• Papst Franziskus im Kreis seiner jesuitischen Mitbrüder
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Jesuit und Papst: Franziskus – ein Nachruf

Von Andreas R. Batlogg SJ

Ignatius von Loyola (1491–1556) wollte ausdrücklich keine Jesuiten als Bischöfe haben. Aber schon früh wurde das Amt Jesuiten angetragen, nicht nur in der Mission. Man zählte auf die Integrität und Loyalität des neuen Ordens: Etwas missverständlich wurden die ersten Jesuiten im 16. Jahrhundert auch „preti riformati“ (Reformpriester) genannt, was jenseits der Alpen andere Assoziationen wachrief als diesseits, in deutschen Landen. Petrus Canisius (1521–1597) zum Beispiel sollte Bischof von Wien werden, auf Drängen Ferdinands I. Das konnte Ignatius verhindern. Der Preis für die erfolgreiche Verhinderung: Canisius musste ein Jahr lang als Administrator fungieren, also die Diözese verwalten, bis ein neuer Bischof gefunden war.

Aktuell gibt es etwa 67 Jesuitenbischöfe. Und acht Kardinäle. Vier von ihnen sind unter 80 und damit berechtigt, an einem Konklave teilzunehmen: seit 2019 Michael Cerzny (*1946), Präfekt des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen, und Jean-Claude Hollerich (*1958), Erzbischof von Luxemburg; seit 2023 Ángel Sixto Rossi (*1958), Erzbischof von Córdoba (Argentinien), sowie den Bischof von Hongkong, Stephen Chow Sau-yan (*1959), der zuvor Provinzial der chinesischen Jesuitenprovinz war. Nicht mehr wahlberechtigt sind die drei emeritierten Erzbischöfe von Jakarta (Indonesien), Julius Riyadi Daarmatmadja, der schon 2013 krankheitsbedingt dem Konklave fernblieb, von Kaunas, Sigitas Tamkevičius (*1938), und von Huancayo (Peru), Pedro Riccardo Barreto Jimeno (*1934), sowie der emeritierte Kurienkardinal Luis Ladaria Ferrer (*1944), der Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der Glaubenskongregation abgelöst hatte.

Ein Jesuit als Papst – eine große Überraschung

Ein Jesuit als Papst – das gab es bis zum 13. März 2013 noch nie. Die Wahl von Jorge Mario Bergoglio – seit 1992 Weihbischof, dann Koadjutor (1997) und Erzbischof (1998) von Buenos Aires – war eine große Überraschung. Und gewöhnungsbedürftig. Für die Kirche wie für den Jesuitenorden.

Bis heute gibt es in Argentinien kontroverse Einschätzungen unter Jesuiten, was seine Rolle als Provinzial (1973–1979) anbelangt: wegen der Militärjunta, die sich 1976 an die Macht putschte und das Land bis 1983 dominierte. Bergoglios Verhalten und Rolle bei der Entführung, Inhaftierung und Folterung zweier Jesuiten (1976), darunter der Ungar Franz Jalics (1927–2021), der später (seit 1978) in Deutschland lebte, 1984 im fränkischen Gries ein Exerzitienhaus aufbaute und bis 2004 leitete, ist bis heute umstritten. Dabei war Pater Bergoglio laut Nello Scavi Fluchthelfer. In dem Buch „Bergoglios Liste“ (2014) – eine bewusste Anspielung auf „Schindlers Liste“ – des italienischen Journalisten und Gerichtsreporters kann man auch nachlesen, dass Bergoglio sich jahrelang im Geheimen um Angehörige von Verschwundenen (desaparecidos) gekümmert hatte. Der argentinische Menschenrechtsaktivist und Friedensnobelpreisträger von 1980, Adolfo Pérez Esquivel, hat darin ein Vorwort verfasst. Er nahm Bergoglio von jeder Verdächtigung aus, im Unterschied zur „argentinischen Amtskirche“, die „in weiten Teilen Komplizin der Diktatur“ und „den historischen Umständen nicht gewachsen“ gewesen sei. Bergoglios Lehrer und späterer Berater, Juan Carlos Scanonne SJ (1931–2019), der seinerzeit bei Karl Rahner in Innsbruck studiert hat und in München bei Max Müller promoviert wurde, sagte: „Wir haben tatsächlich 20 Jahre gebraucht, um die volle Wahrheit über Padre Jorges Rettungsaktionen herauszufinden.“ Entscheidend ist, dass sich die Geschichten der „verhinderten Desaparecidos“, die „Padre Jorge“ ihr Leben verdanken, vervielfachen ließen, weil sich nach Veröffentlichung des italienischen Originals massenhaft weitere Zeugen meldeten – „La Lista di Bergoglio“ ist noch nicht abgeschlossen.

Jesuitenkardinäle im Konklave gab es immer wieder einmal. Einen Jesuitenpapst noch nie. Der 13. März 2013 war deswegen eine Premiere. So wie auch der Papstname, der zum Programm wurde: Franziskus – nach Franz von Assisi, dem menschenfreundlichen, den Armen zugewandten Gesicht der Kirche, der bis heute viele Christen und Nichtchristen und nicht nur sie in aller Welt inspiriert. Noch nie war ein Lateinamerikaner gewählt worden. Und zum ersten Mal seit über 1200 Jahren fiel die Wahl auf einen Nichteuropäer. Die Kirche brauchte Zeit, um all das zu verkraften. Der Jesuitenorden auch.

Zur Person:

Andreas R. Batlogg SJ

Andreas R. Batlogg SJ ist 1962 in Lustenau/Vorarlberg geboren und 1985 in die österreichische Provinz der Jesuiten eingetreten. 1993 wurde er zum Priester geweiht. Er hat Philosophie und Theologie in Innsbruck, Israel und Wien studiert und eine Promotion über Karl Rahners Christologie abgeschlossen. Er war bis Dezember 2017 Herausgeber und Chefredakteur der Kulturzeitschrift "Stimmen der Zeit" und Mitherausgeber der „Sämtlichen Werke“ Karl Rahners. Heute ist er Publizist und Mitglied des Seelsorgeteams von St. Michael in München. Zuletzt erschienen "Der evangelische Papst. Hält Franziskus, was er verspricht?" (Kösel, 2018) und "Durchkreuzt. Mein Leben mit der Diagnose Krebs" (Tyrolia, 2019).

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