• Unterwegs in Schweden...

Tapetenwechsel

Was bedeutet Urlaub für mich? Diese Frage stellen wir in den kommenden Wochen einigen Jesuiten und Mitarbeitern jesuitischer Werke. Für die einen bedeutet es Exerzitien zu machen, am Strand zu liegen oder die Familie zu besuchen. Für Dr. Jens Pape, Kanzler der Hochschule für Philosophie (München), geht es im Urlaub vor allem um einen Tapetenwechsel.

Urlaub ist für mich ein wunderbarer Luxus. Fast unglaublich erscheint, dass Urlaub im Sinne von bezahlter Freizeit in Deutschland erst Anfang des 20. Jahrhunderts allmählich Einzug hielt. Die mit der Industrialisierung entstandene Arbeitswelt hat dieser Idee zum Durchbruch verholfen. Heute gibt es eine ganze Industrie, die Menschen dabei unterstützt, die Urlaubszeit optimal auszunutzen.

Was macht die geschenkten Tage für uns so kostbar? Allein die Aussicht, zwei oder drei Wochen ohne (berufliche) Termine und Verpflichtungen vor sich zu haben, finde ich großartig. Die vom Alltag geprägte Struktur der Tage und Wochen löst sich auf. Kein Wecker klingelt, die Kinder müssen nicht zur Schule eilen, selbst der Hund schläft noch mehr aus als sonst. Gerade im Sommer könnte man es dabei eigentlich belassen. Denn dann ist München am schönsten, und zugleich ist es nirgends überfüllt. In den Biergärten sind Bänke frei, die Museen stehen offen, und die Isar lädt zur Abkühlung ein.

Doch die freien Tage sind so wertvoll, dass wir sie auch für einen Tapetenwechsel nutzen wollen. Das ist gut für den Kopf, hilft beim Abschalten, kann neue Perspektiven aufs Leben eröffnen. Der Familienrat muss bei uns dann immer wieder aufs Neue eine Reihe von Glaubensfragen beantworten: Berge oder Meer? Aktiv oder faul? Die Familie unter sich oder schließt man sich mit anderen zusammen? Inzwischen stellt sich verschärft auch die Frage des Transportmittels und der Ökobilanz der ganzen Unternehmung. Zum Glück reizen mich exotische Ziele heute weit weniger als früher. Fernreisen und Fluchtflüge bei dunkler Jahreszeit in die Sonne würden uns die Kinder auch nicht mehr durchgehen lassen.

Bei aller Qual der Wahl - uns ist bislang immer etwas Gutes eingefallen. Im Rückblick erstaunt es mich fast: Ich kann mich zumindest in den letzten 15 Jahren nur an sehr schöne Urlaube erinnern. Mit kleinen Kindern war auch der Radius klein, Österreich oder Südtirol lagen schon fern genug. Eine lange Autofahrt ohne ausreichend Hörspiele war riskant. Die Hörspiele waren es manchmal auch. Haupturlaubsziel: Auch mal in Ruhe ein Buch lesen. Klappte mal besser, mal schlechter. Dann wurde der Radius größer, und wir wagten uns weiter südlich nach Italien, an die Ostsee, nach Schottland, Spanien, Schweden ... Europa ist voller wunderschöner und unglaublich interessanter Orte.

Doch was ist das Erfolgsrezept? Woran liegt es, wenn man irgendwann erfrischt an den Schreibtisch zurückkehrt und dabei gern auf den Urlaub zurückblickt? Ein wesentlicher Teil des Verdienstes gebührt bei uns der Recherchekönigin der Familie, die die meisten der wunderbaren, oft nicht ganz alltäglichen und auch noch bezahlbaren Ziele aufgespürt hat. Außerdem wichtig: Bloß nicht zu viel vornehmen, bloß nicht zu viel erwarten! Andererseits ist es gut für die Harmonie, wenn jeder sagt, was ihm oder ihr am wichtigsten ist und auf jeden Fall vorkommen muss: Ausschlafen, drei dicke Bücher lesen, diese Stadt ansehen, jenen Berg besteigen, was auch immer.

Idealweise stellt sich irgendwann ein Urlaubs-Flow ein. Jeder genießt für sich, und dann sitzen wieder alle zusammen. Alles geht ohne große Abstimmung: Wer geht mit zum Schwimmen? Spielen wir nachher noch was? Na klar! - Dabei hätte so viel schief gehen können: Autopanne, enttäuschende Unterkunft, schlechtes Wetter, Streitereien ... Und irgendwas läuft auch immer anders als erwartet. Und dennoch haben wir jedes Mal eine tolle Zeit, wofür ich auch jeden Tag dankbar bin.

Dr. Jens Pape

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