Hoffen auf das Überwinden von Leid

Wie gelingt es uns, den gekreuzigten Jesus mit dem Kreuz der Schöpfung und der Menschen zu verbinden? Wie können wir hoffen, dass Kraft der Auferstehung auch das Leiden der Menschen und der Schöpfung ein Stück weit überwunden wird?

Gemeinsam mit Studierenden aus Bern gestalteten wir als katholische Uni-Gemeinden am Karfreitag einen Kreuzweg der besonderen Art: Verbunden mit der Passion Jesu gedachten wir der verwundeten Schöpfung. Ausgehend von Sissach wanderten wir zur Sissacherfluh und über den Sonnenhof bis nach Gelterkinden. Unterwegs hielten wir immer wieder inne, lasen biblische Texte, verweilten in Stille, sprachen über unser Konsumverhalten und nahmen symbolisch ein Holzkreuz mit. Bei einer Station hefteten wir Plastikmüll an das Kreuz, um sichtbar zu machen, dass die Schöpfung unter der Verschwendung von Plastik leidet und Jesus diese Last am Kreuz mitträgt. Im Verlassen einer Kleinstadt und im Gehen über Stock und Stein wurde uns immer bewusster, dass wir Teil der Schöpfung sind. Wir nehmen ihr Leid wahr und können durch konkretes Handeln auf einen Wandel hoffend hinarbeiten. Noch können wir eine Klimakatastrophe abwenden, aber wir müssen uns als Menschheit beeilen und konkrete Schritte tun! 

Die Passion Jesu lässt sich nicht nur mit dem Kreuz der Schöpfung verbinden, sondern auch mit dem Leid der Geflüchteten. Das zeigt der sozialkritische Film «Das neue Evangelium» des Regisseurs Milo Rau auf eindrückliche Weise. Geflüchtete sind in der süditalienischen Stadt Matera gestrandet und werden von den Bauern als Billigarbeiter wie Sklaven ausgenutzt – ohne Dach über dem Kopf und ohne Würde, ohne Dokumente und ohne Sicherheit. Milo Raus Film hat drei Ebenen: Die erste dokumentiert die Lebensumstände der MigrantInnen, die zweite zeigt die von ebendiesen Menschen nachgespielte Passionsgeschichte Jesu und die dritte dokumentiert die Entstehung des Films selbst. Zeitweise werden diese Ebenen bewusst zusammengeführt: etwa als Judas und die römischen Soldaten mit einem Auto zum Ölberg namens Getsemani fahren und Jesus festnehmen. Gerne würden wir einfach eintauchen in einen verklärten, besinnlichen Jesus-Film. Jedoch werden wir in diesem umstrittenen Film mit Parallelen zur Flüchtlingskrise immer wieder aus einer allzu «frommen» Haltung herausgerissen, wachgerüttelt. Die Geflüchteten wählen einen gewaltfreien Weg – der in gewissen Sequenzen zu explodieren droht und in gewaltsamen Protesten ausser Kontrolle geraten könnte. Einheimische kommen kaum zum Wort; der Schwarze, der Jesus darstellt, ist zugleich Anführer des realen kämpferischen Protestes gegen die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen. Der Regisseur stellt Jesus als weltlichen Befreier dar; dass Jesus Sohn Gottes ist, wird jedoch medial kaum vermittelt. In Matera prallen, stellvertretend für die Flüchtlingskrise in Europa, zwei Welten aufeinander. Das «Haus der Würde» ist die Frucht dieses Filmes; es bietet bis heute geflüchteten Billigarbeitern ein Dach über dem Kopf.

Das Leiden der Schöpfung und der ungerecht behandelten Menschen darf nicht der Endpunkt sein. Beides soll uns wachrütteln und zu solidarischen Schritten der Hoffnung bewegen. So wird Jesu Auferstehung in der verwundeten Schöpfung und im verwundeten Mitmenschen spürbar. Dazu passt auch das folgende Zitat aus dem Römerbrief: «Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes.» (15,13) 

Spannend finde ich auch, dass der Evangelist Matthäus in seinem Erzählen über die Auferstehung die ganze Schöpfung einbezieht: «Die Erde bebte und die Felsen spalteten sich. Die Gräber öffneten sich und die Leiber vieler Heiligen, die entschlafen waren, wurden auferweckt. Nach der Auferstehung Jesu verliessen sie ihre Gräber, kamen in die Heilige Stadt und erschienen vielen.» (Mt 27,51b – 53) Zusammen mit dem Hauptmann dürfen auch wir bekennen: «Wahrhaftig, Gottes Sohn war dieser!» (V 54c) Begeistert von Jesu Auferstehung dürfen wir jenen Menschen Hoffnung geben, die unterdrückt werden oder sich für eine schonende, nachhaltige Nutzung der Schöpfung einsetzen. 

Autor:

Andreas Schalbetter SJ

Pater Andreas Schalbetter ist 1965 im Bergdorf Grengiols im Wallis geboren und aufgewachsen. Seit 1998 Jesuit. Fasziniert von der ignatianischen Spiritualität und den Exerzitien, begleitet er gerne Menschen auf ihrer Suche nach Sinn und Orientierung. Die Liebe zur Natur und zur Musik ist ihm in die Wiege gelegt worden. Daneben liebt er Bergwandern, Skifahren und Poesie. Aufenthalte im Ausland, etwa in Südafrika, Italien, Österreich, Irland und im Kosovo, haben ihn bereichert. Er ist derzeit Leiter der Katholischen Uni-Gemeinde Basel.

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