• Fabian Retschke auf dem Provinzsymposium 2019 in Schwäbisch Gmünd.
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Kein romantischer Schwärmer

Die Gesellschaft Jesu feiert am 31. Juli das Fest ihres Ordensgründers Ignatius von Loyola. Der Novize Fabian Retschke schildert an drei Punkten, was ihn persönlich an dem Heiligen aus dem Baskenland fasziniert und welcher Rat des Ignatius für unser Miteinander heutzutage nützlich wäre.

Eine Gewohnheit von Ignatius möchte ich an den Anfang stellen: „Er stieg auf das Dach oder die Terrasse, von wo aus man den Himmel ungehindert betrachten konnte. Dort stellte er sich aufrecht hin, nahm sein Birett ab, und ohne sich zu bewegen, blieb er eine Weile stehen, die Augen fest gen Himmel gerichtet. Dann kniete er sich hin und verneigte sich vor Gott.“ Das schildert Pedro Ribadeneira, einer der ersten Jesuiten und Ignatius-Biograf, aus dessen Zeit in Rom. Ich erwähne es, weil ich selbst in diesem Sommer das Vergnügen hatte, auf der Dachterrasse einer römischen Jesuitenkommunität in den Nachthimmel zu schauen. Ich erwähne es aber auch, weil mir diese kleine Episode aus dem Leben des Gründers der Gesellschaft Jesu zeigt, wie sehr Ignatius nicht nur eine gewissenhafte und geniale Führungspersönlichkeit mit einem starken Willen war, sondern zutiefst ein Mensch, der sich von der Gegenwart des unendlich großen Gottes auch in den kleinen Dingen ergreifen lässt. Er war sicher kein romantischer Schwärmer, sondern einer, für den die geschaffenen Dinge von Gottes Herrlichkeit zeugen. Ich lese aus dieser Darstellung des Ignatius die Einladung, Gott auch in der Schöpfung zu suchen und sich von ihrer Schönheit berühren zulassen. Das gefällt mir sehr an diesem Mann, diese einfache Offenheit für den in allem und durch alles kommunizierenden Gott.

Was mir daneben Ignatius sehr sympathisch macht, ist die Tatsache, dass er sich mehrmals im Leben aus der Bahn hat werfen lassen. Eine Kanonenkugel zerschmetterte seine eitlen Pläne von einer ruhmreichen Karriere im Militär. Er war am Boden zerstört, ließ sich dann aber auf ein neues Leben als Pilger ein. Dann war er ganz fest davon überzeugt, der richtige Weg sei strengste Selbstdisziplin. Es hätte ihn fast umgebracht. Doch stattdessen mäßigte er die Bußen und konnte so eine gesunde Mitte finden, wurde sanfter und milder, richtiggehend charmant. Ignatius konnte schließlich seinen starken, aber nicht realisierbaren Wunsch, langfristig in Jerusalem tätig zu sein, aufgeben, um von Rom aus die entstehende Gesellschaft Jesu zu leiten. Er hat verstanden, dass es im Leben weniger darauf ankommt, nach Ansehen für großartige Leistungen zu streben, sondern mehr nach dem Willen Gottes zu suchen, der sich in Gefühls- und Gewissensregungen bemerkbar macht. Das feine Gespür dafür brachte ihm und denen, denen er Rat und Beistand gab, viel Trost und Frieden. Und Großartiges geleistet hat er ja trotzdem, nur eben für andere Menschen.

Einen letzten Punkt möchte ich nennen, den Ignatius mitgibt. Er rät in den Vorbemerkungen seines Exerzitienbuches zu dem Bemühen, die Aussagen des Gegenübers wohlwollend zu behandeln, sie wörtlich eher „zu retten, als sie zu verurteilen“, sich aufrichtig um das Verstehen des Anderen zu bemühen und notfalls „mit Liebe zu bessern“. Solch eine Empfehlung ist zu allen Zeiten angebracht und weise. Doch in einer gesellschaftlichen Stimmung, die manche mit „Polarisierung“ beschreiben, wäre der ernsthafte Versuch, den Anderen zu verstehen und verständlich zu machen in der Tat ein hilfreicheres Mittel als jedes Abstempeln mit Etiketten wie „progressiv“ oder „reaktionär“. Wenn wir Ignatius hierin folgen, verlieren wir uns nicht in selbstverliebten Empörungsspiralen und können eine wertschätzende Debattenkultur wiedergewinnen, die einer demokratischen Grundordnung würdig ist.

Fabian Retschke

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