München - Acrylfarben, Kreide, Buntstifte – die Küche der Jesuitenkommunität Alberto Hurtado in München Sendling wurde für einen Abend zum Atelier. Auch Acqurellfarben, Brushpens, Washi-Tapes, Aufkleber, Pinsel, Paletten fanden an dem großen Esstisch ihren Platz. Zu ihrem wöchentlichen Kommunitätsabend haben die Jesuiten Katharina Sichla von „kreativ glauben“ eingeladen. Sie hat ihnen gezeigt, wie die Bibel zum Tagebuch werden kann. Denn darum geht es beim „Bible Art Journaling“. Bei dieser Form der Bibelarbeit werden zwei Dinge miteinander kombiniert: das klassische Bibelstudium und Art Journaling, eine Form des Tagebuchführens. Statt zu schreiben, wird dabei jeden Tag etwas gemalt oder gezeichnet. Die große Auswahl an Stiften und Farben hilft später dabei, dass für sich individuell richtige Material zu finden.
Ein geistlicher Prozess
Zunächst wurde sich - nach einer kurzen Stille - zur ausgewählten Bibelstelle (Matthäus 6, 5 -15), ausgetauscht. Ähnlich wie bei der ignatianischen Schriftbetrachtung wird eine Textstelle dabei verbildlicht. Beim Bible Art Journaling bleibt es jedoch nicht bei der Vorstellung, sondern die Bibelseite wird tatsächlich konkret gestaltet. Für Pater Christoph Soyer SJ war der Austausch mit den Mitbrüdern zuvor deshalb wichtig: „Es war ein geistlicher Prozess und eben nicht nur malen.“ Eine besondere künstlerische Begabung für die Methode ist daher nicht nötig. Perfektion wird nicht erwartet! Soyer hat später zu den Acrylfarben gegriffen. Ihm gefiel es damit zu experimentieren: „Das Material habe ich vorher noch nie benutzt.“
Das Material nutzen
Für die Gestaltung wurde die Bibelstelle auf etwas dickerem Papier und mit einem extra breiten weißen Rand zur Verfügung gestellt. So kann entlang des Textes oder auch über die Buchstaben gemalt werden. Wie es für jeden passend ist. (Es gibt auch extra Journaling-Bibeln, wodurch die Bibel durch die Gestaltung der Seiten wirklich zum persönlichen Tagebuch wird.) Jonas Linz SJ, der zurzeit Philosophie studiert, hat zwar schon mit verschiedenen Materialien gearbeitet und Bibelstellen verbildlicht, aber direkt in den Text zu malen war auch für ihn neu. Der 25-Jährige hat sich durch die Farbigkeit der Pastellkreide und der Intensität des Materials „kraftvoll ausdrücken“ können.
Mitbrüder anders kennenlernen
An den Kommunitätsabenden geht es vorrangig darum, mit den Mitbrüdern gemeinsame Zeit zu verbringen. „Wir sind keine Zweck-WG“, sagt Linz und betont: „Zum Jesuiten berufen zu sein, bedeutet auch zur Gemeinschaft berufen zu sein“. Bible Art Journaling biete neben der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Text eine „andere Möglichkeit die Mitbrüder kennenzulernen“. Denn jedes Bild sei ein Unikat, in dem die persönliche Beziehung zu Jesus und zum Text deutlich wurde – sein Fazit: „Bilder sagen mehr als Worte“.
Spiritualität ist „ein Weg zu Gott“, niemals abstrakt, sondern sie wird lebendig in jedem Menschen. Ignatianische Spiritualität bezieht sich auf die „Geistlichen Übungen“ (Exerzitien), mit denen der Hl. Ignatius von Loyola Menschen helfen wollte, Gott zu finden und ihr Leben auf Gott auszurichten. Er war überzeugt davon, dass Gott selbst in jedem Menschen wirkt und ihn in die Freiheit führen will, damit er verantwortet wählen und entscheiden kann. Ignatianische Spiritualität ist eine Spiritualität der Freiheit, der Unterscheidung und Entscheidung, und das Grundprinzip ist das Wachsen und Lernen. Sie ist eine Spiritualität der Dankbarkeit. Ignatius erlebte sich bei aller Gebrochenheit zutiefst als beschenkt, geliebt von Gott und durch Jesus Christus erlöst. Auf diese Erfahrung wollte Ignatius mit seinem Leben großherzig antworten und anderen dabei helfen, Gott in allen Dingen zu suchen und finden. Ignatianische Spiritualität ist eine Mystik des Dienstes. Die „Geistlichen Übungen“ wollen einen „Menschen für andere“ formen, wie es dem Lebensmodell Jesu entspricht.
Jesuitenorden
Wir Jesuiten - die "Gesellschaft Jesu" - sind eine Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche. "Jesuit" kommt von "Jesus". Und so verstehen wir uns auch: Wir sind "Gefährten Jesu", Männer, die in Freundschaft zu Jesus Christus leben und sich von Ihm in Dienst nehmen lassen. Hinter unseren Namen schreiben wir das Kürzel "SJ" für "Societas Jesu", was übersetzt heißt: Gesellschaft Jesu. Seit der Gründung 1540 durch Ignatius von Loyola leben und arbeiten wir für die Verkündigung des Evangeliums. Unsere Schwerpunkte sind der Dienst am Glauben, die Förderung der Gerechtigkeit und der Dialog der verschiedenen Kulturen und Religionen. "Gott suchen und finden in allen Dingen" und "Alles zur größeren Ehre Gottes" - mit diesen Worten drückt sich unser geistliches Profil aus. In der Zusammenarbeit mit vielen anderen, die unsere Vision und unsere Werte teilen, leben und arbeiten in der Zentraleuropäischen Provinz der Jesuiten derzeit 380 Patres und Brüder. Unser Einsatz konzentriert sich auf ► Bildung an unseren Schulen sowie Forschung an unseren vier Hochschulen ► Exerzitien (Geistliche Übungen), Glaubensorientierung und Seelsorge in den Jesuitenkirchen ► Soziales Engagement in der Flüchtlingsarbeit ► Internationale Kooperation weltweit und Dialog der Religionen.