Ein Gefängnis als Arbeitsort? Für P. Christian Marte SJ ist das Alltag. Als Gefängniskaplan in der Justizanstalt Innsbruck begibt er sich freiwillig hinter Gitter. „Der Aufenthalt im Gefängnis ist eine Grenzsituation“, erklärt Pater Marte. Im Interview gibt er Einblicke in seine Arbeit und erzählt, was Gefangenen Hoffnung gibt.
Pater Marte, ist ein Gefängnis nicht ein hoffnungsloser Ort?
Nein, das Gefängnis ist kein hoffnungsloser Ort – ganz im Gegenteil. Gerade im Gefängnis wird gehofft, oft gegen alle Hoffnung. Von außen scheint Vieles hoffnungslos: das vermurkste Leben, die gescheiterten Beziehungen, die oft sehr schlechte Gesundheit. Und trotzdem hoffen die Menschen im Gefängnis. Wer nicht mehr hofft, gibt sich auf.
Worauf hoffen Menschen im Gefängnis?
Es gibt große und kleine Hoffnungen. Zu den großen Hoffnungen zählt die Versöhnung mit der Familie. Man möchte wieder dazugehören und zumindest einen Kontakt haben. Das Ende der Haft zählt auch zu den großen Hoffnungen, ebenso die Hoffnung auf einen milden Richter oder eine milde Richterin. Die kleinen Hoffnungen sind auch wichtig. Da geht es um den Alltag im Gefängnis. Das Hoffen auf einen Besuch oder einen Brief. Das Hoffen auf ein gutes Auskommen im Haftraum. Das Hoffen, eine Arbeit in der Justizanstalt zu bekommen.
Was gibt den Gefangenen Hoffnung, was nimmt ihnen Hoffnung?
Hoffnung geben gute menschliche Beziehungen – im Gefängnis und außerhalb. Gute Beziehungen sind das Wichtigste. Dann eine Wohnung nach der Haft und ein Arbeitsplatz. Und überall dort, wo dies nicht gelingt, dort geht Hoffnung verloren.
Gute menschliche Beziehungen – wie können Sie als Gefängniskaplan für die Gefangenen zum Hoffnungsträger werden?
Es ist eigentlich ganz einfach: freundlich sein, die Hand geben, nicht verurteilen, Zeit für ein Gespräch haben, den anderen reden lassen und nicht nur selbst reden, ein gutes Wort mitgeben, sich Mitfreuen über gelungene Vorhaben, bei schwierigen Situationen die Handlungs-Spielräume suchen.
Als Gefängniskaplan begegnen Sie den Menschen im Gefängnis als Vertreter der katholischen Kirche. Welche Rolle spielt für Gefangene der Glaube beim Hoffen?
Der Aufenthalt im Gefängnis ist eine Grenzsituation. Wenn wir an eine Grenze im Leben kommen, dann tauchen große Fragen auf. Wir merken dann, dass wir nicht mehr alles im Griff haben. Und da können manche an religiöse Erfahrungen anknüpfen. An vertraute biblische Geschichten oder Gebete. Die Liturgie ist wichtig im Gefängnis: das gemeinsame Feiern, die schöne Musik, der Weihrauch, der andere Raum. Da gibt es dann Momente der Hoffnung, die Kraft zum Weitergehen geben.