1 / 10
Bild 1: SJ-Bild (alle Fotos)

„Menschen beistehen und auf ihrem Lebensweg begleiten“

Projektarbeit ist sein Ding. Als Eventmanager waren es Militärmusik-Festivals, als Redaktionsleiter ist es das Magazin „Jesuiten“ und nun kommt ein neues Projekt dazu: Priester sein. Ein lebenslanges Projekt, sagt Mathias Werfeli SJ. Der Schweizer stammt aus einer reformierten Familie, hat mit 16 Jahren eine Kirche mit byzantinischem Ritus kennengelernt, am Flughafen gearbeitet, im Militär gedient und Konzerte organisiert. Mit 38 Jahren entschied er sich, in den Jesuitenorden einzutreten. Am 19. Oktober ist er in Zürich zum Priester geweiht worden und freut sich auf diese „enorm spannende Entdeckungsreise“.

Sie sind als Spätberufener in den Jesuitenorden eingetreten. Was war der Auslöser dafür, dass Sie mit 38 Jahren diesen Schritt gegangen sind?

Ich hatte schon immer eine lebendige Beziehung zur Kirche und zu Gott. Ich war auf der Suche, aber ich war ganz zufrieden damit. Kirche, Gottesdienst und der Kirchenchor in Zürich, bei dem ich mitgesungen habe, waren für mich Orte, wo ich auftanken konnte, wo ich einfach da war, wo ich mich in ein größeres Ganzes einbringen konnte. Mit den Jahren wurde mir bewusst, dass ich das Spirituelle und Kirchliche mehr in mein Leben hineinnehmen möchte, aber habe den Weg dazu nicht gefunden.

Als ich im Eventmanagement für ein Musikfestival gearbeitet habe, war für mich klar: Das möchte ich nicht für den Rest meines Lebens machen. Ich war damals 37 und habe mir gedacht, dass ich mit 40 Exerzitien machen werde, um zu schauen, was ich mit meinem Leben anfangen möchte. Die Idee, Theologie zu studieren, war schon in der Luft, die Jesuiten eher noch nicht.

Die Agentur, in der ich gearbeitet habe, hat dann zwei größere Events verloren. Mein Job wurde gestrichen und als mir das mein Chef eröffnet hat, sah ich es als ein Zeichen Gottes: Gott will, dass ich mich jetzt, nicht erst in drei Jahren, dieser Frage stelle. Ich habe die Urlaubstage genommen, die ich noch hatte, Exerzitien gemacht und im Gebet wurde mir klar, dass der Weg zu den Jesuiten führt.

Sie waren nicht nur im Eventmanagement tätig, sondern auch am Flughafen und im Militär. Warum waren das alles keine langfristigen Perspektiven für Sie? Was hat Ihnen gefehlt?

Im Eventmanagement habe ich sehr viel gelernt. Mir gefiel die Projektarbeit, das mache ich auch jetzt als Jesuit: Jedes Mal, wenn ich ein Heft des Magazins „Jesuiten“ vorbereite, ist das ein Projekt. Doch Eventmanagement ist heutzutage ein sehr kompetitiver Bereich. Man muss es mögen, ständig in Verhandlung sein: mit den Partnern, den Anbietern, den Kunden. Letztlich muss man auch wirtschaftlich überleben. Es geht immer darum, die Kosten zu senken. Ich organisiere gerne Events, aber fünf Offerten einzuholen, nur um mit einer Offerte den anderen unter Druck zu setzen – das ist nicht meine Welt.

Sie haben sich dann bei den Jesuiten um Aufnahme ins Noviziat beworben. Warum haben Sie diesen Orden gewählt?

In Basel hatte ich schon einige Jahre lang über die Studentenseelsorge mit den Jesuiten Kontakt. Für mich war das Jesuitsein ein Lebensentwurf, der radikaler war als alles, was ich mir vorstellen konnte. Erst als ich mich wirklich damit befasst und auf Gottes, aber auch meine Stimme gehört habe, merkte ich: Das passt eigentlich! Es passt intellektuell, es passt spirituell, es passt von der ganzen Lebensführung für mich. Das Kommunitätslebens, die Art des Zusammenlebens der Jesuiten, ist mir enorm wichtig. Ich bin kein Benediktiner oder Dominikaner und könnte mir auch nicht vorstellen, Diözesanpriester zu sein. Ich brauche das Zusammensein mit den Mitbrüdern.

