• Die Trauerwand in St. Klara, Nürnberg
  • Das Kreuz von St. Klara in Nürnberg.
  • Manfred Hösl SJ, Pfarrer in St. Canisius in Berlin.
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SJ-Citypastoral als „Third Place“

Trotz aller Vielfalt in den jesuitischen Pfarreien haben sie etwas gemeinsam: Die Lage hat sich überall drastisch verändert, doch die Citypastoral könnte eine Antwort sein. Die Pfarrer und Cityseelsorger der Jesuiten aus Österreich, Schweiz, Schweden und Deutschland haben sich zu ihrem traditionellen gemeinsamen Austausch getroffen, um Erfahrungen und Herausforderungen zu teilen. Tagungsort war diesmal Nürnberg.

Wie immer ließ man sich für die Berichte aus den einzelnen Standorten viel Zeit. Jeder Ort hat seine Möglichkeiten, aber auch seine Baustellen und Herausforderungen. Während die einen relativ viel Geld zur Verfügung haben, müssen andere mit wenig auskommen. Manche haben vergleichsweise viel Personal, andere müssen sich weitgehend mit Ehrenamtlichen helfen. Einige Standorte haben einen sozialen Schwerpunkt, andere feiern klassische Liturgien mit Orchester, wieder andere versuchen mit avantgardistischen Veranstaltungsformaten neue Zielgruppen zu erreichen. Manchmal sind es junge Familien, die im Fokus stehen, manchmal großbürgerliches Publikum.

Grundsätzlich ist aber an allen Orten zu spüren, dass sich die Lage drastisch ändert und lange Bestehendes in dieser Form nicht mehr zu halten sein wird. Schon allein wegen der alarmierenden Nachwuchssituation des Ordens bzw. der Kirche überhaupt. Das machte auch der Provinzial der österreichischen Provinz, Bernhard Bürgler SJ, am Ende der drei Tage deutlich. Da muss man kein Prophet sein – ein nüchterner Blick auf die Zahlen genügt um zu wissen: Wir können beim besten Willen nicht mehr alles „halten“! Die Frage ist nur: Wo ziehen wir uns zurück und wo bleiben wir präsent?

Strategisch auf den Wandel reagieren

Ein Höhepunkt des dreitägigen Treffens war das Statement der Regensburger Pastoraltheologieprofessorin Dr. Ute Leimgruber. Sie hatte die Internetseiten der SJ-Orte sorgfältig studiert und versuchte eine Schneise in den „urbanen Dschungel“ zu schlagen: Was heißt Citypastoral? Welche Möglichkeiten und Grenzen gibt es? Die Kirche ist in einer Marktsituation. Es gilt räumlich und zeitlich präsent zu sein und eine kluge, unaufdringliche, aber effektive Missionsstrategie zu entwickeln. Es gilt „dauerhaft Gelegenheit zu bieten“, so die Regensburger Dozentin. Man muss verlässlich da sein, wohl wissend, dass immer weniger regelmäßig kommen. Aber wenn sie kommen, müssen sie Gesprächspartner finden.

Das immer noch dominierende parochiale Territorialsystem greift zwar immer noch, aber immer weniger. Wir sind immer noch vom tridentinischen Konzil geprägt: alle Katholiken gehören zu irgendeiner Gemeinde und müssen „versorgt“ werden. „Versucht nicht die untergehenden Pfarreien zu retten“, war dagegen aus der Runde zu hören.

Stattdessen könnte man, so Frau Leimgruber, eine Pastoral des „Third place“ anbieten: Damit Menschen in den Städten gut leben können, brauchen sie – neben der eigenen Wohnung und dem Arbeitsplatz – einen „dritten Platz“. Dieser Platz könnten die Citykirchen mit ihren Angeboten sein. Sie müssen sich aber gegen andere Anbieter (z.B. Bibliotheken, Bildungs- oder Sporteinrichtungen, usw.) erst durchsetzen und bewähren. Dabei haben die Orden Chancen, die die Diözesankirche so nicht (mehr) hat, weil diesen die Sicherstellung des pastoralen Grunddienstes schon alles an finanziellen und personellen Mitteln abverlangt.

