Gut zwei Monate nach seiner 25-tägigen Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg kritisiert P. Jörg Alt SJ die Haftbedingungen in Bayern. In einem Bericht zu seiner Zeit im Gefängnis, den Pater Alt gemeinsam mit Experten aus Politik, Seelsorge, Forschung und Sozialarbeit im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg vorstellte, fasst Pater Alt seine persönlichen Einblicke zusammen. Grundlage sind neben seiner eigenen Erfahrung auch Gespräche mit Mitgefangenen, Justizvollzugsbeamten und externen Gesprächspartnern.
„Jeder Tag hier drin ist ein Tag umsonst“, habe ihm ein Justizvollzugsbeamter gesagt, als er im April 2025 für 25 Tage in die Nürnberger JVA zog. Zuvor war Pater Alt wegen zivilen Ungehorsams im Zusammenhang mit einer Straßenblockade für mehr Klimaschutz verurteilt worden. Über seine Beobachtungen während der Haft hat er nun einen Bericht vorgelegt – mit deutlicher Kritik.
Schnell sei er in der JVA als „Klimapfarrer“ erkannt worden, schreibt Pater Alt. Nicht nur diese Tatsache habe sich schnell herumgesprochen, sondern auch, dass er als Geistlicher eine gewisse Schweigepflicht habe: „Entsprechend klagten viele vertrauensvoll ihr Leid und baten mich, nach meiner Entlassung davon zu erzählen.“ Permanent begleitet habe ihn der Ausspruch eines Vollzugsbediensteten zu Beginn seiner Haft: „Viele hier brauchen psychologische Betreuung oder Suchtberatung, andere einen Streetworker und dann haben wir einen kleinen Rest, der gehört ins Gefängnis.“
Kritik an Personalmangel, Drogengebrauch und fehlender Resozialisierung
Pater Alt kritisiert konkret die Bürokratie und den Personalmangel. So hätten Bedienstete schon im April teils 100 Überstunden angesammelt und statt sechs Beamten pro Schicht seien oft nur zwei eingesetzt gewesen. Ähnlich sehe es bei der medizinischen Betreuung sowie bei der Betreuung durch Sozialarbeiter, Psychologen, Suchtberater oder Seelsorger aus. Darunter leide die Qualität: „Ein Gefangener schilderte mir die schwierige Zeit, in der er nach dem Tod seines Kindes war. Zwar bekam er ein Gespräch bei einem Psychologen, der Tenor des Gesprächs war dann der Rat, er solle nicht so oft an den Tod seines Kindes denken.“
Auch Drogen sind laut Pater Alt ein zentrales Thema. Ihr Konsum sei auch im Gefängnis möglich, entspreche aber oft nicht dem, was die Leute gewohnt seien. Entzugserscheinungen führten zu Aggression und Gewalt. „Wenn Menschen auf Entzug sind, kann man fragen, ob sie überhaupt zurechnungsfähig sind", so Pater Alt. Beantworte man diese Frage negativ, dann stelle sich die Frage, warum man sie überhaupt in einem normalen Strafvollzug unterbringe.
Wichtig ist Pater Alt das Ziel der Resozialisierung. Dieses sei in allen Bundesländern sowie im Bund als zentraler Zweck der Haft im Strafvollzugsgesetz priorisiert – noch vor dem Schutz der Allgemeinheit. Bayern habe diese Reihenfolge jedoch umgedreht. „Viele meiner Gesprächspartner sind überzeugt: So, wie die Entlassung in Bayern gerade bei vielen läuft, kann es nur schieflaufen“, so Pater Alt weiter. Viele Gefangene hätten Probleme, das in der Haft Gelernte in Freiheit auch anzuwenden. Viele fänden etwa ohne Arbeit keine Wohnung, aber ohne Wohnung auch keine Arbeit. Rückschläge seien da an der Tagesordnung.
10 Empfehlungen
Aus seinen Beobachtungen leitet Pater Alt zehn Empfehlungen ab. Um Haft insgesamt zu reduzieren, brauche es präventive Maßnahmen, eine Reform des Strafrechts und mehr Alternativen zur Freiheitsstrafe. Wo Haft unvermeidlich sei, müssten medizinische und psychologische Versorgung besser werden, besonders bei Suchterkrankungen. Der Strafvollzug müsse sich klar zur Resozialisierung bekennen – mit mehr qualifiziertem Personal, besseren Übergangsangeboten und erleichtertem Kontakt zur Außenwelt.
Gefangene sollten ihre Rechte durch eine unabhängige Beschwerdestelle wirksam vertreten können. Entzugsbehandlungen müssten humaner werden, medizinische Zweitmeinungen zugänglich sein. Schließlich benötigten die Bediensteten stärkere Unterstützung im belasteten Alltag.
(Quellen: KNA)
- Hier können Sie den Bericht von Pater Alt einsehen
- Bericht der Süddeutschen Zeitung: Klimapfarrer Alt kritisiert Bedingungen in Bayerns Gefängnissen