Hoffnung weitergeben: Das ist eine Herausforderung, vor der Führungskräfte vor allem in Krisenzeiten stehen. P. Michael Bordt SJ begleitet sie mit seinem Institut für Philosophie und Leadership in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Menschen in Führungspositionen kommen mit der Hoffnung in Pater Bordts Kurse, mehr in Kontakt mit sich selbst zu kommen. Welche Rolle Hoffnung in seiner Arbeit mit Führungskräften spielt, erklärt er im Interview.
Pater Bordt, was gibt Ihnen Hoffnung, wenn Sie an Führungskräfte von heute denken?
Mir macht Hoffnung, dass mittlerweile auch in der Politik deutlich geworden ist, wie schwierig die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist. Hier ist ein großer Wille zur Veränderung und zum Aufbruch zu spüren. Ich habe den Eindruck, dass die große Lethargie überwunden ist und ein Wille zur Gestaltung da ist. Ob aus der Einsicht Taten folgen, wird man sehen.
Wie kann man als Führungskraft Hoffnung weitergeben?
Es gibt in Deutschland ein weitverbreitetes Phänomen: Statt durch Taten und Worte Hoffnung zu machen, sagen manche Führungskräfte, zum Beispiel in der Kirche: „Wir müssen wieder Hoffnung haben!“ Solche Apelle helfen überhaupt nicht weiter und zeigen ja nur die Frustration derer, die sowas sagen. Hoffnung vermittelt man durch das, was man tut und sagt, und welche Atmosphäre im Unternehmen herrscht. Führungskräfte prägen ganz wesentlich Atmosphären mit, viel mehr als nur über das, was sie sagen oder anordnen.
Wie klappt das in schwierigen Zeiten? Ich denke z.B. an die Krise in der Automobilbranche.
Der erste Schritt ist ein klares Eingeständnis auch der Schwierigkeiten, die da sind, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht den Eindruck haben: Hier wird Realität ausgeblendet, die ganz offensichtlich ist! Ein zweites Element ist, zu versuchen, die politische Diskussion mitzubestimmen: sich einzusetzen, auch in Brüssel, wie die Rahmenbedingungen etwa für die Automobilindustrie gestaltet werden sollen.
Solche Krisen bedeuten viel Druck. Wie können Führungskräfte selbst nicht die Hoffnung verlieren?
Ob jemand wirklich eine gute Führungskraft ist oder nicht, zeigt sich in Zeiten der Krise und der Herausforderungen. Das ist ein ganz allgemein menschliches Phänomen, das nicht nur auf Führungskräfte zutrifft. Die Frage ist, ob Menschen, wenn das Leben schwierig wird, schnell an ihre Grenzen kommen und impulsive, unüberlegte Entscheidungen treffen oder ob sie einen inneren Raum entdeckt und kultiviert haben, der ihnen Freiheit und Selbstbestimmung ermöglicht. Der ihnen ermöglicht, das zu tun, was sie angesichts des Drucks in diesen Situationen für gut und richtig halten. Daher kommt die Kraft, dass man nicht einfach emotional entscheidet und sich mitreißen lässt von Stimmungen, sondern überlegt: Was möchte ich – angesichts und trotz des Drucks, der da sein mag? Was halte ich für gut und richtig?
Spielt Glaube, Religion und Spiritualität eine Rolle, wenn Führungskräfte hoffen?
Im Institut für Philosophie und Leadership haben wir in den vergangenen 13 Jahren mit etwa 700 Führungskräften zusammengearbeitet. Die Leute, die auf uns zukommen, sind ein winziger Teil der Menschen, die mit dem Thema Führung zu tun haben. Sie haben schon ein Vorverständnis davon, dass es wichtig ist, in einen Abstand zu sich selbst und zu dem inneren Druck zu kommen. Sie sind offen für Meditation, Selbstwahrnehmung, Stille, Reflexion. Insofern kann man diese Frage schwer beantworten, weil die Millionen, die nicht zu uns kommen, vielleicht ganz anders sind.
Mit welchen Hoffnungen kommen Führungskräfte in Ihre Kurse?
Mit der Hoffnung, dass sie mehr in Kontakt mit sich selber kommen und aus der Philosophie und der Spiritualität des Jesuitenordens Methoden lernen, sich selbst Antworten auf die Fragen zu geben, mit denen sie in unsere Kurse kommen. Die konkreten Fragen sind je nach Alter und Umfeld sehr unterschiedlich, aber alles kreist um die Frage: Habe ich den Eindruck, dass das, was ich mache, wirklich zu mir passt? Wird mich die Entscheidung, die ich treffen möchte, zu einem glücklichen Menschen machen? Glücklich nicht in dem Sinne, dass es mir emotional ständig gut geht, sondern dass ich den Eindruck habe, dass das, was ich tue, sinnvoll ist, dass ich mein Leben bejahen kann, so wie es ist, mit allem Druck und aller Anspannung, die es gibt.
Spielt Hoffnung in Ihren Angeboten für Führungskräfte eine Rolle? Kann man Hoffnung „lehren“?
Was wichtig ist, ist eine Unterscheidung: Hoffnung und Optimismus. Optimismus heißt, man sieht das Glas halb voll und denkt, dass alles immer besser wird. Es gibt auch eine Art von Hoffnung, die mit Optimismus sehr ähnlich ist: Man hofft, dass bestimmte Dinge eintreten werden, die gut für einen selber und die Firma sind und hat auch eine konkrete Vorstellung davon, was das sein soll.
Hoffnung ist aber eigentlich viel mehr: Hoffnung ist eine Haltung dem Leben und der Welt gegenüber. Dass sich Wege zeigen werden, die zum Guten führen, selbst wenn ich nicht einmal erahne, wie sie aussehen werden. Hoffnung als eine Haltung des Menschen bedeutet, ein waches Gespür zu entwickeln, wo sich in den ganzen Krisen Wege zeigen, die vielleicht völlig neu sind, aber eben nicht ins Verderben führen werden. Es gibt im Englischen diesen schönen Ausdruck „serendipity“. Das ist im Grunde ein Wachsein für die Chancen, die sich aus Situationen ergeben. Das finde ich richtig.