Citypastoral muss anders sein

Wie eine Citypastoral in einer modernen Großstadt aussehen kann, zeigten P. Ansgar Wiedenhaus SJ und sein Mitarbeiter, Pastoralreferent Jürgen Kaufmann an St. Klara in Nürnberg. Es gibt in Nürnberg schon viele katholische Gemeinden – eine weitere braucht’s wirklich nicht! Stattdessen versuchen die beiden, zusätzliche Angebote zu machen, die es in der Standardgemeinde so nicht gibt: Feuerkünstler beleuchten das Pfingstfest, ein literarischer Karfreitag oder auf Seilen tanzende Künstler mitten im Kirchenschiff! Es gibt Angebote für Trauernde, Gedenkgottesdienste für verstorbene Drogenabhängige und deren Hinterbliebene, alternative Heiligenfeiern (St. Patricks- und St. Andrews Day, Valentinstag, Ignatius, Nikolaus…), Blues- und Soul für Bethlehem statt klassischer Christmette, u.v.a.m. Mit vielen Formaten erreicht man Leute, die sonst nie eine Kirche betreten würde, so die beiden Theologen aus Nürnberg. Selbstverständlich gibt es aber auch das normale Standardprogramm wie Messen und Beichtzeiten! Und dass auch Einsatz für Arme dort auf der Agenda steht zeigte die alternative Stadtführung mit dem Obdachlosen Klaus am Dienstagabend. Er zeigte neuralgische Punkte in der Innenstadt, wie die Wärmestube mit Fixerbesteckautomaten, eine öffentliche Toilette, die als Schlafplatz benützt wird oder das Sleepin, in dem jugendliche Ausreißer übernachten können.

Citypastoral der Jesuiten

Wie soll Citypastoral der Jesuiten zukünftig gestaltet werden? Hier war man sich nicht einig. Während Ludger Joos SJ aus Göttingen sich dafür ausspricht, auf die Befähigung und Ausbildung von Laien für Gottesdienste in einer nachpriesterlichen Zeit zu setzen, spricht sich Andreas Leblang schlicht für Fokussierung und Konzentrierung auf die Messe aus. „Das ist und bleibt die Mitte unseres Handelns!“ Auch in der Frage, was effizient ist und was nicht, gingen die Meinungen auseinander: Kann man das Engagement in einer Schule gegen das eines Pfarrers ausspielen und umgekehrt? Soll man große Kollegien "opfern", um neue Projekte angehen zu können oder verschwindet der ganze Orden aus der Öffentlichkeit mit der Institution? Womit leisten wir für die Ortskirche den „je größeren Dienst“? Wo gibt es geistliche Kristallisationspunkte? Diese Fragen konnten und können wohl nie ganz geklärt werden. Es bleibt vieles offen. Klar ist: Cityseelsorger sind wie kaum andere dran am Puls der Zeit. Ein sehr spannendes Arbeitsfeld!

Eingeladen und gekommen waren die Pfarrer und Cityseelsorger aus Stockholm – St:Eugenia (P. Dominik Terstriep SJ), Hamburg – St. Ansgar / Kleiner Michel (P. Philipp Görtz SJ), Göttingen – St. Michael (P. Ludger Joos SJ), Frankfurt – St. Ignatius (P. Bernd Günther SJ und Fabian Loudwin SJ), St. Canisius (P. Manfred Hösl SJ), München – St. Michael (P. Andreas Leblang SJ), Linz – Alter Dom (P. Fritz Sperringer SJ), Wien – St. Rupprecht (P. Alois Riedlsberger SJ) sowie Luzern – Jesuitenkirche (P. Hansruedi Kleiber SJ).

Zur Person:

Manfred Hösl SJ

Pater Manfred („Josy“) Hösl SJ hat in Regensburg Theologie, Soziologie und Pädagogik studiert und ist 1991 in den Jesuitenorden eingetreten. Er war Schulseelsorger im Kolleg St. Blasien und Pfarrer in Göttingen. Seit 2017 ist er Pfarrer von St. Canisius, Berlin-Charlottenburg.

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