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Gewaltenteilung für eine gute Kirchenführung

Statt monarchischer Leitungsstrukturen brauche es unabhängige Kontrollinstanzen und Beschwerdestellen, um kirchliche Machtverteilungen zu überprüfen. Klaus Mertes SJ hat sich in einem Gastbeitrag für die Freiburger Kirchenzeitung "Konradsblatt" für eine strenge Gewaltenteilung in der katholischen Kirche ausgesprochen.

Der maltesische Erzbischof Charles Scicluna äußerte sich kurz vor Weihnachten zur Arbeit des Gremiums der Glaubenskongregation, dessen Vorsitz er innehat: Man treffe sich monatlich, um drei bis vier Fälle zu prüfen, in denen Klerikern schweres Fehlverhalten vorgeworfen werde. Auf die Frage hin, warum er zugleich Erzbischof in Malta bleibe, antwortete Scicluna, eine „gewisse Distanz“ zur Glaubenskongregation sei zu wahren, wenn man mit der Aufgabe betraut sei, Entscheidungen der Behörde in Rom kritisch zu überprüfen.

Eine funktionierende Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit setzt Unabhängigkeit voraus. Allerdings reicht räumliche Distanz nicht aus, um Unabhängigkeit zu garantieren, schon gar nicht im Zeitalter des Internets. Distanz muss auch in der Struktur verankert sein. Diese entscheidet sich an folgenden Fragen: Erstens: Wer setzt die Personen ein, die die Gerichtsbarkeit ausüben? Zweitens: Welche Vollmachten haben die Gerichte gegenüber den Behörden und den verantwortlichen Personen in den Behörden, deren Tätigkeit sie kritisch überprüfen sollen? Drittens: Wer entscheidet über die Veröffentlichung der Urteile, die sie fällen? Und schließlich: Welche Sanktionsmöglichkeiten stehen zur Verfügung?

Das katholische Kirchenrecht sieht zwar Rechte für die Gläubigen und auch Beschwerdewege vor. Doch gegen die Verharmlosung, Vertuschung und Nicht-Bearbeitung von Beschwerden gegen Leitungsversagen in der Kirche ist kein Kraut gewachsen, solange die Bischöfe selbst das letzte Wort beanspruchen. Es ist bezeichnend, dass der Vatikan im Dezember des letzten Jahres den Aktionsplan der US-Bischofskonferenz ausbremste. Dieser sah nämlich Elemente einer Selbstbindung der Bischöfe und damit auch anfänglicher Gewaltenteilung in der Kirche vor, zum Beispiel unabhängige Beschwerdestellen, mehrheitlich mit Laien besetzt, die Anzeigen gegen Kleriker selbstständig an Strafverfolgungsbehörden weiterleiten können.

Sollte die monarchische Leitungsstruktur tatsächlich zur DNA der Kirche gehören, dann liegen Machtmissbrauch sowie die Unfähigkeit, ihm wirksam entgegenzutreten, in ihrer DNA. Da helfen auch die weihnachtlichen Appelle des Papstes („Kehrt um und stellt euch!“) nicht weiter. Der Fisch stinkt, strukturell gesehen, vom Kopf her. Woher nimmt der Papst seine Sicherheit, dass sich sein Versagen und das seiner Vorgänger nicht wiederholen? Worauf stützt er seine Gewissheit, die Kirche werde in Zukunft „niemals versuchen, einen einzigen Fall zu vertuschen“? Wie sollen aktuelle Vorwürfe gegen ihn selbst aufgeklärt werden, wenn nicht durch eine unabhängige Instanz, die auch Beschwerden über die Amtsführung eines Papstes entgegennehmen kann? Und schließlich: Wie soll es mit den selbstzerstörerischen innerklerikalen Machtintrigen – siehe jüngst McCarrick/Vigano – weitergehen? Teilung von Macht hat ja schließlich auch einen konstruktiven Sinn, nämlich den, einen funktionsgerechten Umgang mit Macht zu ermöglichen. Sie ist Hilfe für gute Amtsführung, keineswegs der Versuch, sie zu behindern.

Der „Missbrauchsgipfel“ im Februar in Rom soll nach den Worten Sciclunas „Bischöfe weltweit auf einen einheitlichen Stand in puncto Verantwortlichkeit bringen“. Die Verantwortlichkeit aber kann doch nur sein: Schutz der Schwächeren. Nach den Erkenntnissen der letzten Jahre wird eine demütige Hierarchie nicht die Hand für sich selbst ins Feuer legen können. Alle Beteuerungen in diese Richtung haben einen schalen Geschmack. Will sie glaubwürdig dem Schutz der Schwächeren wieder Priorität einräumen, wird sie bereit sein müssen sich zu beugen – und zwar nicht nur „Gott“, sondern einer unabhängigen kirchlichen Gerichtsbarkeit (im Rahmen der weltlichen Gerichtsbarkeit, sofern diese nach den Kriterien der Rechtsstaatlichkeit geordnet ist). Absolute Macht korrumpiert eben immer absolut. Und „Gott“ zu instrumentalisieren, um eigene absolute Macht zu verteidigen, ist ein Verstoß gegen das erste Gebot – deswegen die Anführungsstriche.

Autor:

Klaus Mertes SJ

Pater Klaus Mertes SJ studierte nach seinem Abitur 1973 klassische Philologie und Slawistik in Bonn, nach seinem Eintritt in den Jesuitenorden 1977 Philosophie in München und Theologie in Frankfurt. Seit 1990 war er im Schuldienst tätig, zunächst 1990-1993 an der Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg, 1994-2011 am Canisius-Kolleg in Berlin, dessen Rektor er seit 2000 war. Von 2011 bis 2020 war er Kollegdirektor am internationalen Jesuitenkolleg in St. Blasien. Derzeit ist er Superior der Jesuitenkommunität in Berlin-Charlottenburg und Redaktionsmitglied der Kulturzeitschrift "Stimmen der Zeit"

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