• William Turner (1775–1851): Licht und Farbe – der Morgen nach der Sintflut. Mose schreibt das Buch Genesis.
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Karl Kern SJ: „Vorweggenommen in ein Haus aus Licht“

Was ist eigentlich gemeint, wenn von „Auferstehung“ die Rede ist? Und wie lebt ein Christ, der an den Auferstandenen und seine dauerhafte Gegenwart glaubt? Diesen Fragen geht P. Karl Kern SJ in seinem Gastbeitrag zu Ostern nach. Dafür wirft er einen Blick zurück zu Paulus in den Anfängen des Christentums und nähert sich dem Thema literarisch durch ein Gedicht von Marie Luise Kaschnitz. Warum sich das „Rätsel Auferstehung“ nicht nur mit einem Blick auf das Jenseits lösen lässt und was das für unser Leben im Hier und Jetzt bedeutet, das erklärt Pater Kern in seiner österlichen Betrachtung.

Von Karl Kern SJ

„Auferstehung“ ist im Deutschen ein theologisches Kunstwort. Die meisten Menschen verbinden damit ein irgendwie geartetes Weiterleben nach dem Tod. In der Bibel findet sich dieser Fachausdruck nirgends. Da ist von „aufstehen“ oder „aufgeweckt werden“ die Rede. Daher stellt sich die Frage: Passt die gängige Vorstellung von Auferstehung nach dem Tod überhaupt zu den Texten des Neuen Testamentes?

Hochgefühl, das vergeht

Werfen wir dafür einen Blick in die Anfänge des Christentums! Im Jahre 50 n.Chr. hatte Paulus nach eineinhalb Jahren in der griechischen Hafenstadt Korinth eine bunte, blühende Gemeinde aus Juden und Heiden gegründet. Der Apostel war inzwischen nach Ephesus weitergezogen und erhielt beunruhigende Nachrichten aus Korinth. Einige Leute dort sagten: „Ein Aufstehen Toter gibt es nicht“ (1 Kor 15,12).

Damit sollte indes nicht die Auferstehung nach dem Tod geleugnet werden. Vielmehr war für manche nach dem Enthusiasmus des Anfangs wieder der graue Alltag eingekehrt. Offenbar hatte Paulus in seiner Gemeinde eine Art Hochgefühl verbreitet. Doch die anfängliche Begeisterung war für einige verflogen, ähnlich wie sich nach einer Phase stürmischer Verliebtheit irgendwann Ernüchterung oder gar bittere Enttäuschung einstellen kann.

Lebenswende des Paulus

Für den Gründungsmissionar Paulus markierte unser Wort „Auferstehung“ seine entscheidende Lebenswende. Als gläubiger Jude hatte er nicht blindwütig, sondern in einem juristisch abgedeckten Verfahren die Jesusanhänger bis nach Syrien verfolgt. Doch vor Damaskus war ihm der Auferstandene „erschienen“. Diese Erfahrung war für ihn so umwerfend, dass sie seine gesamte Existenz völlig neu ausrichtete.

Sein früheres Leben empfand er wie ein Existieren als „Totgeburt“ (1 Kor 15,8). Nun fühlte er sich von einer neuen, ungeahnten Lebendigkeit und Freiheit durchflutet. Denn sein Glaube an den Gott Israels hatte sich zu einer universalen Vision geweitet: Er hatte den gekreuzigten Messias Israels als Retter aller Menschen, als Inbegriff der grenzenlosen Liebe Gottes erkannt.

Diese radikale Lebenswende wollte er von nun an als die Frohe Botschaft, als Botschaft von Kreuz und Auferstehung verkünden. Mit der Fackel seiner Begeisterung stürmte er durch das Römische Reich, um dieses innere Feuer zu verbreiten. Das zündete bei vielen, weckte allerdings auch massive Widerstände.

