Wichtiges von Unwichtigem im Alltag zu unterscheiden, ist eine Kunst. Pater Johann Spermann SJ muss als Direktor des Heinrich Pesch Hauses (HPH) in Ludwigshafen täglich Entscheidungen treffen, um den Betrieb am Laufen zu halten. Wie geht es ihm damit, Prioritäten zu setzen?
Sie sind 1991 in den Jesuitenorden eingetreten – welche Aspekte waren bei dieser Entscheidung ausschlaggebend?
Ich wollte in Gemeinschaft leben, beten und meditieren lernen und einen guten Ort haben, um herauszufinden, ob dieser Wunsch, Priester zu werden, tatsächlich so viel Fundament hat, um mich darauf einzulassen. Ich habe im Orden eine (innere) Heimat gesucht.
Was war weniger wichtig?
Da gab es kein wichtig oder nicht wichtig. Für manche Entscheidungen – und dies war eine davon – muss man sich Zeit nehmen. Man braucht dafür einen Ort und Hilfe, das ist das Wichtigste. Das habe ich im Noviziat gelernt und diese Hilfe vor allem bei meinen Novizenkollegen gefunden.
Als Direktor des HPH sind Sie für alle Bereiche im Haus verantwortlich. Wo spüren Sie im Alltag, dass Sie Prioritäten setzen müssen?
Ich halte nichts davon, eine getroffene Entscheidung zu vergötzen: Mit einer Entscheidung ist die
Arbeit noch längst nicht getan. Die Wirklichkeit ist doch so, dass sich Bedingungen verändern, und dann muss auch eine Entscheidung zurückgenommen oder angepasst werden. Wenn wir als Leitung Entscheidungen treffen, dann geht es nicht nur um Strukturen, sondern vor allem um Menschen. Sie müssen die Entscheidung verstehen, sie müssen wir motivieren und begleiten bei der Umsetzung. Einige brauchen dafür große Freiheit, andere kleinteilige Unterstützung. Und dann ist eine kontinuierliche Evaluation bei der Umsetzung erforderlich.
Das klingt sehr theoretisch. Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Ein Dauerbeispiel: Unser Haus läuft ungefähr vier bis fünf Monate auf Volllast, alle Seminarräume und Hotelzimmer sind belegt, alle Bereiche im Haus ausgelastet. Dann gibt es Zeiten – vor allem in den Ferien – mit deutlich weniger Arbeit. Deshalb ist die Personalstärke eine ständige Herausforderung und wir müssen uns fragen: Wie viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können wir uns leisten, und wie viele brauchen wir über die gesamte Zeit gesehen? Was können, dürfen und müssen wir unserem Personal abverlangen? In dieser Entscheidung müssen wir als Leitung viel Druck aushalten. Und wir können nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit oder nur auf die Menschen schauen. Das ist ein ständiges Abwägen.
"Ich halte nichts davon, eine getroffene Entscheidung zu vergötzen: Mit einer Entscheidung ist die Arbeit noch längst nicht getan. Die Wirklichkeit ist doch so, dass sich Bedingungen verändern, und dann muss auch eine Entscheidung zurückgenommen oder angepasst werden."
Was hilft Ihnen dabei, im konkreten Fall die eine oder doch die andere Priorität zu setzen?
Ich erlebe das Leitungsteam als sehr hilfreich. Jeder stellt seine Position vor. Manchmal üben wir uns auch in Rollenspielen: Wie schmeckt diese Entscheidung? Wer wollen wir sein? Wie wollen wir, dass das Haus funktioniert? Noch einmal auf die Gesamtleitung zurück kommend: Wie entscheiden Sie im Laufe eines Tages, wofür Sie Zeit aufwenden und was zurückstehen muss oder gar nicht möglich ist? Wenn ich morgens komme, ist diese Entscheidung längst getroffen. Ich schaue mir im Vorfeld immer die ganze Woche an mit den Terminen und Aufgaben, die vor mir liegen, und lege abends den Schwerpunkt für den nächsten Tag fest. Dazu führe ich Listen auf dem Schreibtisch und hake Themen ab, die erledigt sind.
Und das klappt?
(lacht) Nicht immer. Aber ich habe irgendwann beschlossen: Wenn ein Mitarbeiter mit einem Problem kommt, habe ich Zeit für ihn. Denn dann geht es nicht nur um die Arbeit, meist steckt auch etwas Persönliches dahinter. Und bis sich jemand aufmacht, bis zu mir zu kommen, ist schon viel passiert. Und dann ist der Druck meistens so hoch, dass es für ihn und/oder den Betrieb schädlich sein kann.
Wenn Sie Ihre Arbeit längerfristig betrachten: Welches Projekt oder Thema hat im Moment allerhöchste Priorität?
Ich beschäftige mich tatsächlich schon damit, wann ich meine Kisten packe. (Anmerkung: Pater Spermann wird Ende September das HPH verlassen.) Dabei geht es mir darum: Wie bereite ich den Übergang vor? Wie kann ich meinem Nachfolger einen möglichst optimalen Start ermöglichen? Neben allen operativen Entscheidungen stehen auch strategische Entscheidungen für die Zukunft an. Diese werde ich nicht mehr treffen, aber ich kann noch einen Rahmen setzen und Strukturen schaffen, damit es unter meinem Nachfolger gut losgehen kann.
Ein letzter Aspekt: Sie leben praktisch an Ihrem Arbeitsplatz. Wie gelingt es Ihnen, im HPH ein Privatmensch zu sein?
Die räumliche Nähe hat Vor- und Nachteile. Ich habe lange Arbeitstage und einen kurzen Arbeitsweg. Aber wenn ich im HPH bin, dann werde ich auch als Direktor angesehen – selbst wenn ich vom Joggen komme. Daher habe ich beschlossen: Wenn ich frei haben möchte, verlasse ich das Haus und Ludwigshafen.
Der Artikel ist freundlicherweise übernommen aus "inpuncto." (Frühjahr 2019), dem Magazin aus dem HPH.
Pater Johann Spermann SJ ist Theologe und Psychologe. Er ist 1990 in den Orden eingetreten und wurde 1999 zum Priester geweiht. Er hat seit 1995 in der Studentenseelsorge in Würzburg gearbeitet und war von 2009 bis 2019 Direktor des Heinrich Pesch Hauses in Ludwigshafen, wo er das Zentrum für Ignatianische Pädagogik (ZIP) aufbaute und ein Wohnbauprojekt, die Heinrich-Pesch-Siedlung initiierte. Aktuell ist er als Provinzökonom verantwortlich für die wirtschaftlichen Belange der Zentraleuropäischen Provinz der Jesuiten.
Der Diakon (altgr. διάκονος diákonos ‚Diener, Helfer‘) bekleidet ein geistliches Amt innerhalb der Kirche, den Diakonat. Seine Aufgaben beschränken sich nicht auf die Diakonie, sondern umfassen wie die der anderen geistlichen Ämter auch Verkündigung (martyria ‚Zeugnis‘) und Gottesdienst (leiturgia ‚Liturgie‘). Diakone waren ursprünglich Gehilfen der Apostel zur Verwaltung des gemeinsamen Vermögens und zur Leitung der gemeinsamen Mahlzeiten – und wohl damit verbunden auch der Eucharistie.
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