Von Grippe, Erkältung und Igelbällen

Unter dem Motto "Gott in allen Dingen finden" schreibt P. Georg Maria Roers SJ jeden Adventssonntag inspiriert von seinem Alltag einen spirituellen Impuls, um abseits des vorweihnachtlichen Trubels einmal kurz innezuhalten. Am 1. Advent geht es um Grippe, Erkältung und Igelbälle:

Soll ich zur Grippeimpfung gehen, frage ich mich gerade? Am besten die Vierfach-Impfung. Sicher ist sicher. Dann erinnere ich mich an die Schlagzeilen: „Grippe-Impfstoffe werden in vielen Teilen Deutschlands knapp.“ Jetzt wird es also bei ihrem Arzt oder Apotheker gar nix mehr geben. Vielleicht auch gut. Man erspart sich die Nebenwirkungen. Gibt es da welche? Im Winter ist es eh am besten Tee zu trinken. Vielleicht lesen Sie dazu: ‚Diese wunderbare Bitterkeit. Leben mit Tee‘. Ein Buch von Christoph Peters.

Welche Maßnahmen ergreife ich, wenn ich erkältet bin? „Wo tut´s denn weh, trinken wir mal `nen Tee“, heißt es in dem Theaterstück von Tankred Dorst ‚Ich, Feuerbach‘. Erstens, trinke ich meinen Erkältungstee mehrmals am Tag. Zweitens gurgele ich regelmäßig mit Mallebrin, ein Konzentrat in Blau, dass ein bisschen gefährlich aussieht. Und drittens reibe ich meine Brust in der Nacht mit VapoRub, einer Erkältungssalbe, ein. Vielleicht helfen auch ein paar Ladungen Aspirin, wenn´s besonders heftig ist. All das hilft mir, die üblichen Tage zu überstehen. Ich habe das Gefühl: Jetzt hab ich die Krankheit im Griff. Es ist eigentlich immer dasselbe Procedere. Man will ja der Herr des Verfahrens bleiben, obwohl ich gezwungen werde, einen Gang runterzuschalten. Nicht richtig Atmen zu können, nimmt mir nicht nur die Luft, sondern macht mich mit der Zeit schlapp. Davon abgesehen, dass manche meiner Alpträume davon handeln.

Aber fühle ich mir nur dann lebendig, wenn ich gesund bin? Das kann ja nicht sein. Wenn ich krank bin, erinnere ich mich gerne an das Prinzip und Fundament (GÜ 23) der Geistlichen Übungen des Hl. Ignatius von Loyola. Er will mir die Gelassenheit nahe bringen: „Auf diese Weise sollen wir von unserer Seite Gesundheit nicht mehr verlangen als Krankheit.“ Klingt kühn oder?

Als junger Jesuit geht man gerne über diesen Satz hinweg. Nach ein paar Jahrzehnten im Orden versteht man besser, was Ignatius gemeint haben könnte. Eine Erkältung, auch eine Grippe ist ja noch überschaubar. Aber was geschieht, wenn ich nach einem Unfall gehandikapt bin und eine Zeit lang mit Krücken durch die Gegend laufen muss? Kann man nicht sogar im Rollstuhl Bundestagspräsident sein? Knochenbrüche können heilen, das hat Ignatius am eigenen Leib erfahren, als sein Bein in einer Schlacht von einer Kanonenkugel getroffen wurde. Eine lange Leidensgeschichte begann, die ihn zu einem anderen Menschen machte. Mit der Zeit kämpfte er nicht mehr als Soldat, sondern mit den bösen Quälgeistern, die ihn von seinem Vorhaben abhalten wollen, sich radikal zu bekehren. Bekehrung?! Geht es im Advent nicht auch darum? Ignatius lernt zu differenzieren und gewissenhaft zu analysieren wo religiöse Kräfte am Werk sind und wo es einfach nur darum geht einen Schnupfen los zu werden. Sich um die eigene Seele zu sorgen, ist meistens im Wellnessprogramm der Luxushotels nicht vorgesehen.

Ich bin kein Held und kein Heiliger. Und vielleicht bin ich manchmal zu schnell verschnupft. Mag sein – mir ist mittlerweile klar geworden, dass es vor allem aber chronische Krankheiten sind, die uns Menschen zu schaffen machen. Rheuma ist so eine Krankheit, die viele Leidende plagt, für die es selten Therapien gibt, die zur völligen Gesundung führen. Wer die Gicht an seinen Fingern spürt, sollte Igelbälle in die Hände nehmen. Damit zu spielen hält beweglich. Im Advent viel spazieren zu gehen, soll auch helfen. Vielleicht besser vor Einbruch der Dunkelheit. Ich habe sogar aufgehört Fleisch zu essen und – vermisse nichts. Es scheint zu helfen.

Wer keine Lust hat sich einzuigeln, der braucht geistige Igelbälle, die helfen, neue Wege zu gehen. Eine Fußsohlenmassage mit einem mittleren Igelball bringt sie sogar zum Lachen. Wetten?! Unser Nervensystem ist ein sensibles Gefüge, das immer wieder neu angeregt werden will. Das gilt auch für unser Seelenleben.

Autor:

Georg Maria Roers SJ

Pater Georg Maria Roers SJ ist Beauftragter für die Bereiche Kunst und Kultur im Erzbistum Berlin. Aufgewachsen ist er am Niederrhein. Sein Lehrer auf dem katholischen Internat Gaesdonck war der Künstler und Kunstsammler Franz Joseph van der Grinten, ein Freund von Joseph Beuys. Ein anderer Lehrer begeisterte ihn im Leistungskurs Theologie für Ignatius von Loyola, den Begründer des Jesuitenordens. „Sich aus der Welt zurückziehen, in einen Dialog mit Gott treten, das Leben Jesu nehmen und das eigene Leben danebenlegen“, das habe ihn fasziniert. Nach dem Abitur tritt er in den Orden ein und studiert Theologie, Philosophie, Kunstwissenschaft. Seine Abschlussarbeit schreibt er über die „Ästhetik des Heiligen“. Bevor er 2013 nach Berlin kam, arbeitete er zehn Jahre als Künstlerseelsorger in München.

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