• Trystan Stahl bei der Kirchenführung in St. Canisius.
  • Pater Richard Müller SJ (r.) am Büchertisch der INIGO Medien GmbH.
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Begegnungstag in Berlin: Kirche soll mutig Stellung beziehen

Berlin - Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am diesjährigen Begegnungstag der "Freunde der Gesellschaft Jesu e.V." in Berlin waren sich sehr einig: Ja die Kirche polarisiert. Die rund 50 Zuhörenden, die sich in der Jesuiten-Pfarrei St. Canisius am vergangenen Samstag versammelt hatten, diskutierten lebhaft darüber, ob die Kirche dies soll oder darf. Die Referenten hingegen gaben jeder für sich und seinen Arbeitsschwerpunkt ein klares Votum für das Einmischen und das Stellung-beziehen.

Der Sozialwissenschafter und Jesuit Michael Hainz SJ (Leipzig), der in seinen religionssoziologischen Forschungen gerade auch die osteuropäischen Nachbarländer in den Blick nimmt, zeigte anschaulich an vielen Beispielen, die Realität. Das Vordringen von Rechtspopulisten dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, woran es hapert: Es fehle die universale Dynamik des katholischen Gemeinwohlprinzips; es gebe keine ernsthaften sozio-ökonomischen Themenansätze (Beispiel Kindergeld oder Renten). Statt sozialer Gerechtigkeit und Gottesebenbildlichkeit werde diffamiert und ausgegrenzt, kritisierte Hainz. Ein Kennzeichen rechtspopulistischer Parolen sei, dass dämonisiert und alles schlechtgeredet werde. Der in Europa aufkeimende Rechtspopulismus stehe im krassen Gegensatz zum katholischen Gemeinwohlprinzip und stelle die Kirche vor eine Reihe von "Hausaufgaben", stellte der Jesuit fest. Seine Forderungen: Christen müssten sich einer wertschätzenden Sprache bedienen, den Dialog suchen, Stellung beziehen, dabei aber Fairness zeigen, überhaupt versuchen, den Verunsicherten die Angst zu nehmen und in der Kirche eine Heimat, einen sicheren Ort anzubieten. Das sei die Herausforderung für die heutige Pastoral.

Das Stichwort offener Dialog griff Pater Bernd Hagenkord SJ (Rom) auf. Der Leitende Redakteur von Vatican News provozierte gleich mit der Feststellung: "Wir glauben, dass wir nicht polarisieren". Und er erklärte: "Wir sind überzeugt Partei, wollen aber, dass sich die Hörerinnen und Hörer selbst eine Meinung bilden können." Das Polarisieren und die Panikmache gehöre bei den Medien zum Geschäftsmodell. Er versuche daher mit seinem Team "weiterhelfende" Nachrichten zu bringen, das heiße auch, nicht jede Nachricht bringen, sondern Nachrichten bewusst auswählen, aber auch negative Nachrichten nicht verschweigen. Pater Hagenkord verschwieg deshalb nicht, dass es polarisierende Medien auch innerhalb der Kirche gebe, etwa kreuz.net, ein Nachrichtenportal, das inzwischen vom Netz genommen wurde. Jesus polarisiere, so Hagenkord, somit dürften auch kirchliche Medien nicht davor zurückschrecken, Stellung zu beziehen, dabei aber selber Fragen stellen und Polarisierung erkennen und beim Namen nennen. Seine Überzeugung lautet: "Wir müssen ehrlich und nachvollziehbar berichten."

Die politische Debatte über Flucht und Asyl verlaufe überwiegend negativ, obwohl sich Hunderttausende Ehrenamtliche in diesem Bereich engagieren, bemerkte die Öffentlichkeitsreferentin Dr. Dorothee Haßkamp vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS). Der negativen Schlagseite tritt der JRS mit positiven Beispielen entgegen, wie im Kurzfilm über den Jesuiten Frans van der Lugt SJ in Syrien, der über seinen Tod hinaus auch in Deutschland Menschen inspiriert. Der 2014 in Homs erschossene Priester und "Mann des Friedens" wurde nicht nur Namensgeber für zwei JRS-Projekte in Essen und München. Er motiviert Geflüchtete aus Syrien, in Deutschland Menschen in all ihren Unterschieden durch gemeinsames Wandern und Erleben zusammenzubringen. Von konkreten Schicksalen berichtete Schwester Regina Stallbaumer sa, die für den JRS wöchentlich in die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt fährt. "Die Menschen, die ich dort treffe, passen in keine Schublade, wie populistisches Denken das möchte", meint sie. "Ich begegne dort Leuten mit tollen Fähigkeiten und Potenzialen, die sie hier oft nicht einbringen dürfen." Ihre Erfahrung: "Da, wo ich den ganzen Menschen sehe, gibt es keine Spaltung mehr, da suche ich Wege, die der Würde des Menschen gerecht werden." Da die gesetzlichen Regelungen dem Einzelfall nicht immer gerecht werden, wünscht sie sich flexiblere Lösungen.

Ebenso provokant war schließlich die Präsentation von Trystan Stahl, der sich als Politikwissenschaftler und neben seinem Kirchenrechts-Studium in der Gemeinde St. Canisius engagiert. Er ging der Frage nach, ob sich die Kirche in einem Staat mit demokratischer Verfassung herausnehmen darf, "es besser zu wissen". Gibt es ein Recht oder gar eine Pflicht, sich einzumischen oder soll die Kirche sich lieber auf die Fragen des Glaubens beschränken? Anhand einiger Kirchenasyl-Fälle zeigte Stahl, dass es in der deutschen Justiz Entscheidungen gebe, die an der Unvoreingenommenheit eines eigentlich unabhängigen Richters oder Gutachters Zweifel wecken. Diese Beispiele seien Grund genug, dass weder Kirche noch Gesellschaft schweigen dürften.

Fazit des Begegnungstages: Angesichts der zunehmenden Polarisierungen in Kirche und Gesellschaft ist die Hausaufgabe für jeden Christen: mit Fairness in den Dialog gehen und menschenverachtenden Parolen oder Schlechtrednern mutig mit der frohen Botschaft entgegentreten.

Brigitte Schmitt, Assistentin Fundraising

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