• Papst Franziskus und Pater Adam Zak SJ (im Hintergrund der deutsche Jesuit P. Hans Zollner SJ).
  • Pater Adam Żak SJ bei einem Vortrag (© SJ-Bild/jezuici.pl)
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"Bei Missbrauch nicht nur Kirche betrachten"

Krakau (KNA) In Polen will die katholische Kirche gemeinsam mit der Regierung eine nationale Strategie für den Schutz von Kindern vor sexueller und anderer Gewalt entwickeln. "Das wäre auch der richtige Rahmen, um die Modalitäten der Aufarbeitung des Missbrauchs in der Kirche und in der Gesellschaft anzugehen", sagte der Koordinator für Kinder- und Jugendschutz bei der Polnischen Bischofskonferenz, Pater Adam Zak SJ, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Eine solche Kommission dürfe nicht nur die Kirche betrachten. In dem Interview erläutert der Jesuit, wie die Kirche auf die Entschädigungsforderungen von Missbrauchsopfern reagiert.

Pater Zak, die Polnische Bischofskonferenz ermittelt derzeit, wie viele Priester in den vergangenen Jahren Kinder sexuell misshandelt haben. Gibt es schon einen Zwischenstand?

Die Bischöfe haben im Herbst beschlossen, die Zahl der ihnen bekannten Täter zu ermitteln. Die Untersuchung umfasst die Zeit von 1990 bis Juni 2018. Die Diözesen und Ordensprovinzen sollten bis Ende November die Daten einsenden, und soweit ich weiß, haben die meisten ihre Formulare rechtzeitig eingesandt. Auf einige Ordensgemeinschaften musste man allerdings warten. Nach der Einsendung mussten noch in einigen Fällen klärende Fragen gestellt werden. Einen Zwischenstand gibt es nicht, und es wird ihn vor der Veröffentlichung sicher nicht geben.

Wann soll denn das Ergebnis der Untersuchung veröffentlicht werden?

Mit der Veröffentlichung wird man frühestens nach der Vollversammlung der Bischofskonferenz im März rechnen können. Vorausgesetzt natürlich, dass das mit der Datenanalyse beauftragte Institut damit fertig wurde und die Bischöfe selbst die Ergebnisse zur Kenntnis genommen und über ihre Veröffentlichung entschieden haben.

Oppositionspolitiker und Missbrauchsopfer fordern eine unabhängige Wahrheitskommission, die die Missbrauchsfälle in der Kirche aufarbeitet. Wie stehen Sie als Koordinator für Kinder- und Jugendschutz bei der Bischofskonferenzen dazu?

Meines Erachtens hat diese Forderung in ihrer jetzigen Form wenig Chancen auf Erfolg. Die wenigen Oppositionspolitiker, die diese Forderungen erheben oder unterstützen, wären glaubwürdiger, wenn sie bereit wären, sexuellen Missbrauch nicht nur als ein ausschließlich kirchliches, sondern auch als ein gesellschaftliches Phänomen anzugehen. Die Aufarbeitung ist in der polnischen Gesellschaft noch in der Anfangsphase. Erst Institutionalisierung schafft den Rahmen für eine erfolgreiche Aufarbeitung eines sozialen Problems.
Die polnische Regierung hat mehrfach den Vorschlag des staatlichen Ombudsmanns für Kinderrechte abgelehnt, gemeinsam eine nationale Strategie für den Schutz von Kindern vor Gewalt jeder Art zu entwickeln. Die Bischöfe unterstützen diesen Vorschlag. Das wäre auch der richtige Rahmen, um die Modalitäten der Aufarbeitung von Missbrauch in Kirche und Gesellschaft anzugehen. Die katholische Kirche ist die einzige gesellschaftliche Kraft im Land, die trotz allen internen Widerstands seit einigen Jahren die ihr bekannten Fälle aufarbeitet und auch die Prävention vorantreibt. Der Staat setzt vor allem auf die Verschärfung des Strafrechts. Im Jahr der Europa- und Parlamentswahlen in Polen ist das Thema "Missbrauch in der Kirche" ein Politikum.

Der Bischofskonferenz-Vorsitzende Erzbischof Stanislaw Gadecki hat sich im Januar mit Missbrauchsopfern getroffen. Worum ging es bei dem Gespräch?

Die Gespräche von Erzbischof Gadecki mit den Opfern dauern an. Es sind Einzelgespräche, die - wie es scheint - wegen der Nachfrage länger dauern werden als vorher gedacht. Der Erzbischof nimmt sich Zeit dafür. Sie werden gut angenommen. Es gibt keine vorgegebenen Themen, wohl aber eine Regel: zuhören.

Der polnische Orden "Gesellschaft Christi für Emigrantenseelsorge" musste im Herbst die Rekordentschädigung von 230.000 Euro an eine Frau zahlen, die als Kind mehrfach von einem Ordensmann vergewaltigt wurde. Der Orden klagt nun vor dem Obersten Gerichtshof in Warschau gegen das Urteil. Lehnt die Kirche in Polen es ab, Schmerzensgeld an Opfer zu zahlen?

Das Urteil war ein Schock für viele kirchliche Oberen. Eine innerkirchliche Debatte über Schmerzensgeld für Missbrauchsopfer gab es nicht. Es gibt noch andere hohe Entschädigungsforderungen, über die die Gerichte entscheiden werden. Es gibt aber auch viele Opfer, die wegen Verjährung ihre Ansprüche nicht geltend machen können. Eine Debatte über Schmerzensgeld wird eines Tages stattfinden müssen.

Was unternimmt die Kirche in Polen heute dafür, dass Kinder und Jugendliche nicht misshandelt werden?

Die Bischofskonferenz hat 2014 zusammen mit den Richtlinien für den Umgang mit gemeldeten Missbrauchsfällen auch eine Rahmenordnung für die Prävention verabschiedet. Alle kirchlichen Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, müssen klare Normen zur Missbrauchsprävention erfüllen. Sie sollen die Kirche zu einem sicheren Raum für Minderjährige machen. Der Aufbau der Prävention ist jetzt die Hauptaufgabe des Zentrums für Kinderschutz an der Jesuitenhochschule in Krakau. Wir schulen intensiv Präventionsteams, die die Bischöfe für diese Aufgabe berufen haben. Diesem Zweck dient auch das Postdiplomstudium, das wir schon zum zweiten Mal am Zentrum für Kinderschutz in Krakau anbieten.

Autor:

Adam Żak SJ

Pater Adam Żak SJ ist seit 2013 Koordinator für Kinder- und Jugendschutz bei der Polnischen Bischofskonferenz. Gegenwärtig leitet der promovierte Philosoph im Auftrag der Bischöfe eine landesweite Untersuchung, wie viele katholische Geistliche von 1990 bis Juni 2018 Kinder sexuell missbraucht haben. 2014 gründete Zak an der Krakauer Jesuitenuniversität Ignatianum ein Kinderschutzzentrum, das er seither leitet. Das Zentrum entwickelte Präventionsprogramme gegen sexuellen Missbrauch und schulte bislang rund 3.000 Priester und Mitarbeiter von kirchlichen Einrichtungen. Von 1996 bis 2002 war er Provinzial der südpolnischen Jesuitenprovinz und von 2003 bis 2012 Assistent des Generaloberen in Rom.

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