• Dr. Guido Schlimbach (l.) und P. Stephan Kessler © Kunst-Station Sankt Peter
  • "Kreuzigung Petri" von Peter Paul Rubens (Ausschnitt) © Cassander Eeftinck Schattenkerk
  • Heute reagieren Ausstellungen zeitgenössischer Kunst auf das Bild des Alten Meisters. © Chris Franken
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Hoffnungsbild im Scheitern: Rubensbild wird untersucht

Bis heute ist das Meisterwerk von Peter Paul Rubens in der Kölner Jesuitenkirche Sankt Peter verstörend und provozierend. Nun wird die "Kreuzigung Petri" untersucht, um zu klären, ob es restauriert werden muss. Ein Interview mit Pfarrer Stephan Kessler SJ und Dr. Guido Schlimbach von der Kunst-Station Sankt Peter Köln.

Was ist das Besondere an diesem Rubens-Gemälde?

Kessler: Das Gemälde "Die Kreuzigung Petri" ist das letzte großformatige und vielleicht das persönlichste Bild des Barockmalers Peter Paul Rubens (1577-1640). Es ist so etwas wie die Summe seines künstlerischen Schaffens, aber vor allem auch ein Einblick in seine Seelenlage am Ende seines Lebens. Das Bild zeigt ungeschminkt Ängste und Hoffnungen. Rubens selbst hat es in einem Brief als wohl "eines der besten Bilder, die bisher meine Hand geschaffen hat" bezeichnet. Dabei handelt es sich keineswegs um ein einfaches oder gar um ein schönes Gemälde. Erst recht ist es kein frommes Heiligenbild: Der Apostel Petrus wird in Verlassenheit und Todesnot gezeigt, kopfüber gekreuzigt. Ohnmächtig ist er einer Übermacht von roher Gewalt ausgeliefert. Sein Blick aus dem Bild heraus stellt dem Betrachter die Frage: Wo sind im Scheitern Ruhe und innerer Frieden zu finden? Die nicht einfach auflösbare Spannung zwischen Untergang und der (Glaubens-)Gewissheit getragen zu sein, macht das Besondere dieses Bildes aus.

Wie kam das Bild nach Sankt Peter in Köln?

Schlimbach: Was viele nicht wissen: der große Rubens hat seine frühen Jahre in Köln verbracht. Seine Eltern waren als Flüchtlinge aus Antwerpen ins Rheinland gekommen. Köln war die Stadt seiner Kindheit und Sankt Peter seine Pfarrkirche. Später war dort auch sein Vater begraben worden. Nachdem er in seiner Heimat ein bedeutender Maler geworden war, bat seine Heimatgemeinde das berühmt gewordene Pfarrkind um ein Bild des Pfarrpatrons Petrus. Obwohl Rubens gleichzeitig Aufträge von den verschiedenen europäischen Höfen hatte, nahm er den Auftrag an. So kam das Bild nach Sankt Peter und wurde zum ersten neuzeitlichen Bild in Köln. Bereits bei seiner Ankunft 1642 erregte "so etwas Modernes" großes Aufsehen und hat die Kunst- und Kulturgeschichte nicht nur regional nachhaltig geprägt.

Was hat dieses Bild ausgelöst?

Kessler: Die Darstellung des Martyriums ist von einer ungeheuerlichen Direktheit und Gegenwärtigkeit. Aufs Erste wirkt die "Kreuzigung Petri" wie ein realistisches Bild. Aber wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass ein menschlicher Körper so gar nicht hängen kann. Es ist nicht die Wiedergabe eines historischen Moments, sondern in all seiner dramatischen Gegenwärtigkeit ein Bild für den Menschen, der in der Bedrängnis drüber hinaussieht: Im Untergang liegt der Sieg! Das ist verstörend und in der Folge wurde nach der Ankunft dieses Bildes der ganze Kirchenraum neu gestaltet. Rubens war einer der großen, kreativen Bildschöpfer der katholischen Reform. Nicht zuletzt war er da bei Ignatius von Loyola in die Schule gegangen. Als aktives Mitglied der Marianischen Kongregation war er mit der Exerzitienfrömmigkeit vertraut und wusste um die Macht der Bilder für die Gefühle und im Gebet. Ein Hoffnungsbild im Scheitern, das ist bis heute irritierend und provozierend. Als Kunst-Station Sankt Peter ist diese Kirche als ein Zentrum für abstrakte Gegenwartskunst und Neue Musik dieser Dynamik treu geblieben. 

Ist das Bild beschädigt oder muss es restauriert werden?

Schlimbach: Das Bild ist nach 377 Jahren noch an dem Ort, für den es gemalt wurde. Trotz seiner Beständigkeit hat es eine bewegte Geschichte. Nach der Eroberung Kölns durch die Franzosen wanderte es in den Louvre. Aber durch geschickte Verhandlungen gelang es, dieses Meisterwerk wieder an seinen angestammten Ort in Köln zu bringen. Im 2. Weltkrieg wurde es ausgelagert und danach nur flüchtig untersucht und neu gerahmt. Um es für die Zukunft zu erhalten, muss es jetzt einmal umfassend untersucht werden. Ob es restauriert werden muss, soll die aktuelle Voruntersuchung herausfinden. Dann werden die Ergebnisse mit Fachleuten beraten und das weitere Vorgehen abgestimmt.

In großen Museen und Sammlungen hängen die wertvollen Bilder hinter Panzerglas; haben Sie an Sankt Peter keine Angst, dass da etwas passiert?

Kessler: Auch in Sankt Peter ist das Bild natürlich umfassend nach modernen Standards gesichert und mit den Sicherheitskräften "kurzgeschlossen". Während der Öffnungszeiten der Kirche ist immer eine Aufsichtsperson im Raum. Die hat zum einen ein Auge auf das Bild und die Ausstellungen von Gegenwartskunst im Kirchenraum, steht aber andererseits - das ist fast noch wichtiger - als Ansprechperson zur Verfügung. Zu den Sicherheitsmaßnahmen gehört auch, dass die Untersuchungen durch die Restauratoren vor Ort in der Kirche vorgenommen werden; denn Transport und Klimawechsel würden das Gemälde unnötig "stressen". Natürlich kann immer etwas passieren; denn alle Gefährdungen lassen sich nie bannen. Vor Ort geben wir unser Bestes; ansonsten gilt, was als Leuchtschrift von Martin Creed auf dem romanischen Kirchturm von Sankt Peter strahlt: "Don't worry".

Wem gehört das Bild eigentlich, und wer zahlt eine Restaurierung?

Schlimbach: Die "Kreuzigung Petri" von Peter Paul Rubens ist im Besitz der "Katholischen Kirchengemeinde Sankt Peter Köln". Dahinter verbirgt sich einerseits die älteste, noch bestehende Pfarrgemeinde der Kölner Innenstadt, andererseits ein Kirchort, der sich voraussetzungslos mit der Gegenwartskunst auseinandersetzt und ihr Gastrecht gewährt. Mit den Kosten wäre unsere kleine Pfarrgemeinde überfordert. Sie werden zu größten Teilen von der Erzdiözese Köln und zu kleineren Teilen vom Land Nordrhein-Westfalen getragen.

Die Fragen stellte P. Martin Stark SJ.

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