Seit 14 Jahren ist P. Adrian Kunert SJ im Gertrauden-Krankenhaus in Berlin für Patienten und ihre Angehörigen da. Er steht ihnen zur Seite, wenn Krankheit das Leben schwer macht – oder enden lässt. Aus seinen Begegnungen mit Sterbenden nimmt Pater Kunert mit, sich nicht mit Belanglosigkeiten aufzuhalten, sondern mehr Wert auf die Dinge zu legen, auf die es wirklich ankommt.
Pater Kunert, welche Rolle spielt Hoffnung beim Gesundwerden?
Meine Erfahrung ist, dass Hoffnung eine sehr große Rolle spielt, gerade wenn es schwere Krankheiten sind. Bei vielen Krankheiten sieht es ohne Hoffnung schlecht aus, weil man eine Motivation zum Gesundwerden braucht, denn das ist anstrengende Arbeit.
Wenn Menschen nicht mehr auf Gesundheit oder zumindest Besserung hoffen können, worauf hoffen sie dann?
Das hängt stark davon ob, ob sie einen religiösen oder christlichen Hintergrund haben oder nicht. Wenn Menschen ihren christlichen Glauben nicht nur als Sonntagspflicht leben, sondern wirklich eine Beziehung mit Gott haben, dann ist es für sie deutlich leichter, sich in diese Situation hineinzubegeben. Gerade auch dann, wenn es um Sterben und Leiden geht.
Was machen Sie, wenn sich Patienten an Hoffnungen klammern, selbst wenn die medizinische Prognose schlecht ist? Ist Hoffnung dann nicht nur eine Illusion?
Es ist nicht meine Aufgabe, Leuten Hoffnung auszureden. Es gibt eine Technik, ähnlich wie bei Dementen: Man steigt mit den Menschen in die Situation ein und schaut, was ihnen Hoffnung gibt und sie aufbaut. Dann nimmt man auch andere Dinge in den Blick, zum Beispiel Dankbarkeit. Vielleicht kann man so eine zweite Schiene aufmachen, aus der Kraft gewonnen wird.
Wann kommen Sie als Krankenhausseelsorger zum Einsatz? Erst dann, wenn die Ärzte nicht mehr weiterkommen?
Wir werden nicht erst gerufen, wenn es ans Sterben geht, sondern es geht oft nur ums Dasein. Die Menschen werden ruhiger, wenn sie nicht alleine sind, selbst bei Krankheiten, bei denen wir denken: So schlimm ist es ja gar nicht. Es kann trotzdem sein, dass die Patienten innerlich sehr aufgeregt und unruhig sind. Wir werden dann gerufen, um mit ihnen zu sprechen. Mit Christen beten wir auch.
In dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, gibt es eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Seelsorgern. Wir haben keine Konkurrenz, sondern ein Miteinander. Wenn zum Beispiel das Behandlungsziel von kurativ zu palliativ geändert wird, dann werden wir Seelsorger informiert, um den Patienten beizustehen.
Gibt es Situationen in Ihrer Arbeit, in denen es Ihnen schwer fällt, die Hoffnung zu bewahren?
Bei Krankheiten, bei denen das Leiden so stark ist. Wenn man den Eindruck hat, dass die palliative Behandlung noch nicht gut angesprungen ist. Aber das waren in meinen 14 Jahren Krankenhausseelsorge zwei, drei Fälle, bei denen ich selbst knabbern musste. Von daher habe ich meistens Hoffnung.
Sie begleiten Menschen auf ihrem letzten Weg. Was hilft Sterbenden in diesen Stunden?
Eine schöne Sache ist, ihnen etwas in die Hand geben zu können. Mein Bruder macht kleine Holzkreuzchen, die ich immer wieder besorge. Die Menschen haben dann etwas, an dem sie sich in dieser Situation festhalten können. Es sind oft diese kleinen Dinge, die eine große Rolle spielen. Eine solche Hilfestellung ist wie ein Anker.
Hat sich durch Ihre Begleitung von Sterbenden etwas an Ihrer Einstellung zum Leben geändert?
Seit meiner ersten Stunde im Krankenhaus habe ich gesehen, dass manche Fragen vor dem Tod ganz schön bescheuert sind. Dass man sich über Dinge einen Kopf macht, über die man sagt: Das sollte jetzt, in dieser Situation, eigentlich keine große Rolle spielen.
Vielleicht sollten wir deswegen den Wert stärker auf die Dinge legen, die auch vor der Ewigkeit Bestand haben: was Liebe bringt, was Gemeinschaft baut. Als schöner Nebeneffekt meiner Tätigkeit habe ich entdeckt, sich nicht so sehr mit Belanglosigkeiten aufzuhalten, sondern mehr in die Gottesbeziehung und Beziehungen zu Menschen zu stecken.