Anfangs hatte ich ein bisschen Scheu, weil ich mir gedacht habe: Mein Gott, das sind ja alles Intellektuelle. Doch ich habe gemerkt, dass auch ich meinen Platz dort habe, intellektuell und wissenschaftlich arbeiten darf und nochmal studieren kann. Das gefiel mir, denn das Akademische ist meine Welt.

Was hat ihr Umfeld dazu gesagt, als sie in den Orden eingetreten sind?

Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich, je nach der Situation, in der sich die Leute befanden, und in welcher Beziehung sie zu mir standen. Manche haben mir das nicht geglaubt und gesagt: Geh mal hin, du kommst nach einem Jahr eh wieder zurück. Andere waren in der Tat skeptisch. Sie haben mich gefragt: Wie kannst du nur dein Potenzial verschwenden an einen Orden, an die Kirche? Du solltest Karriere machen! Das waren aber ganz wenige. Die allermeisten waren sehr positiv. Sie haben mir zu diesem Schritt gratuliert.

In meiner Familie wurde es auch positiv aufgenommen. Meine Mutter war zu Beginn sehr enthusiastisch: Der Orden sei genau der Ort, wo ich hingehöre. Je mehr es aufs Noviziat zuging, desto zögerlicher wurde sie. Sie merkte, dass ich nicht mehr jede Woche anrufen oder vorbeikommen würde. Bei meinem Vater war es genau umgekehrt: Zu Beginn hat er mich gefragt, ob das wirklich sein müsse, dass ich doch lieber Karriere im Militär machen solle. Er hat sich jedoch über den Jesuitenorden informiert und gemerkt, was in ihm für ein Reichtum an Möglichkeiten steckt. Inzwischen reisen meine Eltern überall nach, wo ich bin, und nehmen die Gelegenheit wahr, so Europa kennenzulernen.

Hat der Glaube in Ihrer Familie eine große Rolle gespielt?

Wir sind eine klassische, nicht praktizierend reformierte Familie. Ich bin reformiert aufgewachsen und meine Eltern gingen zu Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen und an Weihnachten in die Kirche. Sie haben mit uns vor dem Ins-Bett-Gehen gebetet. Ich wurde reformiert konfirmiert mit dem Argument: Ihr dürft später gerne, wenn ihr wollt, die Kirche verlassen. Aber ihr müsst wissen, war ihr verlasst. Meinen Eltern war es beiden sehr wichtig, dass wir die Kirche kennenlernen. Meine Familie war ein Ort, wo der Glaube wach gehalten wurde und gleichzeitig sehr viel Freiheit herrschte, um ihn selbst entdecken zu können.

Mit 16 Jahren haben Sie die Ukrainisch-Griechisch-Katholische Kirche kennengelernt. Wie kam es dazu?

Ich war damals bei meiner Tante im Urlaub. Sie hat im Kirchenchor der Ukrainisch Griechisch-Katholischen Gemeinde gesungen und mich dazu mitgenommen. Mit der Liturgie, den Melodien und dem Gesang hat sich für mich eine ganz große Welt aufgetan, die Welt der Ostkirchen.

Man kann sagen: Es gibt keine Zufälle bei Gott. Aber dass ich in die ukrainische Ostkirche eingetreten bin, das war vielleicht Zufall. Es hätte auch eine andere Ostkirche sein können, in der meine Tante zufälligerweise mitgesungen hätte.

Was macht diese Kirche für Sie aus?

Die byzantinische Liturgie hat ein Zusammenspiel von Faktoren bewahrt, die helfen, ins Gebet reinzukommen: Mit dem Weihrauch wird der Geruchssinn aktiviert. Man hat etwas für die Augen und für die Ohren. Es ist wirklich ein Verspüren und Verkosten der Liturgie, sie ist nicht nur ein intellektuelles Mitvollziehen.

Das Schöne, das Gefühl, die so wunderbare Ästhetik sind aber nur Mittel, um ins Gebet zu kommen. Mit ihnen eröffnen sich die Gebete, Texte und Tagesgesänge. Sie sind von einem großartigen, dogmatischen Reichtum. Diese Ebene habe ich erst mit den Jahren entdeckt, zuerst war es einfach die Lust am Singen und die schöne Liturgie.

