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Synodenblog Tag 21

Dreieinhalb Wochen debattieren Bischöfe, Fachleute und auch einige Jugendliche aus der ganzen Welt im Vatikan über Jugend, Glaube und Erkenntnis der Berufung. Mit dabei als eingeladener Experte aus Deutschland: Clemens Blattert SJ. Er schreibt für Vatikan News einen Blog. Heute: Tag 21.

Liebe Leserinnen und Leser,

im Hintergrund wird momentan am Text des Abschlussdokuments gearbeitet, damit die Bischöfe am Ende der Synode Abschnitt für Abschnitt über ihn abstimmen können.

Während im Synodensekretariat noch unter Druck gearbeitet wird, kehrt bei mir langsam die Entspannung ein, denn die Arbeit der Experten ist abgeschlossen. Auch die gestrige Wallfahrt hat viel dazu beigetragen. So konnte ich mir heute Morgen auch mal wieder einen Cappuccino und ein Cornetto in meiner Lieblingsbar direkt an der Jesuitenkurie gönnen.

Zum Ende der Synode sind viele Journalisten aus dem deutschsprachigen Raum angereist, die uns Synodenteilnehmer für Interviews anfragen. Manche davon lehne ich ab, beispielsweise wurde ich gefragt, ob ich zu den Querelen um die Erteilung des Nihil obstat für meinen Mitbruder Ansgar Wucherpfennig ein Interview geben könne. Dazu kann ich aber nicht mehr sagen als jeder andere auch, der die Berichterstattung verfolgt hat. Hier in Rom lebe ich zwar mit Pater General unter einem Dach, sitze jeden Tag mit dem Präfekten der Glaubens- und Bildungskongregation und dem Papst in einem Raum, was aber im Umkehrschluss nicht heißt, dass ich durch die räumliche Nähe mehr erfahren würde. Alle Gespräche laufen hier sehr diskret ab und die Etikette verbietet es auch, Pater General beim Essen auf solche Interna anzusprechen.

Aber gerne sagte ich heute nach dem Morgenkaffee einer Journalistin zu, die sich über die Synode unterhalten wollte. Zum Gespräch saßen wir auf der Dachterrasse der Kurie, und dort kam mir dann auch die Idee für einen Blogbeitrag an einem Tag, an dem offiziell nichts passiert.

Im Gespräch mit der Journalistin fiel mir auf, dass ein Wort während dieser Synode mit großer Selbstverständlichkeit bemüht wurde: Unterscheidung. Aber Unterscheiden ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Kunst, die erlernt werden will.

Die „Unterscheidung der Geister“ genießt in der Spiritualitätsgeschichte eine lange Tradition. Ignatius von Loyola hatte während eines langwierigen Genesungsprozesses die Intuition, dass es in ihm unterschiedliche Kräfte gibt. Die einen bringen ihn mehr ins Leben, die anderen gaukeln dieses Mehr an Leben nur vor. Er verließ sich auf diese Intuition und entwickelte aus ihr die Unterscheidung der Geister. Sie wurde ihm zu einem Kompass, mit Hilfe dessen er die Suche nach seinem Platz im Leben bestreiten konnte. Mit der Erteilung der Geistlichen Übungen für seine ersten Gefährten begann Ignatius, sein Handwerkszeug weiterzugeben.

Aber was macht dieses Werkzeug eigentlich so besonders? Es ist die Tatsache, dass es in jedem Menschen bereits angelegt ist. Glaubt ein Mensch daran, dass Gott ihm den Weg zu mehr Leben zeigen kann, und will ein Mensch dem Guten in seinem Leben Raum geben, spürt er ziemlich schnell, dass das gar nicht so eindeutig zu machen ist. Es strömen viele Stimmen von außen und innen auf einen ein. Es zieht einen in ganz unterschiedliche Richtungen. Geistlich spricht man dann von einem Kampf zwischen den guten und den bösen Geistern. Diese beiden zu unterscheiden erfordert ein genaues Hören auf die inneren Bewegungen. Die Unterscheidung lässt sich auch in Gemeinschaften anwenden, wie ich auf der Synode erleben konnte. Aber es braucht viel Kraft, Zeit, Ruhe und Geduld. Nicht immer ist sofort klar, was von welchem der Geister kommt.

Als Jesuiten versuchen wir uns in dieser Unterscheidung zu üben und sie weiterzugeben. Ich denke oft, dass das Jesuit sein eine wirklich tolle Sache ist. Geistliche Begleiter, Priester und Exerzitienbegleiter sind ein bisschen wie Unternehmensberater, die allerdings Menschen beraten und dabei begleiten, das Potential ihrer „Lebensunternehmung“ zu sehen. Mit der Unterscheidung der Geister geben wir Menschen seit Jahrhunderten Kriterien an die Hand, wie sie klare Entscheidung treffen können, immer und immer wieder.

Auch das Abschlussdokument, über das morgen abgestimmt wird, soll nicht gelesen werden, als würde es über Wohl und Wehe der Menschen entscheiden, sondern soll „nur“ ein Hilfsmittel bei der Unterscheidung der Geister sein. Es soll Lust machen auf der Spur des Heiligen Geistes, der uns zum Mehr im Leben lockt, zu bleiben.

Clemens Blattert SJ

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