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Synodenblog - Tag 8

Dreieinhalb Wochen debattieren Bischöfe, Fachleute und auch einige Jugendliche aus der ganzen Welt im Vatikan über Jugend, Glaube und Erkenntnis der Berufung. Mit dabei als eingeladener Experte aus Deutschland: Pater Clemens Blattert SJ nimmt als Peritus an der Synode teil. Heute: Tag 8

Liebe Leserinnern und Leser,

wir feiern heute den Gedenktag von Papst Johannes XXIII. Sein Grab ist im Petersdom, wir Synodenteilnehmer gehen quasi täglich an ihm vorbei. Er, der große Rufer zu einem neuen Konzil, er, der gesagt hat, öffnet die Fenster der Kirche, er, der von Papst Franziskus heiliggesprochen wurde. Am Tag des Eröffnungsgottesdienstes dieser Synode haben wir im Petersdom die priesterlichen Gewänder direkt neben dem Grab dieses Papstes angezogen. Die drei deutschen Bischöfe warteten auf den Beginn der Messe – sie saßen gemeinsam in der Bank, die vor dem Grab mit dem Sarg von Papst Johannes XXIII. steht. Still, mit geschlossenen Augen stimmten sie sich auf diese Synode ein. Ein schönes Bild: Der milde Papst, der die Kirche erfrischen will, er kann der Patron dieser Synode sein.

Erfrischung bedeutet für die Kirche im Moment unter anderem die Aufarbeitung von Macht- und sexuellem Missbrauch, aber auch geistlicher Missbrauch ist überdeutlich in der Aula angesprochen worden. Da stehen die Fenster weit offen und die Botschaft ist angekommen. Doch ich frage mich ehrlich, welche weiteren Auswirkungen die aktuellen Ereignisse auf die Kirche haben werden. Viele offene Fragen, Wut, Ärger, die Ratlosigkeit und kaum Hoffnung auf Veränderung lassen sich in Deutschland exemplarisch am Verfahren in Frankfurt sehen. Und nach der gestrigen Äußerung von Papst Franziskus zum Thema Abtreibung zweifeln einige daran, ob Papst Franziskus wirklich vertrauenswürdig ist.

Ich bin mir sicher, dass Papst Franziskus niemanden verurteilen will, dass er selbst zutiefst aus dem Wort Jesu lebt. Er hat mehrfach betont, dass auch er nicht perfekt und ein Sünder ist und dass er manchmal unterschätzt, wie seine Worte missverstanden werden können oder verletzend sind. Er möchte barmherzig sein, möchte eine Kirche, die nah bei den Menschen ist, möchte klar für die Botschaft des Lebens eintreten. Und er möchte die Kirche erneuern. Dass er das auch im Rahmen einer Synode tut, bei der die Jugend in der Mitte steht, halte ich für sehr klug. Das wird positive Auswirkungen haben.

Trotz aller guten Vorzeichen gibt es also viele Streitpunkte. Da will einem schon mal der Mut verlassen und Resignation sich breit machen. Auch bei mir, trotz meiner Begeisterung für diesen Papst und die Themen dieser Synode. Vielleicht geht es Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die Sie mit Interesse und Hoffnung für die Kirche meinen Blog verfolgen, ähnlich.

Heute in der Aula fiel mir das Wort meines Ordensvaters Ignatius ein: „In der Unterscheidung der Geister kann man davon ausgehen, dass die Stimme der Entmutigung nie von Gott kommt.“ Und jetzt, wo ich gerade diesen Beitrag schreibe, steht eine Herz-Jesu-Figur vor meinem (offenen!) Fenster, groß und unübersehbar. Auf dem Sockel steht: „Dein Heil bin ich.“ Ich bin überzeugt, dass Papst Johannes XXIII. so viel Hoffnung, Milde und Zuversicht ausstrahlen konnte, weil diese Worte Jesu das Fundament seines Lebens bildeten.

Ich wünsche mir, dass diese Worte das Fundament für uns alle werden können. Die Erneuerung und Erfrischung der Kirche beginnt dort, wo ich dieser Wahrheit Raum gebe. Vom Vertrauen auf diese Worte wird niemand dispensiert. Im heutigen Evangelium heißt es: „Warum wollte ich, euer guter Vater, euch nicht den Heiligen Geist geben, wenn ihr darum bittet?“

Und so möchte ich noch kurz von zwei tollen Erfahrungen hier in Rom berichten. Die deutsche Delegation trifft sich immer dienstags zum Abendessen und Austausch. Ich bin mir nicht sicher, ob es am deutschen Abendessen mit Brot, Wurst, Käse und Essiggurken oder möglicherweise dem Weißwein lag, aber hier sind richtige Geistmomente entstanden. Wir hatten ein so kontroverses, lebendiges Gespräch über Berufung und Weitergabe des Glaubens an junge Menschen. Das war einfach nur toll. In der ersten Woche sind ein Vertrauen und eine Wertschätzung gewachsen, so dass wir uns nun frei und offen austauschen können. Es ging nicht um das Abstecken von Positionen, sondern um das Ringen, wie unser Anliegen, die Verkündigung des Evangeliums, in der heutigen Welt gelingen kann. Das war für mich richtig erfrischend, ein geisterfülltes Gespräch. Das sind die Momente, die mich dankbar machen. Nicht das Händeschütteln mit dem Papst ist das Besondere, sondern solche Gespräche und ein offener, vorurteilsfreier Austausch. Wir alle brennen für die Themen dieser Synode. Ich bin überzeugt, daraus wird Frische für die Kirche hervorgehen.

Und noch etwas: Heute sprach der Vertreter der methodistischen Kirche. Er erzählte von kleinen ökumenischen Gemeinschaften, die überall in England wachsen – gemeinsam, über Konfessionen hinweg wird gebetet, über die Bibel gesprochen, Gemeinschaft gelebt. Da entsteht viel Freude für die Menschen. Dass er sprechen konnte, ist ja auch eine Frucht des von Johannes XXIII. einberufenen Konzils.

Also, liebe Leserinnen und Leser, die Fenster stehen offen, der Heilige Geist weht, lassen wir uns trotz der Schwierigkeiten nicht entmutigen und suchen jede/r an ihrem/seinem Platz das Vertrauen, auf den zu leben, der mit weit ausgebreiteten Armen sagt: Ich bin Dein Heil.

In diesem Sinne
Clemens Blattert SJ

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