„Man braucht ein ganzes Menschenleben, um Rom kennenzulernen“, sagt P. Eberhard Gemmingen SJ, „und dann kennt man es immer noch nicht.“ 27 Jahre lang hat er in Rom gelebt und leitete die deutschsprachige Redaktion von Radio Vatikan. 27 Jahre lang hat er die Stadt kennen und lieben gelernt. Dass seine Seele in Rom geblieben ist, wie er von sich sagt, verwundert nicht. Für die „Pilger der Hoffnung“ im Heiligen Jahr verrät Pater Gemmingen seine Lieblingsorte in der ewigen Stadt.
Pater Gemmingen, was sollten sich die „Pilger der Hoffnung“ nicht entgehen lassen, wenn sie in Rom angekommen sind?
Sie sollten sich vor allem gut vorbereiten. Pilger der Hoffnung sollten Orte anschauen, die gerade für Pilger besonders schön und wichtig sind. Dazu muss man vorbereitet sein und wissen, wann zum Beispiel Kirchen geschlossen sind. Dummerweise sind in Rom die meisten Kirchen von zwölf bis vier Uhr geschlossen. Lieber also früh aufstehen!
Natürlich sollte man vor allem besuchen: die Basiliken Sankt Peter, Santa Maria Maggiore und Sankt Paul vor den Mauern. Die Lateranbasilika – das ist die vierte Basilika – finde ich nicht so schön.
Warum gefallen Ihnen die anderen drei Basiliken besser?
Sie sind für mich einfach schön und wichtig. In Sankt Peter bewundere ich den Baldachin über dem Hauptaltar und die Kuppel. Man muss nicht hinaufsteigen, das kostet zu viel Zeit. Man sollte sich besonders die vier Statuen anschauen, die rund um den Hauptaltar in den Nischen unter der Kuppel stehen: die heilige Helena, der Soldat Longinus mit der Lanze, der Jesus die Seite durchbohrt hat, die heilige Veronika, die mit ihrem Tuch aus der Nische herausrennt, um Jesus in die ganze Welt zu tragen, und der heilige Andreas mit dem Andreaskreuz.
In Sankt Peter gibt es auch eine Sakramentskapelle, in die man nur hineingehen darf, um dort zu beten. Draußen steht ein Wächter, der schaut, dass die Touristen nicht reinkommen. Diese Sakramentskapelle wird gerne übersehen. Und dann ist natürlich hinten – wenn man reinkommt auf der rechten Seite – die Pietà von Michelangelo. Man darf sie nicht verpassen.
In Santa Maria Maggiore ist für mich das Wichtigste das Muttergottesbild im linken Seitenschiff, zu dem Papst Franziskus vor oder nach jeder Reise geht. Dieses Bild mit dem Titel „Salus Populi Romani“ hat mit St. Blasien zu tun, wo das Bild der wunderbaren Mutter hängt, eine Kopie des Bildes in Rom.
In Sankt Paul vor den Mauern ist links neben dem Hauptaltar die kleine Kapelle, in der Ignatius mit seinen ersten Gefährten die letzten Gelübde abgelegt hat. Diese Kapelle ist sehr wichtig. Extrem schön ist dort auch der Kreuzgang mit seinen wunderbaren Säulen und den Versen in Hexameter-Maß. Wenn man Latein kann, kann man sie im Rhythmus lesen.
Haben Sie Lieblingsorte in Rom?
Da ist Sant’Onofrio, eine kleine Einsiedelei oder ein Klösterchen, ganz nahe von Sankt Peter. Von der Via della Conciliazione geht es nach links, den Gianicolo hinauf, dann kommt ein schöner Vorplatz mit einem alten Baum, einem Brunnen und eine kleine Kirche mit Mosaik-Apsis und einem romantischen Innenhof. Alles sehr abgeschlossen und fern vom Lärm der Stadt.
Mich bewegt auch besonders die Kirche Santa Prassede, eine kleine, uralte Kirche in der Nähe von Santa Maria Maggiore. In Santa Prassede ist links eine Seitenkapelle mit himmlisch schönen Mosaiken. Nebendran befindet sich ein kleiner Winkel, in dem die Geißelsäule Jesu steht. Sie ist historisch wahrscheinlich nicht die Geißelsäule Jesu, aber sie wird als diese verehrt. Die Säule ist für mich sehr bewegend.
