Bis Ende Juni war Martin Löwenstein SJ Rektor des Aloisiuskollegs in Bonn-Bad Godesberg. Nun beginnt er seinen neuen Lebensabschnitt mit einer Radtour zur "schönsten Treppe Europas" in Odessa. Die Route führt ihn quer durch Deutschland, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Moldawien. Auf der Treppe in Odessa zu sitzen, ist für Martin Löwenstein SJ ein lang gehegter Wunsch – und ein Signal, dass der Krieg gegen die Ukraine nicht alles bestimmen darf.
Pater Löwenstein, als Rektor des Aloisiuskollegs in Bonn saßen Sie viel im Büro. Nun radeln Sie quer durch Europa nach Odessa und planen dafür sechs Wochen ein. Was machen Ihre Waden?
Es tut richtig gut, den Tag über in Bewegung zu sein. Die Waden sind nicht das Problem – und andere Körperteile auch nur für die ersten drei Tage.
Sie haben von einem Speichenbruch in Böhmen berichtet. Gab es weitere Verluste und Hindernisse?
Werkzeug dabei zu haben ist wichtig. Aber das ist Routine. Wichtiger ist beim heißen Sommerwetter viel Wasser zu trinken und es genießen zu können, mittags lange faul im Schatten zu liegen. Den letzten Teil der Reise werden wir zu zweit sein; das macht dann auch vieles leichter.
Wie viele Kilometer legen Sie pro Tag zurück und wo übernachten Sie eigentlich?
Durchschnittlich werden es so 65 km, maximal einmal 115 km am Tag. Das hängt sehr von der Steigung ab. Ich habe ein Zelt dabei und eine kleine Küche. Ich versuche Campingplätze zu finden, auch mal eine Pension, Jesuitenkommunitäten, wo sie auf dem Weg liegen – und manchmal kommt es anderes als geplant und bisher hat mir Gott dann immer Menschen geschenkt, die mir geholfen haben.
Was war bisher die schönste Etappe auf Ihrer Fahrt?
In Böhmen bin ich einige Kilometer mit einem jungen Ukrainer gefahren. Als der hörte, was ich vorhabe, fand er es einfach nur „cool“. Für die ersten Wochen tut mir aber auch die Einsamkeit auf dem Weg sehr gut.
Ihr Ziel ist es, auf der "schönsten Treppe Europas" zu sitzen – die befindet sich aber nicht in Rom, sondern in Odessa, sagen Sie. Wie sind Sie auf das Ziel gekommen?
Der Historiker Dan Diener hat mir mit seinem Buch „Das Jahrhundert verstehen“ 1999 gezeigt, dass man von dieser Treppe aus europäische Geschichte noch mal ganz neu verstehen kann. Und natürlich hatten mich die Treppenszenen in Sergej Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ von 1925 neugierig gemacht.
Sie haben Respekt vor dem Verkehr in Rumänien und vor den Bären in den Karpaten. Der Krieg in der Ukraine, der auch Odessa betrifft, macht Ihnen keine Sorge?
Der Krieg macht mir große Sorgen, für die Menschen, die in dieser Stadt und diesem Land leben und nicht nur zwei Tage zu Besuch sind. Für sie geht es nicht um den statistisch unwahrscheinlichen Fall, dort von einer Granate getroffen zu werden, sondern um ihre Zukunft und ein Leben ohne Angst. Deswegen bin ich dankbar, dass ich auf dem Rückweg in Ivano-Frankiwsk Station machen darf, um dort die neue Partnerschule des Aloisiuskollegs in Bonn kennenzulernen. Gerade jetzt braucht es solche Begegnungen.
- Begleiten Sie Pater Löwenstein auf seiner Fahrt nach Odessa in seinem digitalen Tagebuch mit Bildern und kurzen Texten zu den Etappen.