Warum möchten Sie Priester werden?

Um der Kirche und den Gläubigen zu dienen. Der Dienst an der Gemeinschaft steht im Mittelpunkt. Als Priester habe ich die Möglichkeit, diesen Dienst in einer besonderen Weise zu tun. Es geht darum, als geweihter Priester in einer besonderen Weise Gottes Gnade zu vermitteln. Ich bin nicht der Besitzer dieser Gnade Gottes, die ich quasi gnädiglich austeile. Ich bin als Priester nicht etwas Besseres. Es ist eine Verantwortung, die mir übertragen wird, dass ich als Priester Menschen beistehen und auf ihrem Lebensweg begleiten kann.

Wie haben Sie sich auf diesen Schritt vorbereitet?

Die Vorbereitung läuft seit Jahren. Beim Eintritt in die Gesellschaft Jesu wird man gefragt, als was man eintreten möchte: als Brudernovize oder als Scholastikernovize, der sich später auf das Priesteramt vorbereitet. Ich habe mich schon immer als Scholastikernovize gesehen. Ich kann nicht genau beschreiben, warum ich mich so entschieden habe, doch irgendwie war mir im Inneren klar, dass es auf diesen Dienst hinauslaufen wird.

Jedes Gebet, jedes Vertiefen der Beziehung zu Gott ist eine Vorbereitung auf die Ämter, zu denen wir berufen sind. Im Endeffekt hoffen wir alle, dass wir genügend auf unseren Dienst vorbereitet sind. Ob wir wirklich gut vorbereitet sind, das weiß nur Gott. Der Test kommt erst im Einsatz: Wenn ich zum ersten Mal als Priester hinter dem Altar stehe, werden wir sehen, ob ich bereit bin oder nicht.

Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft als Priester vor? Was nehmen Sie sich vor?

Ich stelle mir das Ganze als ein Einleben vor. Die Inkarnation ist in der ignatianischen Spiritualität ein wichtiger Begriff, weil sich alles im echten Leben konkretisieren muss. Wie ich mir früher immer gewünscht habe, dass das intellektuelle Leben, das Arbeitsleben und das spirituelle Leben eine Einheit bilden, wird es nun darum gehen, auch das Priestersein in diese Einheit zu integrieren. Das wird ein langer Prozess werden, wahrscheinlich werde ich für den Rest meines Lebens daran arbeiten dürfen. Ich werde schauen, wie ich mein Priestersein möglichst fruchtbar machen kann für die Gemeinde, in der ich bin, für die Gläubigen, für die Gemeinschaft der Jesuiten. Ich glaube, es wird eine enorm spannende Entdeckungsreise werden. Darauf freue ich mich sehr.

Interview: Eva-Maria Hartinger

Auf dieser Seite finden Sie Informationen zur und Bilder von der Priesterweihe von Mathias Werfeli SJ.

Ordination sacerdotale de Mathias Werfeli à Zurich

Zur Person:

Mathias Werfeli SJ

Mathias Werfeli wurde 1977 in einer reformierten Familie in Basel in der Schweiz geboren. Er studierte Geschichte und Anglistik an der Universität Basel. Schon während des Gymnasiums interessierte er sich für die ostkirchliche Spiritualität und Liturgie und sang im Chor der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Gemeinde in Zürich mit, in die er nach 15 Jahren übertrat. Gleichzeitig nahm er auch am Leben der Katholischen Hochschulgemeinde der Universität Basel teil, wo er die Jesuiten und die Spiritualität der Exerzitien kennen und schätzen lernte. 2015 trat er in den Jesuitenorden ein. Nach seinem Studium der Theologie und Philosophie in Paris absolvierte er ein Praktikum-Jahr in der Hochschulgemeinde aki in Zürich. Seit 2022 studiert er am Päpstlichen Orientale-Institut in Rom. 2024 wurde Mathias Werfeli SJ in Zürich zum Priester geweiht.

Newsletter

Das Magazin „Jesuiten“ erscheint mit Ausgaben für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Bitte wählen Sie Ihre Region aus:

×
- ×