Wien (KAP/r) - Der in Europa aufkeimende Rechtspopulismus steht im starken Gegensatz zum katholischen Gemeinwohlprinzip und stellt die Kirche vor eine Reihe von "Hausaufgaben": Das hat der deutsche Sozialethiker und Jesuit Michael Hainz am Dienstag bei einer Wiener Veranstaltung der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe) dargelegt. Vor allem gehe es darum, als "Gegengift" Kommunikation, Wertschätzung und Vernetzung hochzuhalten, demokratische Strukturen zu stärken und gesellschaftliche Probleme mit guter Wirtschafts- und Sozialpolitik zu begegnen, so Hainz, der an der Universität Leipzig und an den Hochschulen der Jesuiten in Krakau und Frankfurt/Main forscht und lehrt.
Bei Rechtspopulismus handle es sich um eine "dünne und nicht konsistente Ideologie", die jedoch sehr anschlussfähig an verschiedene Weltbilder sei, skizzierte Hainz. Politik werde dabei als Ausdruck des "allgemeinen Willen des Volkes" verstanden und eine Spaltung in zwei Lager - das "reine Volk" und die "korrupte Elite" - vorgenommen. Rechtspopulisten reklamierten für sich den "dezidiert moralischen Anspruch, den allgemeinen Willen des Volkes vollständig zu repräsentieren". Im Sinne eines "Neoautoriatismus" werde eine "Dominanz über die Schwachen, die Minderheiten und Fremden" hergestellt und Solidarität auf die Grenzen der eigenen nationalen Gemeinschaft verengt.
Geschlechterungerechtigkeiten versuche der Rechtspopulismus unsichtbar zu machen, indem die sogenannte "Genderfrage" skandalisiert werde. Damit würde laut Hainz de facto die männliche Übermachtposition innerhalb von Ehe-, Familien- und privaten Lebensformen weiter gefestigt. Dieser Blick stünde laut dem Jesuiten im Widerspruch zur biblischen "Gottesebenbildlichkeit" des Menschen und damit zur grundlegenden Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Die Kirchen seien in die Pflicht zu nehmen, Geschlechterungerechtigkeiten zu thematisieren und aus eigenen Quellen zu bearbeiten.
Aus Sicht der Katholischen Soziallehre verweigere sich der Rechtspopulismus der "universalen Dynamik des katholischen Gemeinwohlprinzips", bei dem es sich um ein die gesamte Menschheitsfamilie im Blick habendes, umfassendes Gemeinwohl handle. Der Rechtspopulismus leiste auch keine "substantiellen Beiträge" zur Ökologie - sichtbar etwa an US-Präsident Donald Trump, der das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt hatte. Hinsichtlich der intragenerationellen bzw. sozialen Gerechtigkeit fehlten in rechtspopulistischen Parteiprogrammen systematische Bestandsaufnahmen sozialer Ungerechtigkeit und die Auseinandersetzung mit den systematischen Ursachen.
Besonders kritisierte der deutsche Sozialethiker den von ihm beforschten Politiktrend jedoch für den Ausschluss und die Ausladung, etwa von Geflüchteten, Muslimen oder "sozialen Verlieren". Es handle sich um eine "von Christen nicht akzeptierbare Kontraposition zur Sozial- und Gemeinschaftsform des Reiches Gottes", welche in der Bibel im "Mahl" versinnbildlicht sei. Gemessen an biblischen und spirituellen Kriterien, würde der Rechtspopulismus "Dämonen eintreiben" statt wie Jesus auszutreiben. Dies geschehe etwa durch systematisches, "bewusstes Schlechtreden" demokratischer Instanzen und von Menschengruppen wie etwa von Flüchtlingen. Dass damit Angst geschürt und Hass verbreitet werde, hätten Vergleichsstudien in Ungarn bewiesen.
Die Zivilgesellschaft müsse aufgrund dieser Entwicklung eine Reihe von "Hausaufgaben" ins Auge fassen, so der Appell des Ordensmannes. Zunächst gelte dies für den Bereich der Kommunikation: Gegenüber Personen, die rechtspopulistische Positionen vertreten, brauche es stets wertschätzendes Auftreten und Argumentieren. Faire Regeln in den Alltags- und Verhandlungsprozessen sowie die Stärkung der "demokratischen Infrastruktur" und des "Sozialkapitals" seien wichtig. Wo Äußerungen oder Aktionen menschenverachtend oder grob ausgrenzend seien, gelte es freilich entschieden und klar zu widersprechen und dagegen zu handeln.
Weitere Ratschläge des Religions- und Kirchensoziologen: "Brücken bauen", durch Vernetzung, Beziehungsarbeit und Wahrnehmung gesellschaftlicher Sorgen und Probleme. Runde Tische oder Dialogkreise seien ein "Gegengift" zur rechtspopulistischen Devise des Teilens und Herrschens, jegliche Untertanenmentalität - die auch in der Kirche verbreitet sei - gelte es zu überwinden. Politik müsse sich mehr statt weniger am Gemeinwohl orientieren, und speziell für die Kirchen sei die Ermöglichung religiöser Beheimatung ein wichtiger Auftrag: "Ergänzend zum gesellschaftspolitischen Engagement braucht es menschliche und spirituelle Beziehungsangebote sowie Kirchenräume, wo auch Geborgenheit - das Gefühl, "in der Fuchshöhle Jesu" zu sein - erfahren werden kann", betonte der Ordensmann.