Das Aloisiuskolleg ist eine Schule, die nach christlichen Grundsätzen geführt wird. Kommt dort Mobbing überhaupt vor?
Viktoria Streicher (Schülerin der 9. Klasse und Streitschlichterin): Mobbing kann man nicht immer sehen. Es findet schließlich über Wochen, Monate oder Jahre statt und das heißt eben, dass es nicht bemerkt wird. Man kriegt zwar mit, welche Schüler eher „auf den Arm genommen“ werden und welche nicht. Das findet aber meist nur einmalig statt und ist damit kein Mobbing. Meiner Meinung nach ist Mobbing bei uns aber kein Problem. Für meine Klasse bin ich mir da sicher. Obwohl man in der Corona-Krise mit Distanzunterricht vielleicht gar nicht mitbekommt, wer etwa online gemobbt wird.
Scholz: Viktoria hat etwas sehr Wichtiges angesprochen: Mobbing läuft meist unglaublich subtil ab, sodass wir Lehrer nichts davon mitbekommen. Wir sind darauf angewiesen, dass die Schüler wissen, was Mobbing ist, und dass es nicht in Ordnung ist, wenn jemand über einen längeren Zeitraum geärgert wird. Meistens gibt es zwei oder drei Täter und nur einen Betroffenen. Einige Schüler nehmen am Mobbing als Mitläufer teil, andere sagen schlicht nichts dagegen und es gibt auch die „Mitleider“, die Mobbing sehen und selbst darunter leiden. Das sind oft diejenigen, die sich an unser Anti-Mobbing-Team wenden.
Streicher: Der gemeinsame Austausch ist an unserer Schule sehr wichtig. Einmal in der Woche gibt es den Klassenrat, bei dem wir uns in einen Kreis setzten und auch über Streitigkeiten sprechen. Die Woche über kann man Zettel in einen Briefkasten legen, und so die Themen bestimmen, über die beim Klassenrat besprochen werden. Außerdem haben wir uns in einem Modul damit beschäftigt, was Mobbing eigentlich ist und wie es verhindert werden kann.
Scholz: Die Schüler können selbst gar nicht viel machen können, um Mobbing zu verhindern. Aber es gibt in der Schule Ansprechpartner, an die sie sich wenden können. Der Klassenrat und das Anti-Mobbing-Programm dienen der Gewaltprävention am Aloisiuskolleg. Im Zuge des Bekanntwerdens von Missbrauch vor etwa zehn Jahren haben wir geschaut, was hier schiefläuft und wo Strukturen nicht transparent sind. So gab es etwa keine richtige Beschwerdekultur an der Schule.
Was passiert konkret, wenn herauskommt, dass ein Schüler gemobbt wird?
Scholz: Es gibt ein Anti-Mobbing-Team, das aus zwei Kollegen besteht, die speziell zu diesem Thema fortgebildet wurden. Sie arbeiten nach einem sehr erfolgreichen Modell aus England, dem „No Blame Approach“. Das Besondere daran ist, dass den Tätern keine Vorwürfe gemacht werden. Wir wollen sie auf die unsere Seite ziehen und ihr schlechtes Verhalten stoppen. Denn das ist es auch, was die Betroffenen möchten. Meiner Erfahrung streben sie nicht so sehr Rache an – das wollen eher die Mitschüler, Kollegen und Eltern. Wenn man die Täter bittet, sich Gedanken zu machen, wie man etwas zum Vorteil der Betroffenen verändern kann, gelingt das in den allermeisten Fällen.