Hugo Rahner

Vor 50 Jahren ist der Jesuit Hugo Rahner SJ in München gestorben. Doch, wer war Hugo Rahner? Es gibt viele Zuschreibungen, die auf ihn zutreffen: Er war Jesuit, Priester, Theologe, Professor für Kirchengeschichte, er war Übersetzter, Patrologe, Kenner des Ignatius von Loyola und der ignatianischen Spiritualität, gab Exerzitien, war geistlicher Begleiter, Prediger, Rektor der Universität Innsbruck, Rektor des Priesterseminars Canisianum, er war Schriftsteller und hat neben vielen Artikeln mehrere bedeutende Bücher verfasst - er ist Bruder des vier Jahre jüngeren Karl Rahners, der ebenfalls Jesuit war und zu den bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts zählt.    

Doch was zeichnete Hugo Rahner in all diesen Tätigkeiten aus? Um ihn zu verstehen, muss man auf die Zeit achten, in der er gelebt hat. Er wurde 1900 als drittes von insgesamt sieben Kindern geboren und wuchs in einer katholischen Familie im Süden Badens auf. 1918 wurde er am Ende seiner Schulzeit für den Militärdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen. Mit dem Krieg endete eine ganze Epoche. Die Weimarer Republik löste das Kaiserreich ab und für Rahner stand eine wichtige persönliche Entscheidung an. Anfang 1919 trat er in die Gesellschaft Jesu ein, also in den katholischen Orden, gegen den als Maßnahme des Kulturkampfes noch bis 1917 das sogenannte Jesuitengesetz bestand, welches Niederlassungen im Deutschen Reich verbot. Viele Ausbildungseinrichtungen befanden sich daher außerhalb Deutschlands. Und so begann Rahner das Noviziat in Feldkirch, Vorarlberg. Philosophie studierte er im niederländischen Valkenburg und kam anschließend als Erzieher und Lehrer zurück nach Feldkirch. Danach studierte er in Innsbruck Theologie. 1929 wurde er zum Priester geweiht.

Die Ausbildungsphasen lassen sich als "ordenstypisch" bezeichnen und folgten einem klar strukturierten Aufbau. Es war die Zeit eines Aufschwungs. Der Jesuitenorden erlebte das stärkste Wachstum an Mitgliedern in seiner Geschichte, was die Mentalität einer ganzen Generation prägte. Den Jesuiten standen viele Möglichkeiten und Wege offen.

Im Falle von Rahner hieß das, dass er aufgrund seiner Interessen und Begabungen für eine akademische Laufbahn vorbereitet wurde. Von 1931 bis 1934 studierte er an der Universität Bonn und promovierte sich in alter Kirchengeschichte. Zurück in Innsbruck wurde er nach der Habilitation zum Professor ernannt. Doch 1938 wurde die theologische Fakultät durch die Nationalsozialisten aufgelöst. Viele Jesuiten siedelten nach Sitten im Wallis über und versuchten in der Schweiz mit eingeschränkten Mitteln ihren Lehrbetrieb fortzuführen.

Zwar konnten die Ordensleute nach Ende des Krieges wieder nach Innsbruck zurückkehren, doch warteten dort auf sie neue Herausforderungen. Überall fehlte es und Rahner half, wo er konnte. Wie schon im Schweizer Exil, übernahm er in den Nachkriegsjahren alle möglichen Aufgaben und Ämter. Viele davon hätte er sich selbst nicht ausgesucht, doch er stellte sich dem, was ihm zugetraut und manchmal auch zugemutet wurde. Auf dieser praktischen Ebene wie seinem wissenschaftlichen Arbeiten zeigt sich: Er war vor allem Seelsorger und wollte den Menschen helfen.

