• Dieter Müller SJ (Mitte) nimmt im Ukama-Zentrum zwei Flüchtlinge auf
  • Gemeinsames Mittagessen von Jesuiten und Flüchtlingen
  • Deutschunterricht für Flüchtlinge im Ukama-Zentrum
  • Gemeinsam Advent feiern (Foto von 2023)
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Bild 1: Ukama-Zentrum (alle)

Schutz und Leben im Kirchenasyl

Angriffe auf Kirchenasyl haben in den letzten Monaten zugenommen: Räumungen, versuchte Räumungen und Räumungsandrohungen gefährden den kirchlichen Schutzraum für Menschen, denen bei Abschiebung Gefahren für Leib und Leben oder unmenschliche Behandlung drohen. Bruder Dieter Müller SJ ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche. Er lebt im Ukama-Zentrum der Jesuiten in Nürnberg, das seit April 2022 in drei Zimmern Kirchenasyl gewährt. Im Gastbeitrag schreibt er, wie sich das Kirchenasyl in Deutschland entwickelte, und erzählt vom Alltag mit Flüchtlingen im Kirchenasyl.

Von Dieter Müller SJ

Inspiriert von der „Sanctuary“-Bewegung in den Vereinigten Staaten etablierte sich die Idee des Kirchenasyls in den 1980er Jahren in Deutschland. Doch erst rund 30 Jahre später verbreitete sich diese Idee rasant – ausgelöst durch die Räumung eines Kirchenasyls in Augsburg am 18. Februar 2014. Eine tschetschenische Frau mit ihren vier Kindern wurde zurückgeschoben nach Polen, wo sie zuvor durchgereist war – ein typischer sogenannter Dublin-Fall. Die Aufregung war groß und die Presse berichtete tagelang. Seitdem bin ich für den Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) als Berater und Unterstützer von Pfarreien und Ordensgemeinschaften in Bayern zu diesem politisch und rechtlich brisanten Thema tätig. In meiner Kommunität im Ukama-Zentrum für sozial-ökologische Transformation in Nürnberg gewähren wir kontinuierlich in drei Räumen Kirchenasyl.

„Wir wurden geschlagen, auf engstem Raum unter katastrophalen hygienischen Bedingungen eingesperrt und bekamen nur wenig zu essen. Der Albtraum endete erst, als wir unsere Fingerabdrücke zur Registrierung abgaben. Dann brüllten sie uns an: Verschwindet!“ Viele Geflüchtete, die über Bulgarien kommen, erzählen Geschichten wie diese. Auch in einigen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union herrschen menschenrechtlich fragwürdige Zustände, sei es wegen Misshandlung oder völliger Vernachlässigung von Flüchtlingen.

Ein faires Asylverfahren in Deutschland ermöglichen

Die europäische Dublin-Verordnung sieht vor, dass der Mitgliedstaat der Ersteinreise für das Asylverfahren zuständig ist. Die Registrierung durch Abnahme von Fingerabdrücken ist obligatorisch. Wenn Flüchtlinge in einen anderen Mitgliedstaat weiterziehen, haben die dortigen Behörden sechs Monate Zeit, die Rücküberstellung zu organisieren, andernfalls werden sie für das Asylverfahren zuständig. An dieser Stelle kommt das Kirchenasyl ins Spiel. Es überbrückt die Zeit, um Flüchtlingen, die zuvor schlimme Erfahrungen in einem Mitgliedstaat gemacht haben, ein faires Asylverfahren in Deutschland zu ermöglichen.

Der Ablauf eines Kirchenasyls ist wie folgt: Am Tag der Ankunft eines Flüchtlings in Pfarrei oder Ordensgemeinschaft muss dies bei den zuständigen Behörden gemeldet werden. Und innerhalb der folgenden vier Wochen muss ein Dossier eingereicht werden, in dem die Härten erläutert werden, denen der Flüchtling in dem anderen Mitgliedstaat ausgesetzt war. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) prüft das Dossier und entscheidet, ob Deutschland das Asylverfahren freiwillig übernimmt. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird das Dossier jedoch abgelehnt. Das Kirchenasyl muss dann bis zum Ende der sechsmonatigen Frist fortgesetzt werden.

Die Bedeutung des Herkunftslandes

Bei der Aufnahme ins Kirchenasyl ist es auch wichtig, das Herkunftsland zu berücksichtigen. Die Chancen auf ein erfolgreiches Asylverfahren in Deutschland sollten vorab erwogen werden. Syrer und Afghanen haben eine sehr gute Bleibeperspektive, weshalb sie den größten Teil der Kirchenasyl-Flüchtlinge ausmachen. In den letzten Jahren wurden jährlich zwischen 1.000 und 2.000 Kirchenasyle gewährt. Allerdings übersteigt die Zahl der Anfragen – sei es von den Betroffenen selbst, von Anwälten oder von Unterstützern – die Zahl der verfügbaren Plätze bei weitem.

Wie sieht der Alltag eines Flüchtlings im Kirchenasyl aus? Im Ukama-Zentrum leben die Flüchtlinge nicht getrennt von uns Jesuiten. Sie sind vorübergehend Mitglieder der Hausgemeinschaft. Hier fangen sie an, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, üben so gut es geht die deutsche Sprache, lernen unsere christliche Lebensweise kennen, so wie wir etwas über ihre meist islamische Herkunft und ihre Familien in Afghanistan, Syrien oder anderswo erfahren. Wenn ihr Kirchenasyl beendet ist, sind sie in Deutschland keine Fremden mehr.

Das sagen Flüchtlinge zum Kirchenasyl im Ukama-Zentrum

Lassen wir einige Flüchtlinge zu Wort kommen, die nach ihrem Aufenthalt bei uns an die Kommunität geschrieben haben:

„Liebe Leute, wie geht es euch? Mir geht es gut, und ich habe einige Neuigkeiten. Ich habe einen Einstufungstest gemacht und dann die Bestätigung bekommen, dass ich jetzt sofort den Deutschtest machen kann. Und letzte Woche habe ich den Bescheid vom BAMF bekommen: Ich habe den Flüchtlingsstatus erhalten! Ich bin so glücklich! Auch Fayaz und Mustafa sind glücklich. Fayaz hat den Bescheid bekommen: „Abschiebung verboten“, und Mustafa wartet noch auf die Entscheidung über seinen Fall.“

„Hallo Dieter, ich bin jetzt bei einem Freund. Ich danke euch allen von ganzem Herzen. Möge Gott euch Erfolg gewähren. Möge Jesus euch vor allem Bösen beschützen. Im Namen unseres Meisters Muhammad, möge Gott euch segnen und euch Frieden gewähren.“

„Liebe Familie, anlässlich der Geburt von Jesus Christus ­– möge Gott ihn segnen – und zu Beginn eines neuen Jahres übermittle ich euch meine herzlichsten Glückwünsche und Segenswünsche. Ich bitte Allah, euch glücklich zu machen und dass er nie aufhört, eure Herzen zu erfüllen. Weihnachten bringt eine Botschaft des Himmels mit sich, die Liebe und Frieden verkörpert. Ich wünsche euch Tage voller Segen und Güte.“

Zur Person:

Dieter Müller SJ

Bruder Dieter Müller SJ hat als Betriebswirt und Krankenpfleger gearbeitet und ist 1997 in den Jesuitenorden eingetreten. Er hat zunächst in Berlin beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst (Jesuit Refugee Service, JRS) gearbeitet und arbeitet heute von Nürnberg aus. Er hilft Menschen, die von Abschiebung bedroht sind durch Seelsorge und Rechtsberatung, und begleitet Kirchenasyle.

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