• Marius Jocys am Fundort.
  • v. l. n. r.: Dr. Thomas Westphalen, Marius Jocys, Wilfried Dettling SJ, Dr. Bernhard Sterra, Abteilungsleiter Denkmalschutz im Amt für Kultur und Denkmalschutz der Landeshauptstadt Dresden.
  • Pressekonferenz in HohenEichen.
  • Dr. Thomas Westphalen beim Vorstellen der Steinaxt.
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Ein ungewöhnlicher Fund

Menschen, die ins Exerzitienhaus HohenEichen kommen, suchen normalerweise drei Dinge: Gott, sich selbst und Antworten auf ihre Lebens- und Glaubensfragen. Dankbar sind wir, dass viele von ihnen das bei uns finden, was sie wirklich suchen. Manche von diesen Menschen finden darüber hinaus aber auch noch viel mehr, oft unerwartet und überraschend. So ging es auch mir, als ich vergangenes Jahr in HohenEichen die 30-tägigen Noviziatsexerzitien gemacht habe.

„Am 28. April 2018 komme ich mit fünf Mitbrüdern aus dem Noviziat in Nürnberg im Exerzitienhaus HohenEichen in Dresden an, wo wir die Geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola machen werden.“ Mit diesen Worten beginnt mein Geistliches Tagebuch, das ich über die 30 Tage der Exerzitien führte. An jenem Tag wusste ich noch nicht, dass ich in den folgenden Tagen des Gebets und der Besinnung einen ungewöhnlichen, ja spektakulären Fund machen sollte. 

Am fünfundzwanzigsten Tag der Geistlichen Übungen – wir betrachteten die Stille des Grabes Christi – beschloss ich, am Nachmittag einen kurzen Spaziergang zu machen. Ich zog in Richtung des Hügels hinter dem Exerzitienhaus. Als ich die Kuppe erreicht hatte, ging ich einen Schleichweg nah an einem großen Maisfeld hinunter. Im Gehen blieben meine Augen plötzlich an etwas hängen, an einer ungewöhnlichen Steinform, die aus der Ackerfurche ragte. Ich entschied, näher heran zu treten und das Gebilde aus dem Boden zu kratzen. In wenigen Augenblicken wurde mir klar, dass ich einen außergewöhnlichen Stein in der Hand hielt. Er erinnerte mich an die alten Werkzeuge der Frühzeit, wie ich sie in Museen gesehen hatte. Ich packte den Stein in meinen Rucksack und tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf.

Auf dem Weg zurück dachte ich nach: „Interessant! Ob mein Fund sehr alt ist, so wie er in Museen ausgestellt ist? Oder ist das doch nur ein wertloses Werkzeug, ein Hammer, der im letzten Jahrhundert verwendet wurde? Was soll ich damit machen? In der Mitte hatte er eine schön gerundete Höhlung – vielleicht gäbe das einen großartigen Kerzenständer, mit dem ich mein Zimmer dekorieren könnte?“ Diese Gedanken machten mich etwas unruhig und zogen mich immer mehr von meinen frommen Betrachtungen ab. Und so erwog ich einen Moment sogar, den Stein einfach in den nächsten Fluss zu werfen, damit ich meine Ruhe wiederfände. Schließlich entschied ich mich aber, meinen Fund mit meinem Novizenmeister zu teilen. Der staunte nicht schlecht – und versprach mir, herauszufinden, was dieser „Fang“ wert sei. Am letzten Tag der Exerzitien übergab er den Fund Wilfried Dettling SJ, dem Leiter von HohenEichen.

Die Geschichte nahm dann noch einen sehr lustigen Verlauf, als meine Mitbrüder am Ende ihrer Exerzitien von all dem mitbekamen. Sie waren skeptisch: „Hmm ... Das ist doch kein altes Werkzeug! Höchstens fünfzig Jahre alt ...” Aber nach einem guten halben Jahr kam dann die Nachricht zu uns ins Noviziat nach Nürnberg – eine wirklich gute Nachricht: „Die Archäologen datierten die geschliffene und durchlochte Axt aus grünlichem Felsgestein (Amphibolit) in die jüngere Steinzeit, ca. 2800–2300 v. Chr.“, sagte P. Dettling. „Die damalige schnurkeramische Kultur erhielt ihren Namen nach der typischen Verzierung auf ihren Tongefäßen.“ Bei der Streitaxt handelt es sich um ein Symbol von großer Bedeutung innerhalb der steinzeitlichen Gesellschaft. Da haben meine Mitbrüder nicht schlecht gestaunt. Und ich natürlich auch!

Seit dem Beginn dieser unglaublichen Geschichte ist fast ein Jahr vergangen. Wenn ich innehalte und den Verlauf der Ereignisse anschaue, führt mich das auf ein Kernmoment der ignatianischen Spiritualität – Gott in allen Dingen suchen und finden. Also frage ich mich noch einmal: Ist es nur ein glücklicher Zufall, ein kurzer Moment des Glücks, ähnlich einem Lotteriegewinn, oder ist das ein Ereignis, durch welches der Herr mir etwas zeigen will? Die Frage bleibt offen. Aber der Impuls, den ich heute mitnehme, ist klar: Das Leben ist voll unerwarteter Entdeckungen und es lohnt sich wirklich, diese mit anderen zu teilen. Denn man weiß nie, wie viel Freude und Sinn sie bringen werden – mir und anderen – und wie weit sie führen können.

Am 3. April 2019 lud Haus HohenEichen gemeinsam mit dem Landesamt für Archäologie Sachsen zu einer Pressekonferenz ein. Bei dieser Gelegenheit wurde die Axt vorgestellt und dem Exerzitienhaus als Leihgabe übergeben. Jetzt kann die Steinaxt von HohenEichen im Eingangsbereich des Seminarhauses besichtigt werden.

Autor: Marius Jocys

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