Rahner suchte in Zeiten der Unsicherheit nach einem sicheren Fundament. Worauf kann man sich verlassen? Woran sich orientieren? Er fand Antworten in der abendländischen Tradition. Mit einem christlichen Humanismus stellte er sich gegen die Ideologien seiner Zeit. Dies führte auch zu vielen Kontakten, die über kirchliche Kreise hinausgingen. Gespräch und Austausch prägten sein Leben und mit seinen Werken brachte er sich in Diskussionen ein. Er war insofern Historiker, als er die Quellen und die Tradition studierte, aber er blieb nicht bei einer Erforschung stehen, sondern zog Schlussfolgerungen für die Gegenwart. Erneuerungen gingen bei ihm Entdeckungen voraus. Das trifft etwa für die Lehre von der Kirche zu, wenn er aus den Schriften der Kirchenväter vergessene Aspekte für seine Zeit fruchtbar machen konnte.

Ein Entdecker

Von großer Bedeutung ist Rahner für die ignatianische Spiritualität. Herrschte von Ignatius von Loyola lange ein statisches und distanziertes Bild vor, konnte durch die Arbeiten Rahners die menschliche Seite und die Entwicklung des Heiligen neu gesehen werden. Es waren Archiv- und Quellenstudien, die zu verschiedenen Abhandlungen und Arbeiten, darunter eine Biographie des Ordensgründers, führten. Die Edition und Kommentierung von Briefen ermöglichten einen neuen, unverstellten Zugang. Wie kommunizierte Ignatius? Wie passte er sich den Themen und den Fragen seines Gegenübers an? Was war ihm wichtig?

Rahner wählte aus und setzte Schwerpunkte. Die beiden umfangreichsten Bücher tragen die sprechenden Titel "Ignatius von Loyola. Briefwechsel mit Frauen" und "Ignatius von Loyola als Mensch und Theologe". Beide Publikationen zeigen den späteren Ordensgeneral als einen Mann des Gebets, einen Mystiker, der aufgrund seiner eigenen Erfahrungen zu einer lebendigen Gottesbeziehung verhelfen kann. Entscheidend sind dafür die Exerzitien, die über die Jahrhunderte hinweg sehr unterschiedlich gestaltet wurden. Rahner hat aufgrund seiner Forschungen einen Beitrag zu einer Neuausrichtung und Wiederentdeckung geleistet. Die Geistlichen Übungen wurden in ihrer Spiritualität und in ihrer Theologie neu verstanden. Damit einher ging eine praktische Veränderung: Kleine Gruppen, die individuelle Begleitung und die Anpassung an den persönlichen Prozess wurden nun wichtig. Rahner hat viele Kurse und Besinnungstage selbst gestaltet, durch Gespräche, Predigten und Vorträge war er neben seiner wissenschaftlichen Arbeit pastoral aktiv.

Aufgrund einer Parkinsonerkrankung veränderte sich sein Leben stark. 1963 musste er vorzeitig emeritiert werden. Zwar konnte er noch einige Arbeiten abschließen, doch die letzten Lebensjahre in München sind von zunehmenden Einschränkungen und Einsamkeit geprägt. Am 21.12.1968 starb Hugo Rahner. Er wurde auf dem Ordensfriedhof in Pullach bei München beigesetzt.

Rahner war wichtig für einen Neuaufbruch der katholischen Kirche, der sich im Zweiten Vatikanum deutlich zeigte. Er ging "zurück zu den Quellen", um die Tradition neu lebendig werden zu lassen. Inzwischen ist er selbst, der sich durch seine "fromme Menschlichkeit", wie es sein Bruder Karl formulierte, auszeichnete, zu einer historischen Größe geworden. So muss er heute neu entdeckt werden - wer sich darauf einlässt und mit Hugo Rahner nach der ignatianischen Spiritualität sucht, wird bald merken, dass es sich lohnt.

Autor:

Jörg Nies SJ

Jörg Nies SJ hat Philosophie und Theologie in Freiburg i. Br., London, Frankfurt a. M. und München studiert und ist 2011 in den Jesuitenorden eingetreten. Nach dem Noviziat hat er von 2013 bis 2016 in der Studentenseelsorge in Leipzig mitgearbeitet. Im Anschluss an ein Aufbaustudium an der Päpstlichen Universität Gregoriana arbeitet er an einer Promotion in Fundamentaltheologie. Am 6. Oktober 2018 ist er in Frankfurt zum Priester geweiht worden. Seit 2019 gehört zur Jesuitenkommunität in Stockholm.

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