Eine neue Lebenseinstellung

Halten wir fest: In der ersten Christengeneration bedeutet „Auferstehung“ ein fundamentalneues Lebensgefühl im Hier und Jetzt. Doch niemand kann in der Dauerekstase leben. Unser Alltag ist geprägt von wechselnden Stimmungen, die manchmal zu Zerreißproben werden. Unsere durchmischten, oft auch widersprüchlichen Lebenserfahrungen werden für Paulus durch das umfassende Prinzip „Auferstehung“ zusammengehalten: Trotz allem Niederdrückenden und Beschwerlichen wieder „aufstehen“ und in geistiger Wachheit („aufgeweckt werden“) zu leben, heißt für ihn, an die Auferstehung oder besser, an den Auferstandenen und seine dauernde Gegenwart zu glauben.

Der gegenwärtige Herr

Dass der gekreuzigte Jesus von Gott auferweckt wurde und als „Herr“ an der Seite Gottes lebt, ist für Paulus Zentrum und Fundament seines Glaubens. Diese Botschaft hatte er von den ersten Augenzeugen übernommen und die Gegenwart des Auferstandenen vor Damaskus in unerhörter Weise selbst erfahren. Von da an lebte er täglich aus dem Kraftstrom, der ihm von seinem himmlischen Herrn zuströmte (1 Kor 15,1–11).

In den Widrigkeiten und Widerständen des Lebens, besonders jedoch in der eigenen Schwachheit, selbst im Seufzen und Stöhnen, spürte er: Wenn ich mich im Vertrauen auf Gott loslasse, mich ihm ganz übergebe, dann kommt mir der unsichtbare Geist Gottes zu Hilfe und stärkt meine eigene begrenzte Geisteskraft. Tägliches „Sterben“ und „Auferstehen“ wurde künftig für Paulus zum durchgängigen Lebenskonzept, das er anderen weitergeben wollte.

Schon der irdische Jesus hatte davon gesprochen, dass nur der Mensch sein Leben gewinnt, der es wegschenkt und verliert (Mt 16,25). Hingabe aus Liebe wird so zur Grundformel fruchtbaren Lebens. Bei Jesus steigerte sich diese Hingabe bis zur Preisgabe des eigenen Lebens. Und so nimmt der Seelsorger Paulus bei Problemen des Alltags (Streit, Rivalität, Ausgrenzung, sexuelles Fehlverhalten) immer Maß an der grenzenlosen Liebe des Gekreuzigten. Täglich „kleine Tode“ zu sterben wird zum Tor, das zur Auferstehung führt. Offenbar mangelte es den Auferstehungsleugnern in Korinth an dem Mut und der Geduld, die täglichen Widrigkeiten und Enttäuschungen im Vertrauen auf den bleibenden Beistand des Auferstandenen anzunehmen und anzugehen.

Auferstehung mitten am Tag

Wie lässt sich das Leben eines mit Christus Auferstandenen beschreiben? Wie fühlt es sich an, wie sieht es aus? Ein Gedicht von Marie Luise Kaschnitz (1901–1974) drückt in poetischen Bildern dieses neue Lebensgefühl aus:

Zur Person:

Karl Kern SJ

Pater Karl Kern SJ stammt aus Obernburg am Main in Unterfranken. 1968 trat er mit 19 Jahren in den Jesuitenorden ein und wurde 1976 zum Priester geweiht. Er hat als Hochschulseelsorger und Gymnasiallehrer gearbeitet. Ab 1996 baute er in Nürnberg die Cityseelsorge in der "Offenen Kirche St. Klara" auf. Von 2010 bis 2022 war er Kirchenrektor der Jesuitenkirche St. Michael in München. Seitdem ist er als Seelsorger sowie für das Fundraising der Hochschule für Philosophie in München tätig. Zudem ist Pater Kern Präses der Marianischen Männerkongregation "Mariä Verkündigung" und Kirchenrektor der Bürgersaalkirche in München.

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