird − dies geschieht normalerweise bei Mitbrüdern, die in die Missionen gehen. Die Provinzen sind im Jesuitenorden freilich keine Selbstverwaltungskörperschaften wie zum Beispiel bei den Dominikanern, sondern Verwaltungseinheiten: Ihre Provinzobern (Provinziäle) werden nicht gewählt, sondern vom Generalobern ernannt, freilich heute aufgrund einer breiten Konsultation aller Mitbrüder. Der Provinzial der neuen Mitteleuropäischen Provinz ist bereits ernannt: Es ist Bernhard Bürgler, der bisherige österreichische Provinzial. Sein Sitz wird in München sein.

Der Provinzial hat vor allem zwei Aufgaben, die beide eng miteinander zusammenhängen, konkret aber auch in Konkurrenz stehen können. Die eine ist die Provinzplanung und vor allem die Destination der Mitbrüder zu ihren Aufgaben, also die äußere Regierung der Provinz. Die andere ist die persönliche Leitung und das persönliche Gespräch. Alles hängt daran, dass man dem Obern und auch dem Provinzial nicht nur „amtlich” begegnet, sondern auch seine persönlichen Probleme mit ihm bespricht, was natürlich ein wechselseitiges Vertrauensverhältnis voraussetzt. Dies geschieht vor allem bei den „Visiten” des Provinzials in den einzelnen Kommunitäten. Die Aufgabe der Provinzplanung erfordert meist möglichst große Provinzen. Für die persönliche Begleitung darf aber die Provinz nicht zu groß sein. Diese persönliche Begleitung „Delegaten” (Beauftragten des Provinzials)  zu übertragen, ist keine gute Lösung, wenn diese keine reale Entscheidungsvollmacht haben; denn die immer wieder beschworene persönliche („väterliche”), also nicht anonym-bürokratische Regierungsweise der Gesellschaft Jesu setzt voraus, dass man mit dem spricht, der die Entscheidungen trifft. Das heißt nicht, dass er zu allem Ja sagt; aber dann muß er persönlich zu seinem Nein stehen! Hier wird es sicher in der neuen ECE-Provinz Probleme geben.

Veränderungen der Provinzeinteilung gab es bis 1967 nur als Teilung, weil der Jesuitenorden bis dahin in ständigem Wachstum begriffen war. Seit 1965 setzte der Schrumpfungsprozeß ein und seitdem (zuerst 1967) auch die Zusammenlegung zu größeren Einheiten. Mit diesen Provinz-Vereinigungen hat man unterschiedliche Erfahrungen gemacht, und manchmal kommt man nicht darum herum, neue Zwischeneinheiten zu bilden. Die gegenwärtige Situation ist die, dass die Deutsche Provinz mit noch etwa 300 Mitgliedern für sich noch lebensfähig wäre, die Österreichische, Schweizer und Litauische mit jeweils unter 60, 50 und 40 aber nicht.

Diese vier Provinzen, die sich jetzt vereinigen, haben in der neuen Gesellschaft Jesu (seit 1814) unterschiedliche Genealogien. Die Deutsche gehört mit der Schweizer und Litauischen zu einem Strang, die Österreichische zu einem andern. Dier erste Strang geht zurück auf einen „Jesuitenersatz”, der in Italien entstand, als der Jesuitenorden gesamtkirchlich nicht existierte, auf die „Väter des Glaubens”, von denen einige in Sitten (Wallis), zunächst geheim, sich 1810 an die in Rußland legal fortexistierenden Jesuiten anschlossen. Sie entfalteten sich dann in der Schweiz, dann seit 1849 auch in Deutschland. Die so entstandene Deutsche Provinz wurde 1921 in zwei geteilt: die Niederdeutsche (Sitz in Köln) und Oberdeutsche (Sitz in München); 1931 kam noch die Ostdeutsche (Sitz in Berlin) hinzu. Von ihnen spaltete sich 1930 die Litauische und 1947 die Schweizer ab. Die drei deutschen Provinzen wurden 1978 (Vereinigung der Ostdeutschen und Niederdeutschen zur Norddeutschen) und 2004 (deutsche “Wiedervereinigung” von Nord und Süd) wieder zusamengelegt. Einen anderen Ursprung hat die Österreichische Provinz: Sie geht direkt auf die in Rußland fortexistierenden Jesuiten zurück. 1820 wurden nämlich die Jesuiten auch aus Rußland vertrieben, und einige von ihnen, vor allem polnischer Herkunft, fanden Zuflucht im damals österreichischen Galizien (Südpolen).

Provinz-Vereinigung oder -Teilung bedeutet normalerweise für den einzelnen Jesuiten nichts Existenzielles. Aber als 1907 die deutsche Buffalo-Mission unter die beiden amerikanischen Provinzen, die Maryland- und Missouri-Provinz, aufgeteilt wurde, schrieb ein Pater, man nötige ihn noch auf seine alten Tage zu heiraten: Entweder die “Miss Ouri” oder die “Mary Land”. Mit wem verkoppelt man uns nun? Mit dem „I(E)CE”?

Autor:

Klaus Schatz SJ

Pater Klaus Schatz SJ trat 1962 in den Jesuitenorden ein und studierte zunächst in Münster und Sankt Georgen. 1975 erwarb er ein Doktorat für Kirchengeschichte an der römischen Gregoriana-Universität und lehrte im Anschluss an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Der emeritierte Professor hat zahlreiche grundlegende Werke zur Geschichte des Ersten Vatikanischen Konzils (1869-1870) und zum päpstlichen Primat verfasst. Zu seinen Hauptwerken zählt aber auch der Band „Allgemeine Konzilien – Brennpunkte der Kirchengeschichte“ (1996). 2013 legte Schatz eine fünfbändige „Geschichte der deutschen Jesuiten“ von 1814 bis 1983 vor. Zuletzt veröffentlichte er die spannungsreiche Geschichte der Jesuiten in der Schweiz, in Österreich und in Schweden. Er lebt im Peter-Faber-Haus in Berlin-Kladow.

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