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Eine nicht normale Begegnung

Frankfurt/Main - Bei der bundesweiten Fachtagung „Perspektiven eines aufgeklärten Multikulturalismus“ wurde ein spannendes Kooperationsprojekt von Tobias Specker SJ (Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen) und Tuncay Dinckal (Forum Dialog e.V.) vorgestellt: „Tage der geistlichen Begegnung zwischen Christen und Muslimen 2018: Einblicke in das muslimische und christliche Gottesverständnis“

Das Begegnungswochenende von Studierenden christlichen und muslimischen Glaubens fand vom 13.-16. September 2018 im Kloster Münsterschwarzach statt. Die Frage nach den Gottesvorstellungen in Christentum und Islam wurde dabei deutlich mit einer gelebten Gebetspraxis in Zusammenhang gebracht und hervorgehoben, um so Gebetsleben, persönlichen Austausch und theologischen Erkenntnisgewinn gleichermaßen zu bereichern. So standen neben Impulsreferaten und Begegnungen mit christlichen und muslimischen Geistlichen als Dialogpartnern auch immer wieder der Raum für den gemeinsamen interreligiösen Austausch in Vordergrund, um Denkmunster und Glaubensleben der jeweiligen Traditionen kennenzulernen. Dabei erwies sich die persönliche Begegnung in einem angstfreien, respektvollen Raum und Miteinander gerade als Schlüssel für eine positive Zusammen- und Weiterarbeit auf persönlicher und inhaltlicher Ebene.

Das Projekt und dessen Auswertung im Rahmen der Fachtagung wurden getragen vom bundesweiten interreligiösen Dialogprojekt „Weißt du, wer ich bin?“ als Zusammenschluss von Arbeitsgruppen der drei großen Religionen in Deutschland.

Lesen Sie hier einen persönlichen Erfahrungsbericht des Begegnungswochenendes von Studierenden christlichen und muslimischen Glaubens:

„Was wir hier gemacht haben, ist nicht normal!“ – Dieser Satz fiel im Rahmen der Abschlussrunde unserer interreligiösen Begegnungsfahrt, die uns diesmal ins Benediktinerkloster Münsterschwarzach führte. Er spielte wohl an auf die nach wie vor bestehende Fremdheit im Verhältnis zwischen Islam und Christentum in weiten Teilen der Gesellschaft. Es stimmt nachdenklich, dass eine solche Unternehmung immer noch eine Ausnahme darstellt. Er spielte aber vielleicht auch darauf an, wie außerordentlich erfolgreich, weil erhellend, unterhaltsam, spirituell und schön diese Tage waren. Gerade deswegen gingen alle Teilnehmenden zuversichtlich und mit dem Wunsch nach weiteren Begegnungen auseinander.

Vier Tage lang waren wir miteinander unterwegs. Das Programm reichte von kulturellen Eindrücken wie dem Auftaktbesuch im Würzburger Museum am Dom über von Studierenden und Dozenten  gestaltete inhaltliche Impulse bis hin zur Möglichkeit, Einblick zu erhalten in bislang fremde Formen des Gebets und des Gottesdienstes. Im gemeinsamen Erleben und im Gespräch mit den Anderen eröffneten sich auch immer wieder neue Blickwinkel und Zugangsweisen bezüglich der eigenen Religion.

Das gemeinsame Leben im Selbstversorgerhaus ließ neue Bekanntschaften quasi „über dem Spülbecken“ entstehen und alte Freundschaften konnten bis spät in den Abend hinein aufgefrischt werden – einige der Mitgereisten kannten sich bereits von einer vorhergegangenen Fahrt nach Albanien im letzten Herbst.

Das leitende Thema unserer Zusammenkunft war das jeweilige Gottesbild. Neben die wissenschaftlich fundierte Vorstellung und Vergleiche der Gottesverständnisse in Christentum und Islam, sowie den Austausch über diese, trat aber auch die Möglichkeit zum ganz persönlichen Gespräch über die eigene Gottesbeziehung, Berufung und Weise den je eigenen Glauben zu leben.

Dieser Dimension verlieh der erwähnte Besuch im Museum am Dom in Würzburg, dessen zeitgenössische Kunst uns der Gründungsdirektor des Museums in einer eindrucksvollen und persönlich sehr anregenden Führung nahebrachte, eine für viele neue Prägung in der Auseinandersetzung mit den religiösen Darstellungen teils betont areligiöser Künstler.

Auf einen Impuls zu Gottes Attributen im Islam und der Möglichkeit der Gotteserkenntnis folgte der Ansatz Karl Rahners zu derselben Frage, wobei sich durchaus Parallelen feststellen ließen. Eine Reihe von angeleiteten Hörproben zu verschiedenen Versionen des christlichen Gloria mit anschließender Gelegenheit zum Austausch rundete den Themenkomplex sinnlich ab. Mit der jeweiligen religiösen Praxis beschäftigten sich sodann Impulse zur „Aufrichtigkeit“ bei Said Nursi und zum Exerzitienbuch des Ignatius von Loyola.

Neben der Feststellung von Übereinstimmungen zwischen beiden Religionen kam aber auch Divergierendes zur Sprache: So warf ein weiterer Impuls zur „Allmacht“ Gottes nach christlichem Verständnis auf Seiten der muslimischen Teilnehmer die Frage auf, wie sich solche Allmacht wiederum in der Ohnmacht Jesu Christi am Kreuz äußern könne. Die angeregte Diskussion hierüber, die von sachlich fundierten Argumenten einerseits und der persönlichen Vertrautheit und gegenseitigen Sympathie der Gesprächspartner andererseits lebte, konnte freilich keine endgültige Lösung der Fragestellung herbeiführen – wollte sie aber auch gar nicht. Vielmehr war das ganze Wochenende durchdrungen vom Wunsch des gegenseitigen Kennenlernens und voneinander Lernens, sowie des gemeinsamen Erlebens, das keinen Platz ließ für Rechthaben-Wollen und Überzeugen-Müssen.

Der Ort unserer Begegnung -das Kloster Münsterschwarzach- bekam für die Teilnehmenden schließlich noch in besonderer Weise ein Gesicht, als ein junger Mönch Einblicke in sein Leben gewährte.

Unsere Begegnung war geprägt von dem Bestreben, etwas zu tun, was wohl heute nicht alltäglich ist: Ohne vorschnelle Versuche der Harmonisierung eine andere Religion in ihrer Eigenheit wahrzunehmen, besser zu verstehen und dabei vielleicht auch die eigene Religion neu zu erfahren.

Martin Hohmann und Christian Trenk

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