P. Klaus Mertes SJ fragt: Heilung durch Gebet?

Ein Freund, ein katholischer Priester, berichtete P. Klaus Mertes SJ von der Heilung während eines Gebetsgottesdienstes in Cochin, Indien. P. Mertes flog hin um selbst nachzusehen.

Es kam, wie es kommen musste: Je mehr er davon erzählte, umso mehr hielten ihn die Leute für durchgeknallt. Ich glaube an die Möglichkeit von Gebetsheilung. Das Evangelium ist voll davon. Auch die Berichte aus den paulinischen Gemeinden sprechen eine deutliche Sprache. Warum sollte also mein Freund nicht auch eine solche Erfahrung gemacht haben? Wir sprachen darüber. Er lud mich schließlich ein, mit ihm nach Cochin zu fahren, denn er wünschte sich von mir eine Rückmeldung, was ich von diesem "Divine Retreat Center" halte. So flog ich im darauffolgenden Jahr nach Cochin zu einem einwöchigen charismatisch-katholischen Exerzitienkurs. Ich war beeindruckt: Tausende von frommen Menschen sangen, beteten und lauschten gemeinsam geistlichen Vorträgen und Glaubenszeugnissen, allesamt auf einem guten theologischen Reflexionsniveau.

Dann kam der Heilungsgottesdienst. Ich litt damals unter Arthritis-Schmerzen. Während des langen und lebhaften Gottesdienstes gingen sie leicht zurück. Schließlich hörte ich die Stimme des Predigers auf der Bühne: "Some of you have been healed from arthritis-pain. Please come forward and praise the Lord." Ich blieb sitzen. Warum? Die Stimme des Predigers klang mir zu sehr nach schnarrendem Befehlston. Auf so etwas reagiere ich allergisch. In den Vorträgen und Gebeten war mir das Motiv der Heilung zu sehr verknüpft worden mit Themen der Sexualmoral. Ich verstehe zwar den Zusammenhang von Heilung und Umkehr durchaus. Doch die thematische Engführung störte mich. Und schließlich dachte ich mir: Wenn Gott mich jetzt heilen will, dann macht er das nicht abhängig davon, ob ich nach vorne gehe oder nicht. Ich ging also nicht. Nach dem Gottesdienst kamen die Schmerzen zurück.

Was folgt daraus? Wie gesagt: Ich glaube an die Möglichkeit von Gebetsheilung. Ich glaube, dass sie ein Geschenk ist, nicht die Folge einer äußeren Leistung, die zu erbringen ist. Man kann aus der Tatsache, dass man keine Gebetsheilung erfährt, allerdings nicht schließen, dass man vor Gott etwas falsch gemacht oder unterlassen hat. Wer so redet, macht sich für Manipulation anfällig. Und: Die Anerkennung einer Gebetsheilung von außen ergibt nur Sinn, wenn sie von innen, also von der geheilten Person, ebenfalls so gedeutet wird. Die bloße Tatsache der Heilung ist jedenfalls noch nicht alles. Auch der Antichrist heilt, wie die Apokalypse zu berichten weiß. Die Anerkennung der Heilung ist deswegen immer auch eine Frage der Unterscheidung der Geister. Sie beginnt bei der geheilten oder nicht geheilten Person selbst. Mein Freund, der mich nach Cochin begleitet hatte, konnte meiner Sichtweise gut zustimmen.

P. Klaus Mertes SJ

 

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