In der Jesuitenkirche Il Gesu gibt es eine Seitenkapelle mit dem Bild der Madonna della strada, das Ignatius besonders liebte. In Il Gesu wird am Abend eines bestimmten Tages der Woche – oder sogar täglich – der Vorhang vor der silbernen Ignatiusstatue hochgezogen und die Statue per Lautsprecher erklärt. Auch die Zimmer des heiligen Ignatius gleich nebendran sind sehr wichtig.
Neben den vielen Kirchen ist Rom bekannt für seine sieben Hügel. Welchen davon sollten die „Pilger der Hoffnung“ unbedingt erklimmen?
Wunderschön ist der Ausblick vom Gianicolo: Dort sieht man wunderbar auf Rom hinunter. Oben ist die Statue des Garibaldi, der gegen Kirche und Papst gekämpft hat.
Sehr schön ist es auch, auf den Aventin zu steigen: Man sieht einerseits auf den Zirkus Maximus und den Palatinhügel und andererseits auf den Tiber hinunter. Dort oben ist die Basilika Santa Sabina, wo die wahrscheinlich älteste Kreuzesdarstellung der Welt zu sehen ist. Aber wenn man nicht darauf hingewiesen wird, sieht man sie nicht leicht, denn sie ist klein und man muss wissen, wo man hinschauen muss.
Sie haben gerade schon einige weltliche Sehenswürdigkeiten genannt. Gibt es sonst noch etwas, das man sich bei einem Rom-Besuch nicht entgehen lassen sollte?
Das Pantheon ist ein Muss, auch wenn dort unendliche Massen sind. In der Nähe vom Pantheon liegt Santa Maria sopra Minerva, eine Marienkirche, über einem Minerva-Tempel erbaut. Sie war früher eine romanische Kirche, die im Barock umgestaltet wurde. Unter dem Altar ist die heiligen Katharina von Siena zu sehen.
Was ich bisher vergessen habe: die Engelsbrücke und die Engelsburg! Ich habe 27 Jahre lang von meinem Schreibtisch aus die Engelsburg gesehen. Die Engelsburg lieber nur von außen bewundern, denn reinzugehen kostet lange Zeit. Kaiser Hadrian hat sie sich als Grabmonument bauen lassen. Sie heißt Engelsburg, weil dort angeblich zum Ende der Pest ein Engel erschienen ist.
Ich sage ruhig: Man braucht ein ganzes Menschenleben, um Rom kennenzulernen, und dann kennt man es immer noch nicht.
Was macht Rom für Sie zu einer so besonderen Stadt?
Rom ist bekanntlich auf sieben Hügeln erbaut. Wenn man genauer zählt, sind es sogar mehr als sieben. Wenn man auf einem Hügel ist, sieht man in der Ferne auf den Abruzzen Schnee. Von Rom aus sieht man sehr viel mehr Schnee als von München: München ist – abgesehen von dem Isargraben – eben wie ein Brett. Die berühmten bayrischen Berge sind weit, weit weg und man sieht sie fast nie. Es ist weitgehend unbekannt, dass man von Rom aus hohe Berge sieht. Von Rom aus bin ich einmal im Monat in die Berge gefahren, nicht ans Meer, dann und wann auf den Gran Sasso mit fast 3.000 Metern Höhe. Um schönes Meer zu erleben, muss man 50 oder 100 Kilometer nördlich oder südlich von Rom fahren, nur nicht nach Ostia. Das Meer bei Rom ist stinklangweilig.
In Ihrem Buch „Mystiker, Exzentriker, Märtyrer“ nehmen Sie Ihre Leserschaft mit auf einen Rundgang durch Rom zu interessanten Persönlichkeiten der älteren und jüngeren Geschichte. Wen davon finden Sie mit Blick auf das Heilige Jahr besonders interessant?
Ich nenne einfach einmal ein paar Namen, kann aber nicht näher auf sie eingehen: Der konvertierte Anglikaner John-Henry Newman, die heilige Brigitta von Schweden, der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, der konvertierte Jude Alphonse Ratisbonne, die kleine heilige Theresia und viele andere.
Zum Heiligen Jahr unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ machen sich Millionen Menschen auf den Weg nach Rom. Wie kann man in der ewigen Stadt Hoffnung schöpfen?
