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Eine Männer-WG der besonderen Art

Alle, die schon mal in einer WG gelebt haben, wissen, was in einer gemeinsamen Wohnung die wirklich wichtigen Fragen sind: Warum hält sich kein Mensch an den Putzplan? Wer hat schon wieder vergessen, den Müll rauszubringen? Wieso lässt sich das Chaos im Kühlschrank einfach nicht vermeiden?

„Diese ganz normalen Alltagsfragen betreffen auch uns“, bestätigt Pater Ludger Hillebrand. Dabei ist seine 10er WG alles andere als alltäglich: Der 58-jährige Jesuit lebt mit seinem Mitbruder Pater Lutz Müller und acht Geflüchteten gemeinsam in einem alten Pfarrhaus in Essen. Abuna-Frans-Haus heißt das 2017 gestartete Wohnprojekt des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS). „Unsere acht Mitbewohner kommen aus Syrien, Libanon, Somalia, Guinea und dem Kongo“, erzählt Pater Hillebrand. „Für das Mitleben stellen wir zwei Bedingungen: die Bereitschaft, in unserem Männerhaushalt mitzuhelfen, also zu putzen, einzukaufen, Laub zu harken, Rasen zu mähen oder was gerade anfällt. Die zweite Bedingung ist religiöse Toleranz. Das ist uns sehr wichtig, weil bei uns Muslime und Christen verschiedener Konfessionen leben, und alle bei uns eine Heimat finden sollen. In der Vergangenheit gab es da einige Schwierigkeiten, aber mit den derzeitigen Mitbewohnern klappt das sehr gut.“

„Ich sehe nur Menschen!“

Benannt ist die sogenannte Willkommenskommunität nach Pater Frans van der Lugt. Der gebürtige Niederländer war Priester und Psychotherapeut und ging als junger Jesuit nach Syrien. Dort standen für ihn die Begleitung von jungen Menschen und der interreligiöse Dialog zeit seines Lebens im Mittelpunkt. Während des Syrienkrieges blieb er bei der leidenden Bevölkerung im belagerten Homs und wurde dort 2014 im Alter von 75 Jahren erschossen. „Als Mann des Friedens und der Verständigung war er in Syrien sehr bekannt“, sagt Pater Lutz Müller. „Ein von ihm überliefertes Motto lautet: Ich sehe keine Christen und Muslime, ich sehe nur Menschen! Ein solches Leitmotiv eignet sich sehr für unser Abuna-Frans-Haus! Abuna ist einfach der arabische Begriff für Pater.“

Flucht vor Armut

Moussa Kaba ist einer der Mitbewohner im Abuna-Frans-Haus. Der 22-Jährige hat seine westafrikanische Heimat Guinea vor fünf Jahren verlassen, um sich auf verschlungenen Wegen nach Europa durchzuschlagen. „Meine Mutter und meine vier Geschwister leben noch dort“, erzählt er. „In meiner Heimat hatte ich keine Perspektive. Wir hatten keinen Krieg, aber es herrschte überall Armut. Bis heute gibt es in Guinea kaum Arbeit und Zukunft für Jugendliche.“ Dass er im Abuna-Frans-Haus ein neues Zuhause gefunden hat, ist für ihn ein großes Geschenk: „Gott hilft überall. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben in Deutschland und dankbar für alle Hilfe!“ Moussa Kaba hat mittlerweile eine Bäckerlehre erfolgreich abgeschlossen und arbeitet in Düsseldorf.

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