• P. Eugenijus Markovas SJ ist Schulseelsorger in Kaunas.
  • P. Eugenijus Markovas SJ. Ⓒ SJ-Bild/Christian Ender
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P. Eugenijus Markovas SJ: Beten ist ein mächtiges Werkzeug

Was kann das Gebet bewirken? Ist konkrete Hilfe nicht viel wirksamer, vor allem wenn die Ergebnisse greifbar sind? Der litauische Jesuit Eugenijus Markovas SJ ist Schulseelsorger in Kaunas. Er spricht im Interview mit dem christlichen Nachrichtenportal „Bernardinai“ über die Wirksamkeit des Gebets.

Angesichts des Krieges in der Ukraine haben Bischöfe zum Gebet aufgerufen. Manch einer hat sich gefragt: Reicht das? Wären konkrete Hilfsmaßnahmen nicht hilfreicher?

Zunächst sollten Aufrufe zum Gebet positiv gesehen werden. Im Zusammenhang mit dem Krieg ist das Gebet als Mittel manchen Menschen vielleicht gar nicht bewusst. Nicht selten kommt es als Reaktion auf die Aggression für Christen erst am Schluss. Wir sollten jedoch zuallererst über das Gebet sprechen.
Ich möchte die Frage daher weder mit einem „Ja“ noch „Nein“ beantworten. Wir sollten uns vor Augen halten, dass ein Großteil der Hilfe, die in die Ukraine fließt, nicht nur finanziell oder materiell ist. Ich glaube, dass das Gebet ein mächtiges Werkzeug ist, das die Herzen der Menschen verwandeln kann. Müssen sie entzündet werden, so inspiriert das Gebet zu Entschlossenheit, Kampf und Freiheit. Muss das Herz ruhig werden, so kann das Gebet die nötige Ruhe bringen.

Wie hängt das Gebet mit unserem Handeln zusammen? Beten wir, damit Gott etwas tut. Oder kann das Gebet auch mich verändern?

Oft stellen wir uns das Gebet nur als eine Bitte vor. Das hängt mit unserem Gottesbild zusammen: Ich bitte, und der gute alte Vater über den Wolken lässt es geschehen. Ich glaube nicht, dass dies eine angemessene Gebetsweise sein kann. Das Gebet ist vielmehr immer ein Beziehungsgeschehen, ein Gespräch – und in einer Beziehung sind Bitten allein nicht immer ausreichend. Beim Gebet sollten wir also von der Bitte mehr zur Gewissensbildung übergehen. Die Veränderung von mir selbst kann auch die Veränderung von Anderen bewirken.
Denken Sie nur daran, wie viel Hilfe das Gebet bringt. Jemand kann sich beispielsweise im Gebet dafür entscheiden, die Ukraine zu unterstützen. Meine Gedanken werden im Gebet zu Worten. Das Gebet wirkt also transformativ. Wir vertrauen Gott unsere Wünsche an.

„Bittet und es wird euch gegeben…! Denn wer bittet, der empfängt“, verspricht Jesus (Mt 7,7f). Aber so einfach ist es eben nicht: Ein Bekannter, der sich wirklich sorgt um die Ukraine, aber von den Nachrichten über den Krieg müde geworden ist, sagte mir, er habe aufgehört, für die Ukraine zu beten – denn der Krieg gehe ja weiter.

Was würde passieren, wenn Gott alle Gebete erhören würde – vor allem in einer solchen Konfliktsituation? Auf der einen Seite beten einige in die eine Richtung, auf der anderen Seite in die andere... Gott ist kein bloßer Wundertäter, er ruft uns zum Glauben auf. Glaube ist die Kraft des Gebetes, wenn man menschlich gesehen vielleicht gar nichts erwartet – aber dennoch seinen Glauben und sein Vertrauen in Gott wirken lässt.
Nehmen wir zwei Menschen, die heiraten und sich versprechen, einander in Krankheit oder im Unglück zu lieben, bis der Tod sie scheidet. Aber dann passiert etwas, und eine dieser Personen sagt zur anderen: „In guten Zeiten habe ich dich geliebt. Aber in schlechten Zeiten ist es vorbei, ich liebe dich nicht mehr...“ Das ist die gleiche Art und Weise, wie wir oft unsere Beziehung zu Gott erleben: Ich habe gebetet und gebetet, aber Gott ändert nichts. Der Krieg endet nicht, also hat unser Gebet nicht erhört. Es gibt ihn also nicht – warum sollten wir überhaupt beten?
Wir hören momentan in der Ukraine von Soldaten, Einheimischen und Geflüchteten, dass unsere Gebete und die der ganzen Welt ihnen eine unermessliche Hilfe sind. Meine menschlichen Augen sehen den Konflikt, das Blut, den Verlust, den Tod – und ich denke, dass Gott in dieser Situation fern ist. Aber ich kann darin auch Christus erkennen, der mit diesen Menschen leidet und mit ihnen stirbt. Und mit der Auferstehung hat der Tod keine Macht mehr. Wir hören aus der Ukraine, wie sehr das Gebet bewirkt. Wir können nur spekulieren, was anders wäre, wenn wir nicht so viel gebetet hätten.
Ich denke auch, dass das Gebet nicht zu mehr Konflikten führt. Denn eine der Früchte des Gebets sollte ein friedliches und kein hasserfülltes Herz sein. Im Gebet vertrauen wir unsere Erwartungen Gott an und überlassen ihm die Entscheidung. Im Gebet überlassen wir die Wünsche der Stille... Viele Dinge können wir dort hinterlassen.

Autor:

P. Eugenijus Markovas SJ ist 1979 geboren und trat 2004 in den Orden ein. Im Jahr 2015 wurde er in Kaunas zum Priester geweiht. Er studierte Philosophie in München und Theologie in Nairobi und Boston. Seit 2015 ist er Schulseelsorger am Jesuitengymnasium in Kaunas sowie Vizerektor an der St.-Franzis-Xaver-Kirche in Kaunas. Er ist Oberer der Kommunität in Kaunas.

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