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„Man kann den Glauben nicht auf Slogans reduzieren“

„Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21) – zwischen dem Auftrag Jesu und der heutigen Realität liegen 2.000 Jahre und eine Reihe an Spaltungen. Nicht nur ist die Christenheit in die drei Hauptzweige Katholizismus, Protestantismus und Orthodoxie gespalten, sondern auch innerhalb jeder dieser drei Traditionen gibt es weitere Verästelungen. Und trotzdem gilt Jesu Auftrag: „Alle sollen eins sein.“ Das Bemühen um Ökumene, um Einheit trotz oder in Vielfalt, ist eine Antwort auf diesen Auftrag. Pater Bruno Füglistaller SJ engagiert sich als Co-Direktor des „Atelier Œcuménique de Théologie“ in Genf für gelebte Ökumene. Im Interview erklärt er, warum Ökumene und der Dialog miteinander gerade heutzutage entscheidend sind.

Pater Füglistaller, warum ist Ökumene so wichtig?

Weil unsere Welt von identitären, auch religiösen Rückzugsbewegungen durchzogen ist. Angesichts dessen zwingt die Ökumene zur Nuancierung, zur Komplexität. Sie verhindert Verkürzungen. Man kann den Glauben nicht auf Slogans reduzieren. Der ökumenische Dialog fordert dazu auf, die Geschichte, die theologischen Entwicklungen und die Unterschiede im Kontext zu berücksichtigen. Sie ist ein Schritt in Richtung Einheit – nicht in Uniformität, sondern in einer Dynamik, in der wir akzeptieren, zusammen zu sein und zusammen zu arbeiten, gerade auch mit unseren Unterschieden.

Inwiefern ist Ökumene eine Antwort auf diese aktuellen Herausforderungen?

In einer fragmentierten Welt, in der das Religiöse oft instrumentalisiert wird, erinnert der ökumenische Dialog daran, dass der Glaube in erster Linie eine Beziehung zu Gott ist, die je nach Tradition etwas anders gelebt wird. Dieser Dialog hilft uns, Äußerlichkeiten zu überwinden, den anderen zu verstehen und gemeinsam darauf aufzubauen. Die Einheit ist kein starres Ziel, sondern ein Weg.

Ist Ökumene zukunftsfähig?

Die Zukunft der Ökumene wird von unserer Fähigkeit abhängen, diesen Weg fortzusetzen, ohne uns angesichts der Hindernisse entmutigen zu lassen. Was die Einheit scheitern lässt, sind festgefahrene Gewissheiten und Ausgrenzungen. Dialog erfordert Geduld, Demut und Willenskraft.

Zur Person:

Pater Bruno Fuglistaller ist 1963 geboren und trat 1990 in den Jesuitenorden ein. Er arbeitet in der Werkstatt für Ökumenische Theologie (AOT) und in der Abteilung für Ausbildung der katholischen Kirche in Genf. Die Jesuiten haben ihn mit der Aufgabe betraut, die Exerzitien des heiligen Ignatius von Loyola in Genf bekannt zu machen und zu lehren. Er ist Mitglied des Redaktionsausschusses der Zeitschrift Choisir. Seit 2021 ist er Konsultor (Berater des Provinzials) der Zentraleuropäischen Provinz.

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