• Bilder der Verwüstung in der Residenz der Jesuiten in Beirut.
  • Bilder der Verwüstung in der Residenz der Jesuiten in Beirut.
  • Explosion im Hafen von Beirut: die schwerste Krise seit Ende des Bürgerkriegs. F: VOA (Public Domain)
  • Notoperationen auf den Gängen im schwer beschädigten Krankenhaus Hôtel-Dieu de France.
  • Marc-Stephan Giese SJ hier in Stockholm. (Archiv)
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Beirut: "Schlimmer als der Bürgerkrieg"

Am 4. August erschütterte eine riesige Explosion die Stadt Beirut, zerstörte alles im näheren Umfeld und machte beinahe 300.000 Tausend Menschen obdachlos. Was die verheerende Explosion für das Land bedeutet, hat Marc-Stephan Giese SJ aufgeschrieben, der mehrere Jahre dort gelebt hat.

Die Bewohner von Beirut sind so einiges gewohnt. Doch die schwere Explosion, die sich am vergangenen Dienstag gegen 18 Uhr ereignete, hat die Stadt in einen tiefen Schockzustand versetzt. „Das ist schlimmer als der Bürgerkrieg“, hört man auf den Straßen. Dieses „das“ ist nicht nur die Explosion, die Scherben überall, die über 130 Toten und die vielen Tausend Verletzten, sondern es ist auch die politisch und ökonomisch kritische Situation im Land. Diese hatte sich durch die Corona-Epidemie nur noch weiter zugespitzt und die jetzt im Ausnahmezustand gänzlich außer Kontrolle zu geraten droht.

Schwere Schäden in jesuitischen Einrichtungen

Auch die Einrichtungen der Jesuiten in Beirut wurden schwer beschädigt. Die Jesuiten haben im Stadteil Aschrafieh nur etwa 2 km vom nun zerstörten Hafen entfernt ihr Zentrum ihrer Aktivitäten. Pater Nader Michel SJ, Assistent des Provinzials der Nahostprovinz der Jesuiten berichtet von den Schäden: „Am Dienstag nahmen wir gegen 18 Uhr Ortszeit unweit unserer Residenz eine sehr laute Explosion wahr. Eine große schwarze Rauchwolke stieg in den Himmel, dann wurde das ganze Gebäude schwer erschüttert, die Fenster und Türen rissen aus den Wänden, Zwischendecken stürzten auf den Boden. Ein Bild der Verwüstung und massiven Zerstörung überall in unserem 11-stöckigen Gebäude. Auch der Gemeindesaal und das College-Gebäude wurden schwer beschädigt. Zum Glück haben wir nur zwei Leichtverletzte.“ Neben der Universität Saint-Joseph betreiben die Jesuiten auch ein das Krankenhaus Hôtel-Dieu de France. Trotz gewaltiger Gebäudeschäden arbeitet das medizinische Personal dort mit Hochdruck an der Behandlung Hunderter Verletzter. Um die katastrophale Situation zu meistern, sind die Jesuiten vor Ort dringend auf Unterstützung angewiesen.

Eine wirtschaftliche und eine menschliche Tragödie

Derweil regiert in Beirut das schiere Chaos, beschreibt Michel die Situation: „Überall sieht man zerbrochene Fenster, mit Glas übersäte Straßen, und man hört nur die Sirenen der Krankenwagen. Die Stadt steht unter Schock.“ Aber das Ausmaß der Tragödie wird erst bei einem Blick auf die Gesamtsituation deutlich. Im vergangenen Jahr gab es friedliche Demonstrationen gegen die korrupte politische Klasse, die langangekündigte Reformen im politischen und wirtschaftlichen System immer wieder verschleppt hatten. Auch die neue Regierung, die zwar nominell aus Technokraten besteht, konnte bisher - auch durch Corona - nur wenig ausrichten, um den wirtschaftlichen Verfall aufzuhalten, so dass die libanesische Währung allein in diesem Jahr 85% an Wert verlor. Auch die Rolle der schiitischen Hizbullah, die insbesondere den Süden des Landes kontrolliert, ist ambivalent zu sehen. Schließlich leben im Libanon bei vier Millionen Einwohnern etwa zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien und aus Palästina. Zu all dem kommt nun auch noch die Explosion, die neben den Toten und Verletzten, teils erhebliche Schäden an Gebäuden und in den Straßen in der halben Stadt hervorgerufen hat. Nach Angaben des Wirtschaftsministers ist auch ein Großteil der libanesischen Getreidevorräte zerstört. Doch neben der wirtschaftlichen Tragödie, ist die Explosion vor allem eine menschliche: „Es ist leichter, die Gebäude zu reparieren als die seelischen Wunden zu heilen“, sagt Pater Michel.

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