Von nördlich der Alpen aus gesehen scheinen Rom und der Vatikan ein hoffnungsloser Fall: Im Vatikan sitzen nach dieser Ansicht immer nur Bremser und Dummköpfe. Wenn man in Rom ist und ein bisschen die Augen aufmacht, erkennt man: In Rom begegnet man vielen Persönlichkeiten und Heiligen, die einem wahnsinnig viel Hoffnung schenken. Dort kann man unzählige Heilige und Märtyrer entdecken, die bezeugen, dass es sehr, sehr viele Menschen gegeben hat, die für Jesus Christus gestorben sind. Für mich ist das größte Wunder, dass nach dem Tod Jesu die Sache Jesu Christi nicht aus und vorbei war, sondern erst ansprang. Eigentlich hätte man soziologisch sagen müssen: Der Herr ist umgebracht worden, es hört alles wieder auf. Aber: De facto hat damit erst alles angefangen. In Rom gab es die ersten 300 Jahre viele Christenverfolgungen und viele Christen sind für ihren Glauben gestorben.
Man kann in Rom wirklich Hoffnung schöpfen, wenn man ein bisschen in die Geschichte hineinschaut und die theologischen Vorurteile am besten am Brenner abgibt. Dann findet man dort unendlich viel Aufbauendes.
Was schenkt Ihnen Hoffnung?
Es gibt mir in unserer Zeit Hoffnung, dass die Kirche vor allem in Südostasien wächst. In Ländern wie Vietnam, China, Indonesien oder Südkorea, die auch wirtschaftlich wachsen, wächst erstaunlicherweise auch die Kirche – langsam, schwierig. Die Region der Welt mit den meisten Kardinälen ist Asien und Ozeanien. Das gibt mir für die Kirche Hoffnung.
Mit Pater Gemmingen durch Rom spazieren
Mit seinem Buch „Mystiker, Exzentriker, Märtyrer“ lädt P. Eberhard Gemmingen SJ zu geistlichen Spaziergängen durch Rom ein. Er nimmt seine Leserinnen und Leser mit auf einen abwechslungsreichen Rundgang zu 44 Orten, Kirchen und Kunstwerken durch die ewige Stadt. Dabei macht er Halt bei interessanten Persönlichkeiten der älteren und jüngeren Geschichte.
Pater Eberhard von Gemmingen SJ ist in 1957 in den Jesuitenorden eingetreten, studierte er 1959 Philosophie in Pullach bei München und Theologie in Innsbruck und Tübingen. 1968 erfolgte seine Priesterweihe. Pater Eberhard von Gemmingen SJ war Mitglied der ökumenischen Laienbewegung action 365, bischöflicher Beauftragter beim ZDF und leitete von 1982 bis 2009 die deutschsprachige Redaktion von Radio Vatikan. Von 2010 bis 2015 war er Projektförderer der Deutschen Provinz der Jesuiten.
Das Heilige Jahr 2025 steht unter dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“. Es handelt sich um ein ordentliches Heiliges Jahr, das alle 25 Jahre stattfindet. Mit der Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom begann das Jubeljahr am 24. Dezember 2024. Grundlegende Elemente des Heiligen Jahres sind die Wallfahrt nach Rom und das Durchschreiten der Heiligen Pforten in den vier Papstbasiliken Petersdom, Santa Maria Maggiore, Sankt Paul vor den Mauern und Lateran. Zudem gibt es im Heiligen Jahr in Rom eine Vielzahl an Großveranstaltungen. Die Stadt erwartet rund 45 Millionen Pilgerinnen und Pilger. Das Heilige Jahr endet am 6. Januar 2026 mit der Schließung der Heiligen Pforte im Petersdom.
An der Spitze des Jesuitenordens steht der Generalobere mit Sitz in Rom. Als 30. Nachfolger des Hl. Ignatius ist dies seit dem 14. Oktober 2016 mit Pater Arturo Sosa SJ, der 1948 in Caracas/Venezuela geboren wurde, zum ersten Mal in der Geschichte des Ordens ein Nichteuropäer und Lateinamerikaner. Die große Herausforderung für den Orden ist für P. Sosa die Inkulturation des Glaubens: "Die Gesellschaft Jesu versteht sich heute mehr als je zuvor überall als missionarisch, denn sie spürt die große Herausforderung, sich auf respektvolle Weise in andere Kulturen zu inkarnieren."
In vier "Weltweiten Apostolischen Präferenzen", die im Februar 2019 von Papst Franziskus bestätigt wurden, hat der Orden sein Engagement für die nächsten zehn Jahre bis 2029 bekräftigt:
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